Zahlen sorgen für Skepsis
Letzten Freitag habe das Statistische Bundesamt berichtet, dass das deutsche BIP im vierten Quartal 2022 (im Vergleich zum Vorquartal) stagniert hätte. „Eine Stagnation ist in der Regel keine gute Nachricht“, so Grüner. Allerdings seien die Erwartungen an die deutsche Wirtschaft zuvor über viele Monate hinweg gesunken. Es hätten die Befürchtungen, dass die Erdgas-Verknappung zu Energierationierungen und Stromausfällen führen könnte, dominiert. Die mächtige Chemieindustrie würde in diesem Zusammenhang zu Produktionskürzungen gezwungen sein, da Erdgas ein wichtiger Ausgangsstoff für verschiedene chemische Produkte ist. Pessimismus sei über längere Zeit hinweg das Gebot der Stunde gewesen.
Realität schlägt Erwartungen
„Sollten spätere Schätzungen die BIP-Stagnation nun bestätigen, würde dies allerdings bedeuten, dass Deutschland die weithin erwartete Rezession bisher erfolgreich vermieden hat“, analysiert Grüner. Für die Aktienmärkte greife also die übliche Regel: Wenn die Realität die düsteren Erwartungen überteiffen würde, könnten Aktien typischerweise an der Mauer der Angst empor klettern. Dazu müsse die Realität aber nicht perfekt sein – was sie zugegebenermaßen auch nicht sei und vermutlich nie sein sein werde.
„Wie die dynamischen Renditen seit dem Tiefpunkt zeigen, besteht die entscheidende Tatsache darin, dass sich Aktienmärkte sehr früh bewegen“, meint Grüner. „Sie gehen offensichtlich bereits davon aus, dass die Realität die Erwartungen in absehbarer Zeit übertreffen wird.“ Dabei würden die Aktienmärkte allerdings nicht auf eine Bestätigung warten, dass dies geschehen sei. Es gebe kein Entwarnungssignal und kein grünes Licht – wer darauf warte, erhöhe wie immer die Wahrscheinlichkeit, große Gewinne zu verpassen.
Schnelle Reaktionen
Der deutsche Aktienmarkt habe eine zähe Abwärtsbewegung hinter sich, die bereits im vierten Quartal 2021 gestartet sei. Sämtliche Stimmungsindikatoren hätten mehr und mehr nach unten gezeigt, schlechte Wirtschaftsnachrichten den Pessimismus befeuert und in der Nähe des Zwischentiefs zu Beginn des vierten Quartals 2022 seien sich die Mehrheit der Experten einig gewesen, dass Deutschland in eine Rezession schlittere. In dieser Abwärtsphase hätten die Aktien niemals gezögert, die verschlechterten Bedingungen, Ängste und Prognosen einzupreisen. Jetzt würden sie ebenso schnell die „neuen“ Bedingungen einpreisen, die besser ausfallen würden als weithin befürchtet wurde.
Fazit
„Ein schneller Anstieg der Aktienkurse, wenn die mäßige Realität die extrem miesen Erwartungen übertrifft, ist ein gewohntes Bewegungsmuster und deutet aus unserer Sicht auf eine typische Erholung hin“, resümiert Grüner. „Die Erwartungshaltung bezüglich der deutschen Wirtschaft ist längst auf einem niedrigen Niveau angelangt – dies schafft gute Voraussetzungen für positive Überraschungen im Börsenjahr 2023.“ Dieses Prinzip gelte nicht nur für den deutschen Aktienmarkt, sondern weltweit – global orientierte Anleger dürften sich also nach einer zermürbenden Phase auf neue Chancen freuen.
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