Die 46 Teilnehmer des ZVO onlineDialogs erfuhren von Werner Huppertz, Huppertz Umwelt & Technik GmbH, inwiefern die DGUV-Hilfestellung FBHM-122 eine Bedrohung für Anlagenbetreiber darstellen kann.
Betroffen sind alle Betreiber von Galvanik- und Anodisieranlagen, in denen gängige Vorbehandlungs-, Oberflächenbehandlungs- und Nachbehandlungsverfahren durchgeführt werden, zum Beispiel
- Vorbehandlungsverfahren: elektrochemisches Polieren, Glänzen, chemisches Entgraten, elektrolytische Entfettung, außenstromloses Beizen;
- Oberflächenbehandlungsverfahren: elektrochemisches Hart- und Glanzverchromen, galvanisches Vernickeln, cyanidisches und saures Verkupfern, cyanidisches und alkalisches Verzinken, Vergolden, Versilbern, saures und alkalisches Verzinnen und Eloxieren sowie außenstromloseschemisches Vernickeln;
- Nachbehandlungsverfahren: elektrochemisches Entmetallisieren und außenstromlose Nachtauchlösungen.
Bei den genannten Vorbehandlungs-, Oberflächenbehandlungs- und Nachbehandlungsverfahren kann Wasserstoff entstehen, der an der Elektrolytoberfläche austritt und dann oberhalb der Elektrolytoberfläche in geringen Konzentrationen in der Luft enthalten ist. Die FBHM-122 enthält nun unter anderem eine Konvention für die Ausweisung von explosionsgefährdeten Bereichen und für die Zoneneinteilung. Obwohl die untere Explosionsgrenze (UEG) von Wasserstoff erst bei 4 Vol.% liegt, sieht diese Konvention bereits ab einer Wasserstoff-Konzentration von 0,12 Vol.% (3 Prozent der UEG) eine Ex-Schutz-Zone 2, von 0,4 Vol.% (10 Prozent der UEG) eine Ex-Schutz-Zone 1 und von 1 Vol.% (25 Prozent der UEG) eine Ex-Schutz-Zone 0 vor.
Bei Anwendung dieser Konvention ergeben sich – anders als bisher – bei einer Vielzahl von Prozessbehältern Ex-Schutz-Zonen. In diesen Zonen darf dann nur noch Technik zum Einsatz kommen, welche die einschlägigen Anforderungen der ATEX-Richtlinie 2010/34/EU erfüllt. Solche Technik ist – falls überhaupt am Markt verfügbar – weitaus teurer als herkömmliche Technik. Und da die Prozessbehälter derzeit in aller Regel noch nicht damit ausgestattet sind, müssten sie nachgerüstet und im schlimmsten Fall sogar insgesamt ausgetauscht werden. Eine Berufung auf Bestandsschutz ist nicht möglich. Die FBHM-122 ist zwar lediglich eine rechtlich unverbindliche „Hilfestellung“, derartige Publikationen haben für die Überwachungsbehörden jedoch einen hohen Stellenwert und sie machen sich ihren Inhalt oft erst einmal unkritisch zu eigen. Anlagenbetreiber werden dann mit der Forderung konfrontiert, das Ex-Schutz-Dokument unter Berücksichtigung der FBHM-122, insbesondere der beschriebenen Konvention, zu überarbeiten. Es folgen behördliche Nachrüstungsforderungen, die im Einzelfall existenzbedrohende Dimensionen erreichen können.
Wesentliche Kritikpunkte an den Inhalten der Hilfestellung werden mit durchgeführten der CFD-Simulation (Computational Fluid Dynamics), einer computergestützten numerischen Methode zur Analyse und Vorhersage von Strömungsverhalten und -phänomenen in Fluiden (Gase oder Flüssigkeiten), begründet. Die hier durchgeführten CFD-Simulationen wurden offenbar nicht gegenüber der Realität validiert, obwohl dies durch Messungen technisch durchaus möglich gewesen wäre. Es ist deshalb auch über den Aspekt der kurzzeitigen lokalen Überschreitungen der UEG völlig unklar, wie belastbar die CFD-Simulationen – bei denen in vielfacher Hinsicht abstrahiert und vereinfacht wurde – überhaupt sind. Bei einer von einer Anlagenbetreiberin durchgeführten, aufwändige Messung an einem
Prozessbehälter für die elektrolytische Entfettung mit 72 Messpunkten auf drei Ebenen (zwei Ebenen unterhalb der Absaugränder) wurde keine einzige Überschreitung der UEG festgestellt. Die höchste gemessene H2-Konzentration lag nur bei 1,68 Vol.% / 42 Prozent der UEG.
In der lebhaften Diskussion während des ZVO onlineDialogs wies Christian Deyhle, QUBUS Planung und Beratung Oberflächentechnik GmbH, darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Bewertung von Explosionsgefährdungen in Galvaniken keine neue Anforderung darstelle und der Explosionsschutz in Galvaniken seit 2015 in der Gefahrstoffverordnung geregelt sei, insbesondere in § 11 Besondere Schutzmaßnahmen gegen physikalisch-chemische Einwirkungen, insbesondere gegen Brand- und Explosionsgefährdungen. Dort heißt es in Absatz 2, Ziffer 2, dass Zündquellen oder Bedingungen, die Brände oder Explosionen auslösen können, zu vermeiden sind. Weiterhin sind Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Gefahrstoffverordnung für die Arbeitsplätze durch den Betreiber verpflichtend. Es obliegt also schon länger dem Betreiber zu beurteilen, ob Explosionsgefährdungen vorliegen!
Das Thema wird ausführlich im ZVOreport 5/24 behandelt, der Ende November 2024 erscheint.
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