Die Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland begrüßt den heutigen Bundestagsbeschluss zur Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt. Hierdurch erhalten Opfer von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit, ihren Fall von den Vereinten Nationen prüfen zu lassen. FIAN setzt sich seit über 30 Jahren für ein solches Individualbeschwerderecht ein.

Dr. Friederike Diaby-Pentzlin, Vorsitzende von FIAN Deutschland: „Durch das individuelle Beschwerderecht werden die Sozialen Menschenrechte insgesamt aufgewertet. Die Bundesregierung schließt hiermit eine wichtige Lücke und stärkt die Glaubwürdigkeit der deutschen Menschenrechtspolitik. Wir hoffen, dass sich nun auch deutsche Gerichte in ihren Urteilen häufiger auf den UN-Sozialpakt beziehen“. Diaby-Pentzlin kritisiert jedoch die lange Verfahrensdauer: Die UN-Generalversammlung hatte den Vertrag bereits 2008 angenommen. Deutschland unterstützte zwar den Entstehungsprozess und wies international auf die Bedeutung des Zusatzprotokolls für soziale Rechte hin, verzögerte jedoch immer wieder die Unterzeichnung. Bereits die vorherige Bundesregierung hatte die Ratifizierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart; dies war jedoch am Widerstand der CDU gescheitert. Auch der UN-Sozialausschuss hatte die nicht-Ratifizierung durch Deutschland wiederholt kritisiert. 

Individuelle Beschwerdeverfahren hat Deutschland auch beim Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte (UN-Zivilpakt), der UN-Frauenrechts-, der UN-Kinderrechts- sowie der UN-Behindertenrechtskonvention anerkannt. Bedingung hierfür ist jeweils, dass der nationale Klageweg bereits bestritten wurde. 

Hintergrund:

FIAN startete bereits Anfang der 90er Jahre eine Kampagne mit dem Ziel, Opfern von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit zu geben, bei der UNO Beschwerden einzureichen, wenn die im UN-Sozialpakt garantierten Rechte verletzt werden. Die UN-Menschenrechtskonferenz in Wien 1993 hatte die Erarbeitung eines entsprechenden Zusatzprotokolls in ihrer Abschlusserklärung beschlossen. Bis zur Verabschiedung dauerte es dann jedoch bis 2008. In Europa haben unter anderem Frankreich, Spanien und Belgien den Vertrag ratifiziert.

Zuständig für die Bearbeitung der Beschwerden ist der UN-Sozialausschuss. Individualbeschwerden sind keine Gerichtsverfahren, wie sie zum Beispiel vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof möglich sind. Die Empfehlungen heben daher keine innerstaatlichen Rechtsakte auf. Durch Individualbeschwerdeverfahren können jedoch Auslegungsfragen des seit 1976 für die Bundesrepublik verbindlichen UN-Sozialpaktes geklärt werden; die Empfehlungen können sich somit auf das deutsche Rechtssystem und die Rechtspraxis auswirken. 

Die im Zusatzprotokoll enthaltenen Verfahren ergänzen das generelle Monitoring-Verfahren für UN-Konventionen, die sogenannte Staatenberichtsprüfung. Diese Verfahren beziehen sich auf die Einhaltung der von den Vertragsstaaten bereits durch die Ratifikation des UN-Sozialpakts anerkannten Rechte, beispielsweise das Recht auf Arbeit, das Recht auf Nahrung, das Recht auf Gesundheit oder das Recht auf Bildung. Deutschland wird 2023 turnusgemäß wieder einen Staatenbericht einreichen.

Weitere Informationen:

• Historie des 30-jährigen Einsatzes von FIAN für das Zusatzprotokoll: www.fian.de/allgemein/ein-gewinn-fuer-die-menschenrechte-deutschland-ratifiziert-das-zusatzprotokoll-zum-un-sozialpakt

• Das heute beschlossene Gesetz im Wortlaut: https://dserver.bundestag.de/btd/20/036/2003624.pdf

• Stellungnahme vom Forum Menschenrechte: www.fian.de/wp-content/uploads/2022/11/221111-PM-Ratifikation-Zusatzprotokoll-Sozialpakt.pdf

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