Dass Wege ins Handwerk nicht immer geradlinig verlaufen, berichten in jedem Monat die „Azubis des Monats“ der Handwerkskammer Potsdam. Seit 2014 schlagen Handwerksbetriebe junge Menschen für diese Auszeichnung der Handwerkskammer Potsdam vor.

Am 7. November 2022 findet die Aktion zum 100. Mal statt: Handwerkskammerpräsident Potsdam Robert Wüst und Brandenburgs Wirtschaftsminister Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach zeichnen die angehende Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Marie-Christin Sievers für ihre vorbildlichen Ausbildungsleistungen in ihrem Ausbildungsbetrieb als Azubi des Monats November aus.

Robert Wüst, Präsident der Handwerkskammer Potsdam, zollt dabei allen 100 ehemaligen oder noch aktiven jungen Auszubildenden und ihren Ausbildungsbetrieben Respekt: „Die jungen Nachwuchshandwerkerinnen und -handwerker sowie die Ausbildungsleistung der Betriebe stehen viel zu selten im Licht der Öffentlichkeit. Deshalb zeigt unsere Aktion „Azubi des Monats“ den Brandenburgerinnen und Brandenburgern Monat für Monat, es gibt sie – die jungen Wilden, die lieben, was sie tun, die ihre Profession im Handwerk gefunden haben, die Vorbilder sind. In allen Regionen – ob in der Prignitz oder in Teltow-Fläming. Sie sind die Hoffnung und Zukunft Brandenburgs. Sie sind die Fachkräfte, die das Land und das westbrandenburgische Handwerk so dringend braucht. Sie gehören verdient ins Rampenlicht. Jeder soll wissen, was in ihnen steckt und welche Entwicklung sie nehmen.“

„Sich für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden, die Ausbildung durchziehen und dann auch noch vorbildliche Leistungen abliefern – wer wäre hier ein besseres Vorbild als Sie?“, wendet sich Wirtschafts- und Arbeitsminister Jörg Steinbach an die angehende Anlagenmechanikerin Marie-Christin Sievers. Steinbach weiter: „Brandenburg braucht junge Menschen von Ihrem Format in allen Gewerken. Und auch als Ausbildungsbotschafterin, die junge Menschen für das Handwerk begeistert, werden Sie gebraucht. Denn der Fachkräftebedarf im Land ist hoch und noch zu wenige junge Menschen entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk. Erzählen Sie Ihre Geschichte! Denn Handwerk macht Sinn, handwerkliches Arbeiten erfüllt und bietet beste Zukunftsperspektiven. Ihr Beispiel zeigt das eindrucksvoll.“

Neustart mit Blick auf künftiges Unternehmertum

Für die 100. Auszubildende des Monats „Marie im Handwerk“ – unter diesem Namen lässt die junge Frau ihre Follower bei Instagram an ihrem Handwerkerinnenleben teilhaben – war das Handwerk bei der ursprünglichen Berufswahl zunächst nicht geplant. Die junge Diplombauingenieurin setzte 2020 – beeinflusst durch berufliche Erfahrungen als Werkstudentin und die Coronapandemie – alles auf eine Karte und startete noch einmal neu: in eine Ausbildung. Das Ziel: perspektivisch den Handwerksbetrieb der Eltern weiterführen. Dafür wollte sie fachlich fit sein.

Bis es soweit war, so berichten ihre Eltern, musste sich Marie-Christin in der Schule wahrlich durchbeißen. Ihr großer Gerechtigkeitssinn ließ sie schon früh Erfahrungen mit Mobbing machen. Erst ein Schulwechsel brachte den Durchbruch. Als Schulsprecherin an ihrem Gymnasium setzte sie sich schon in jungen Jahren für ihre Mitmenschen ein.

Nach dem Abi ging studierte sie an der FH Potsdam, arbeitete als Werkstudentin auf Baustellen und merkte, „dass es nicht das ist, was mich erfüllt“. Sie hielt auch hier durch und schloss das Studium ab. Aber damit war auch für sie klar, dass der Weg ein anderer werden würde…  Corona führte sie schließlich in den elterlichen Betrieb. Die Eltern erkrankten und Marie-Christin sprang ein und führte den Betrieb. Hier merkte sie, dass ihr gefiel, was unternehmerische Verantwortung bedeutet. Sie wurde ernst genommen, prägte eine eigene Handschrift. „Dass Marie-Christin den Laden übernimmt, war nie geplant. Wir haben da nie Druck gemacht. Uns war eigentlich klar, dass auch bei uns der Nachfolger nicht aus der Familie kommt. Dass es nun anders kommt, ist natürlich wie ein `Sechser im Lotto`, zumal wir mit unserem Betrieb in den kommenden Jahren bei den Aufgaben der Energiewende gefordert sind,“ freut sich Installateur- und Heizungsbauermeister Steffen Sievers, der den Haustechnik-Betrieb „Sievers Bad & Heizung“ von 26 Jahren gründete. Heute ist er stolz, dass seine Tochter den Mut dazu hat, den Betrieb weiterzuführen. Und er ist stolz, dass sie sich so einbringt und Verantwortung nicht nur für die Mitarbeitenden, sondern auch gesellschaftlich für die Klimawende übernimmt.

Im August 2021 startete Marie-Christin in die Ausbildung. Schon im Sommer 2023 winkt nach bestandenen Prüfungen der Gesellenabschluss. Mit Blick auf die Klimaschutzaufgaben der Firma nutzt sie als Auszubildende schon heute alle Weiterbildungsmöglichkeiten, in dem sie beispielsweise einen Klimaschein für Wärmepumpen absolviert.

Mit Blick für die Gemeinschaft

Für die 27-jährige steht nicht nur das eigene Fortkommen im Fokus. Sie schaut hin, setzt sich aktiv ein, gibt Nachhilfe an der Berufsschule oder im Betrieb für ihre Mitlehrlinge. Sie netzwerkt – sei es im Ludwigsfelder Gewerbeverein oder in der SHK-Innung, die sie verjüngen und in der sie mit jungen Nachwuchshandwerkern ins Gespräch kommen will. Sie organisiert Fahrten für die Junghandwerkerinnen und Junghandwerker oder Veranstaltungen, um den Zusammenhalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb zu stärken, Kolleginnen und Kollegen an den Betrieb zu binden, Auszubildenden Perspektiven im Betrieb zu zeigen. Sie hat sich dem Arbeitsschutz im Betrieb angenommen und organisiert den Corona-Gesundheitsschutz im Unternehmen. Doch nicht nur im Handwerk ist sie angekommen. Marie-Christin hat auch einen „heißen Draht zu den Weihnachtsengeln“. Für den gleichnamigen Verein engagiert sie sich für „Kinder in Not“. 2021 sammelte sie 3.000 Euro ein, um den regionalen Fußball-Verein zu unterstützen. Und fühlt sich genauso in den sozialen Medien zuhause und nutzt diese für Werbung für ihren Beruf.

Unternehmenschef und Vater Steffen Sievers ist optimistisch, dass sich für den Familienbetrieb mit der Entscheidung fürs Handwerk von Marie-Christin alles fügt und er sein Lebenswerk in gute Hände geben kann. Der Ludwigsfelder Handwerksbetrieb bildet seine Fachkräfte selbst aus. Aktuell erlernen drei Lehrlinge ihr Handwerk bei Sievers, weitere sind jederzeit willkommen. Dabei fördert und motiviert der Unternehmer seinen Nachwuchs schon sehr früh: „Wenn die Leistungen und das Engagement stimmen, gibt es ab dem 2. Ausbildungsjahr ein Auto und zwei monatliche Tankfüllungen, die wir als Firma zahlen.“ Sievers ist überzeugt, dass in den Köpfen der Gesellschaft ankommen muss, dass eine Ausbildung als Basis für ein Studium dienen kann. „Nicht umgekehrt, dann bleibt den jungen Menschen erspart, unzufrieden etwas tun zu müssen. Mit einem Ausbildungsabschluss ist man freier, flexibler und fällt gute Entscheidungen. Das zeigt auch der Weg meiner Tochter.“

Während Marie-Christin noch nichts von ihrer Auszeichnung weiß, macht sich auch ein ganz besonderer Gratulant auf den Weg: Der einstmals erste ausgezeichnete Azubi des Monats: Am 9. Juli 2014 nämlich wurde der damalige Dachdeckerlehrling bei der LeDs Dachbau GmbH aus Nuthe-Urstromtal Christoph Jarzynski zum ersten Azubi des Monats der Handwerkskammer Potsdam gekürt. Heute hat der Ludwigsfelder bereits einen Meistertitel in der Tasche. Ein zweiter soll folgen, 2023 startet er damit am BQZ Neuruppin.

Hintergrund:

Im Kammerbezirk der Handwerkskammer Potsdam sind aktuell fast 1000 freie Lehrstellen und über 280 Praktika-Angebote in 66 Ausbildungsberufen zu vergeben. Im Ausbildungsberuf Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sind noch 89 Lehrstellen zu vergeben, 114 freie für Elektroniker, jeweils fünf für Elektroniker der Gebäudesystemintegration oder Informationstechnik und Mechatroniker für Kältetechnik und zwei für Elektroniker für Maschinen und Antriebstechnik im westbrandenburgischen Handwerk. www.hwk-potsdam.de/ausbildungsboerse

Über Handwerkskammer Potsdam

Die Handwerkskammer (HWK) Potsdam ist eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Selbstverwaltungseinrichtung für die Landkreise Havelland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Potsdam-Mittelmark, Prignitz, Teltow-Fläming und die kreisfreien Städte Potsdam und Brandenburg an der Havel. Sie ist die Interessenvertretung von rund 17.400 Mitgliedsbetrieben und ihren mehr als 70.500 Beschäftigten in über 150 Gewerken.

Die HWK Potsdam setzt sich für die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Handwerksbranche ein, bündelt die Kräfte und Gemeinsamkeiten des Handwerks und bietet ihren Mitgliedsbetrieben zahlreiche Unterstützungen bei wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen. Zu den Mitgliedsunternehmen gehören Handwerksbetriebe aller Branchen; vor allem aus dem Bau- und Ausbaugewerbe, Elektro und Metall, Holz, Bekleidung und Textil, Gesundheit, Reinigung sowie Nahrungsmittel.

Die HWK Potsdam bietet an ihrem Bildungs- und Innovationscampus Handwerk (BIH) Götz umfangreiche Angebote für die Weiterbildung im westbrandenburgischen Handwerk und führt in den dortigen Lehrwerkstätten auch die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung durch. Sie ist zuständig für Gesellen-, Meister- und Fortbildungsprüfungen im Handwerk.

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