111 Athlet:innen, die bei den Olympischen Spielen für Deutschland antraten, durften sich über eine Medaille freuen. Doch im Sport liegen Freud und Leid oft dicht beieinander und so gingen tausende weitere Sportler:innen, die ebenfalls mit großen Hoffnungen angetreten waren, leer aus. Wie sie es schaffen, solche „Misserfolge“ zu verarbeiten, verraten zwei Sportpsycholog:innen der SRH Fernhochschule und Studentin Anna-Maria Wagner, amtierende Weltmeisterin im Judo.

Der Geist der Olympischen Spiele erfüllt noch immer die Herzen zahlreicher Sportler:innen und Zuschauer:innen. Den Athlet:innen dabei zuzuschauen, wie sie in ihren Disziplinen Bestleistungen abriefen, hat die Menschen vieler Länder begeistert. Doch auch kollektives „Mitleiden“ und auch Enttäuschungen gehörten dazu. Im Sport, wie auch im Leben eines jeden Einzelnen. Mit Niederlagen müssen wir alle umgehen. Denn wir alle scheitern von Zeit zu Zeit. Wobei man bei den Olympischen Spielen natürlich bemerken muss, dass allein die Qualifikation zu diesen ein Riesen-Erfolg ist!

Bewältigungsstrategien der Expert:innen
Dennoch: Ein paar gute Bewältigungsstrategien zur Hand zu haben, kann nie schaden. Und so fragen wir heute nach, bei denen, die sich wirklich mit dem Thema auskennen. Beim Fachdozenten für Wirtschafts- und Gesundheitspsychologie der SRH Fernhochschule und Spezialisten für Sportpsychologie Alexander Wendland, der Sportpsychologin und externen Dozentin der SRH Fernhochschule, Berit Kauffeldt sowie der amtierenden Judo-Weltmeisterin und Olympia-Teilnehmerin Anna-Maria Wagner.

„Irgendwann zahlt sich das Training aus“
Die 28-jährige deutsche Medaillenhoffnung Wagner erhielt als Fünftplatzierte bei den Olympischen Spielen leider kein Edelmetall. Sie verletzte sich bereits im Viertelfinale am Knie so nachhaltig, dass sie nicht mehr am Teamwettkampf teilnehmen konnte und auch den Rest des Jahres kein Turnier mehr bestreiten können wird. Das ist bitter. Doch die Ravensburgerin hat Strategien, um sich nach einer solchen Enttäuschung wieder zu motivieren. Wagner ordnet ein: „Im Sport kann vieles passieren. Freud und Leid sind nah beieinander. Wenn einmal ein Misserfolg da ist, dann versuche ich einfach zu schauen, woran es gelegen hat, was ich verbessern kann, um beim nächsten Mal wieder zu performen… Dann versuche ich einfach weiter hart zu trainieren, auf meiner Linie zu bleiben und irgendwann, das weiß ich, zahlt sich das ganze Training aus.“

Harte Arbeit und ein „Growth Mindset“
Und von diesem Mindset, dieser inneren Stärke, zehren viele Profi-Sportler:innen weiß Berit Kauffeldt. Die Sportpsychologin erklärt: „Leistungssportler:innen, insbesondere Olympiateilnehmer:innen, entwickeln häufig ein sogenanntes Growth Mindset, ein Konzept, das von der Psychologin Carol Dweck geprägt wurde. Ein Growth Mindset ist die Überzeugung, dass Fähigkeiten und Intelligenz durch harte Arbeit, Lernen und Ausdauer verbessert werden können. Sportler mit diesem Mindset sehen Niederlagen als Chancen für Wachstum und Verbesserung.

Anstatt Misserfolg als festen Zustand wahrzunehmen, erkennen sie, dass sie aus Fehlern lernen und ihre Leistung zukünftig steigern können. Am Anfang tut es aber natürlich trotzdem IMMER weh.“

Was weiterhin hilfreich sein könnte, laut Kauffeldt aber nicht immer die Stärke von Leistungssportler:innen ist, sei Selbstmitgefühl. Es beinhaltet, freundlich zu sich selbst zu sein, insbesondere in Zeiten des Scheiterns oder Leidens. Es ermutigt Sportler:innen, sich selbst zu unterstützen, anstatt sich selbst übermäßig zu kritisieren. „Indem sie Momente des Scheiterns mit Verständnis und Geduld begegnen, können Sportler:innen stressvolle Ereignisse mit mehr Gelassenheit und weniger Selbstvorwürfen bewältigen. Dies stärkt die emotionale Ausdauer und fördert eine positive Bewältigungsstrategie. Weitere Stützen des Konzepts sind Achtsamkeit und „gemeinsame“ Menschlichkeit. Das bedeutet, dass Niederlagen zum Leben jedes Menschen dazugehören und für alle schwierig sind.“

Ein Mindset aus Wachstum und Selbstmitgefühl
Ideal ist die Kombination aus beiden Fähigkeiten. Kauffeldt: „Indem Olympiateilnehmer:innen diese Ansätze integrieren, können sie sich nach einer Niederlage konstruktiv motivieren. Die Kombination aus einem Wachstums-Mindset und Selbstmitgefühl ermöglicht es, Rückschläge in einen Lernprozess zu integrieren und gleichzeitig das emotionale Wohlbefinden zu wahren. Unterstützt durch Trainer:innen, Psycholog:innen und ein starkes soziales Netzwerk, gewinnen Sportler:innen so die mentale Flexibilität, die notwendig ist, um weiter an großen Zielen zu arbeiten.“

Wagner „verdammt stolz“ auf bisherige Erfolge
Und auch Anna-Maria Wagner braucht ein solches Netzwerk. Über den Ausgang des letzten Turnieres sagt sie: „Bei der jetzigen Niederlage bei den Olympischen Spielen sitzt die Niederlage tiefer. Da genieße ich es gerade, dass ich so ein tolles Umfeld habe, dass sich um mich kümmert.“ Den Kopf in den Sand zu stecken, ist derweil auch gar keine Option, auch dann nicht, wenn Wagner dieses Jahr verletzungsbedingt keinen Wettkampf mehr bestreiten wird. Sie sagt: „Ich glaube, ich brauche einfach ein bisschen Abstand von den Spielen, dann kann ich auch rückblickend auf meine Karriere schauen und verdammt stolz darauf sein, was ich bisher erreicht habe.“

Auf eigene Stärken besinnen und neue Ziele setzen
Stolz kann Wagner definitiv sein. Überhaupt ist sie mit dieser Positivität in guter Gesellschaft. Fachdozent Alexander Wendland fasst zusammen: „Zwar tun Niederlagen immer weh, aber besonders erfolgsmotivierten Sportler: innen gelingt es aufgrund einer insgesamt positiveren Selbstbewertung besser, sich auf die eigenen Stärken und die bisherigen Erfolge zu besinnen und sich neue Ziele zu setzen. Nach dem Selbstbewertungsmodell der Leistungsmotivation von Heckhausen schreiben erfolgsmotivierte Sportler:innen ihre Erfolge nämlich besonders den eigenen Fähigkeiten und der eigenen Anstrengung zu. Misserfolge werden hingegen eher einer möglicherweise unzureichenden Anstrengung, einer schlechten Tagesform oder auch einfach Pech zugeschrieben. Daher haben Sportler: innen mit einem solchen Attributionsstil weiterhin die Fähigkeit, die eigenen Ziele mit größerer Ausdauer und größerer Anstrengung zu verfolgen und sie können, nach Niederlagen oder bei unerwarteten Schwierigkeiten auch den eigenen Effort nochmals erhöhen. Zudem sind Sie in der Lage, negative Ergebnisse schneller zu akzeptieren und abzuhaken und sich damit auch schneller für neue Ziele zu motivieren und auf das Erreichen der eigenen Ziele länger zu warten.“

Strategien aus dem Leistungssport zu mehr mentaler Stärke und positivem Selbstbild
Das klingt sinnvoll und nachahmenswert, auch für Nicht-Leistungssportler:innen. Schließlich muss das Leben auch für jeden anderen irgendwie weitergehen. Was können wir also aus dem Leistungssport in den Alltag übertragen? Berit Kauffeldt, die selbst Profisportler:innen betreut, verrät: „Leistungssportler:innen nutzen eine Vielzahl von Techniken, um sich nach Enttäuschungen neu zu motivieren und ihre Resilienz zu stärken. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategien ist die Praxis der Achtsamkeit. Achtsamkeit bedeutet, sich bewusst auf den gegenwärtigen Moment und nicht auf den letzten Fehler zu konzentrieren. Und zwar ohne darüber zu urteilen. Durch regelmäßige Achtsamkeitsübungen lernen Sportler:innen, Gedanken und Emotionen zu beobachten, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Dies kann besonders hilfreich sein, um leistungsbezogene Nervosität und Stress zu reduzieren und ein Gefühl der Ruhe und Klarheit zu fördern.“

Kauffeldt weiter: „Neben Achtsamkeit setzen viele Sportler:innen Techniken wie mentales Imagery-Training ein, um positive Erlebnisse zu simulieren und sich auf künftige Herausforderungen optimal vorzubereiten. Kognitive Umstrukturierung, das Erkennen und Umgestalten negativer Gedankenmuster, unterstützt sie dabei, eine optimistischere Perspektive zu entwickeln.“

Mentale Gesundheit im Spitzensport von immer größerer Bedeutung
Solche Techniken und Strategien kann man erlernen. Die zunehmende Bedeutung mentaler Gesundheit, auch im Leistungssport, ist dabei sicher hilfreich. Fachdozent Wendland sagt zu dieser Entwicklung: „Ich glaube, dass wir möglicherweise mehr von psychischen Problemen im Spitzensport hören, da sich ein stärkeres Bewusstsein, eine stärkere Sensibilität und eine stärkere Akzeptanz in den Verbänden und der der Gesellschaft dafür entwickelt hat. Ich gehe davon aus, dass sich das Thema auch aufgrund einer heutzutage besseren psychologischen Betreuung der Sportler:innen über die Verbände und Vereine (z.B. beim DFB, beim DOSB, in den NLZs) und auch bei den Sportler:innen selbst stärker etabliert hat und daher auch mehr Sportler: innen sportpsychologische Unterstützung nutzen. Aus diesem Grund ist nicht nur das Thema des sportpsychologischen Trainings, sondern möglicherweise auch das Thema des sehr hohen (Leistungs-)Drucks und der psychischen Gesundheit im Spitzensport stärker ins Bewusstsein gerückt.“

Eine positive Entwicklung. Denn mehr Sichtbarkeit sorgt für mehr Akzeptanz. Und je mehr wir über etwas wissen, desto eher können wir an den entsprechenden Stellschrauben nachjustieren. Sie interessieren sich für mehr spannende Erkenntnisse aus der Sportpsychologie? Dann schauen Sie doch bei uns vorbei. Denn das zeit- und ortsunabhängige Studium an der SRH Fernhochschule – The Mobile University lässt sich wunderbar verbinden mit dem Alltag als Spitzensportler:in und vielen weiteren Lebensentwürfen.

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