Im Jahr 2021 wurde das Humboldt Forum in Berlin in drei Veranstaltungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, im September 2022 erfolgte die feierliche Eröffnung des letzten, des vierten, Teilabschnitts. Auch nach der vollständigen Eröffnung reißen die Diskussionen um die Struktur, die Präsentation und die inhaltliche Ausrichtung des Humboldt Forums nicht ab. Ein Grund hierfür ist, dass das Humboldt Forum mit überbordenden und bisweilen gegenläufigen Erwartungen unterschiedlicher Akteure geradezu überfrachtet wurde und als Platzhalter für kulturpolitische Debatten, wie z. B. um den Kolonialismus, steht. Das historisierende Gebäude bildet eine weitere Bürde für zeitgemäße öffentliche Programme. Das größte Hindernis für das Humboldt Forum ist jedoch, dass vier Institutionen in einem Haus zusammenarbeiten müssen, in dem keine zuhause ist.

Trotz der Hypothek, die das Humboldt Forum zu tragen hat, sieht der Deutsche Kulturrat die Chance, dass es zu einem Ort entwickelt werden kann, an dem reflektiert wird, wie Deutschland die Welt und wie die Welt Deutschland sieht.

Mit einer Stellungnahme positioniert sich der Deutsche Kulturrat erstmals zum Humboldt Forum. Er sieht seine Aufgabe darin, das Augenmerk auf strukturelle Probleme zu lenken und Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit der unterschiedlichen Akteure des Humboldt Forums zu machen.

Das Gebäude

Zusammenfassend stellt der Deutsche Kulturrat zum Gebäude fest, dass es allein durch die Planung und Raumaufteilung, die fehlende Nachhaltigkeit und mangelnde Beachtung eines inklusiven Zugangs zahlreiche Mängel aufweist.

  • Der Deutsche Kulturrat fordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um zumindest die technischen Nutzungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der realen Raumbedarfe sowie einer ökologisch nachhaltigen Nutzung zu verbessern. Gleichfalls gilt es, am Bau mit Blick auf inklusiven Zugang nachzubessern.

Die Aufgaben und das Selbstverständnis

Die vier Nutzer, Humboldt-Universität zu Berlin, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Stiftung Humboldt Forum und Stiftung Stadtmuseum Berlin, haben jeweils eigene Aufgaben, verfolgen spezifische Zielsetzungen und richten sich an von ihnen identifizierte Zielgruppen. Ein gemeinsames Konzept oder Verständnis, was zu einer gemeinsamen Identität als Humboldt Forum führt, ist nicht zu erkennen.

  • Der Deutsche Kulturrat stellt fest, dass sich weder das gemeinsame Anliegen erschließt, noch die unterschiedlichen Aufgaben oder Verantwortlichkeiten nachvollziehbar zu erkennen sind. Aus beabsichtigter Vielstimmigkeit wird so fehlende Sichtbarkeit und mangelnde Profilierung. So bleibt unklar, wovon die Rede ist, wenn vom Humboldt Forum gesprochen wird. Im Sinne der nationalen und internationalen Besucherinnen und Besucher, die im Zweifel wissen wollen, wer was im Humboldt Forum verantwortet, sollten die jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar und verständlich dargestellt werden.
     
  • Der Deutsche Kulturrat fordert Politik und Verwaltung auf, die Aufgaben der unterschiedlichen Nutzer zu überdenken, im Dialog mit ihnen weiterzuentwickeln und so zu einem profilgebenden gemeinsamen Selbstverständnis beizutragen. Ein wichtiger Aspekt sollte dabei die Orientierung an den Besucherinnen und Besuchern aus Deutschland und der ganzen Welt sein.

Die Struktur

Der Deutsche Kulturrat sieht als wesentliche erste Aufgabe von Politik und Verwaltung, die Struktur des Gebildes Humboldt Forum zu klären und neu zu ordnen. Dazu gehört auch, die Aufgaben der verschiedenen Akteure und Rollen im Gebäude Humboldt Forum so zu beschreiben, dass strukturelle Hindernisse aufgelöst und dadurch potenzielle Synergien gehoben werden.

Der Deutsche Kulturrat sieht die derzeitige Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Chance, Rolle, Aufgaben und Funktionen des Humboldt Forums und insbesondere der Stiftung Humboldt Forum neu zu justieren. Der Reformprozess sollte genutzt werden, um die Stiftung Humboldt Forum in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz einzugliedern. Die Aufgaben des Gebäudemanagements sollten von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wahrgenommen werden.

Der Deutsche Kulturrat schlägt ferner vor,

  • der bisherigen Stiftung Humboldt Forum die Aufgabe zu übertragen, den Diskursraum „Agora“ zu gestalten und sich hierauf zu konzentrieren. Hier könnte mit einem eigenständigen öffentlichen Programm aus den verschiedenen künstlerischen Sparten unter Berücksichtigung des immateriellen Kulturerbes ein lebendiger Kulturort entstehen.
     
  • dass das Museum für Europäische Kulturen in das Gebäude des Humboldt Forums zieht. So könnten die vielfältigen Bezüge zwischen europäischen, deutschen und globalen Entwicklungen und Verflechtungen sichtbar gemacht werden.
     
  • dem Land Berlin ein Angebot bezüglich der durch die Stiftung Stadtmuseum Berlin genutzten Flächen zu machen. Diese Flächen sollten nach einer baulichen Ertüchtigung für das Museum für Europäische Kulturen zur Verfügung stehen.
     
  • dass die Geschichte des Ortes für die Besucherinnen und Besucher anschaulich und präsent gemacht wird.
     
  • dass die Humboldt Universität zu Berlin und die Staatlichen Museen enger zusammenarbeiten und insbesondere in der Wissenschaftskommunikation Synergien entwickeln.

Der Förderverein

  • Der Deutsche Kulturrat fordert Politik und Verwaltung auf, einer weiteren Einflussnahme des Fördervereins Berliner Schloss in die bauliche Gestaltung und inhaltliche Arbeit des Humboldt Forums entschieden entgegenzutreten. Nach Fertigstellung des Baus muss die Autonomie von Wissenschaft und Kultur im Haus uneingeschränkt gelten.

Die Finanzierung

  • Der Deutsche Kulturrat fordert, dass das Humboldt Forum so finanziert wird, dass es in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Wesentlich ist aus Sicht des Deutschen Kulturrates ein ausgewogenes Verhältnis zwischen technischen Betriebsausgaben, Personalausgaben und Programmausgaben. Bei einem, wie vom Deutschen Kulturrat vorgeschlagenen technischen Betrieb des Gebäudes durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, muss deren Etat entsprechend erhöht werden. Dies gilt auch für die Personalmittel bei einer Eingliederung der Stiftung Humboldt Forum in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: "Wir glauben an den Bedeutung des Humboldt Forums und wollen mit unseren Forderungen und Vorschlägen zu diesem Gelingen beitragen. Politik und Verwaltung haben die Verantwortung, durch eine eindeutige Struktur, klar umrissene Aufgaben, ausreichender Autonomie bei der inhaltlichen Ausfüllung der Aufgaben und einer daraus folgenden ausreichenden Finanzierung den Rahmen dafür zu setzen, dass das Humboldt Forum zu einer Erfolgsgeschichte wird. Wir freuen uns auf die weitere Dabatte."

 

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