Dabei hatte sich bereits sein Namenspatron und Großvater Bernhard Ende 1945 nach dem Schicksal seiner verwitweten Mutter Elisabeth Kappestein erkundigt. Die letzte Nachricht, die den Sohn erreicht hatte, war nämlich ein Telegramm vom Februar 1945 aus Irsee gewesen, das ihn über eine lebensgefährliche Erkrankung seiner Mutter informierte. Die intern überlieferte Formulierung des Irseer Nachkriegs-Abteilungsarztes zeugt von Vorsicht: Seine „Erkundigungen“ hätten ergeben, dass die Patientin „auf der Abteilung der Pauline“ verstorben und damit „eine Tötung nicht ausgeschlossen“ sei. Um aber „keine Unstimmigkeiten in derlei diffizilen Berichten in Haupthaus und Nebenabteilungen aufkommen zu lassen“, bat er Nachkriegs-Direktor Arthur Jaesche, die Antwort an den Familienangehörigen selbst zu übernehmen. Diese war lapidar: Dr. Jaesche teilte dem Sohn am 26.11.45 lediglich das Todesdatum und als Todesursache „Altersschwäche“ mit.
Es sollte annähernd 80 Jahre dauern, bis die Familie endlich die volle Wahrheit erfuhr: Nachdem Bernhard Lehmann sich im Sommer dieses Jahres an den Leiter des Schwäbischen Bildungszentrums Kloster Irsee, Dr. Stefan Raueiser, gewandt und dieser ihn an die Leiterin des Bezirksarchivs Kaufbeuren, Dr. Petra Schweizer-Martinschek verwiesen hatte, gibt es Gewissheit: Elisabeth Kappestein ist wohl kaum an Altersschwäche verstorben, sondern im März 1945 von der „Reichsschwester“ Pauline Kneissler ermordet worden. Das legt die Zeugen-Vernehmung der Ordensschwester Antida vom 13. Mai 1948 im Prozess gegen Anstaltsdirektor Dr. Valentin Faltlhauser nahe. Auf einer detaillierten, sechsseitigen Aufstellung von „Namen sämtlicher Kranken, die auf der Station der Kneissler in Irsee verstorben sind“, wird Elisabeth Kappestein als 214. Opfer genannt.
Ihrem Urenkel Bernhard Lehmann war es ein Anliegen, auch im Namen seiner Schwester Sonja Monika ein Rosengesteck auf das Grab seiner Uroma auf dem „Euthanasie“-Friedhof in Kloster Irsee niederzulegen, denn für beide ist klar: „Du wirst niemals vergessen sein“!
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