⬛ 200 Verwaltungskontakte pro Jahr: Die Bürokratie und Herausforderungen für deutsche Unternehmen

► Unternehmen in Deutschland haben im Durchschnitt rund 200 Kontakte mit der öffentlichen Verwaltung pro Jahr und es wird immer mehr. Diese Vielzahl an Interaktionen führt oft zu erheblichen Bürokratiekosten, insbesondere wenn die Verwaltungsprozesse nicht vollständig digitalisiert sind. Der Abbau von Bürokratie ist daher eines der drei Top-Themen für Unternehmen, sowohl auf Landes-, Bundes- als auch auf EU-Ebene.

Beim Thema Bürokratieabbau steht sich die gesetzgebende Gewalt und den leidtragenden Behörden und Verwaltungen jedoch selbst im Weg:

In Deutschland wurde die digitale Transformation der Verwaltung vor allem durch das 2017 verabschiedete Onlinezugangsgesetz (OZG) angestoßen, auf dessen Grundlage der digitale Zugang zu Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 realisiert werden sollte. Im Februar fand sie im Bundestag breite Zustimmung. Heute lehnte eine Mehrheit im Bundesrat den Gesetzentwurf überraschend ab. Die dafür erforderlichen benutzerfreundlichen Online-Portale und gemeinsamen Standards sind bislang (Stand Anfang April 2023) jedoch nur ansatzweise realisiert worden. Der Digitalverband Bitkom fordert angesichts der schleppenden Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltung bei der Novellierung des Onlinezugangsgesetzes. Inzwischen gibt es die neue Version des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0). Sie ging durch sämtliche Instanzen, und der Gesetzesentwurf wurde schließlich am 22. März 2024 von der Mehrheit des Bundesrats abgelehnt. Es soll nachverhandelt werden (Stand: Juni 2024).

Es besteht eine klare Notwendigkeit, das Effizienzpotential digitaler Verwaltungslösungen für die deutsche Wirtschaft voll auszuschöpfen. Die Aufgabe besteht darin, effiziente digitale Verwaltungsprozesse für Unternehmen zu fördern und umzusetzen. Die Frage stellt sich, wann eine Verwaltungsoptimierung sinnvoller ist als eine vollständige Verwaltungsmodernisierung.

► Verwaltungsoptimierung vs. Verwaltungsmodernisierung

Verwaltungsoptimierung bedeutet, bestehende Prozesse zu analysieren und anzupassen, um sie effektiver und effizienter zu gestalten. Dies kann durch die Einführung spezifischer digitaler Tools erfolgen, um einzelne Schritte zu vereinfachen und zu beschleunigen. Beispiele hierfür sind die elektronische Dokumentenverwaltung, automatisierte Terminvereinbarungen oder die Digitalisierung von Formularprozessen. Diese Maßnahmen sind oft schneller und kostengünstiger umzusetzen als eine vollständige Modernisierung.

Verwaltungsmodernisierung hingegen umfasst eine umfassendere Neugestaltung der Verwaltungsprozesse. Dies könnte die Einführung komplett neuer Systeme und Technologien bedeuten, die vorhandene Strukturen und Arbeitsweisen revolutionieren. Modernisierungsprojekte sind in der Regel langfristiger und erfordern größere Investitionen in neue Technologien und Schulungen für das Personal.

► Wann ist Verwaltungsoptimierung sinnvoll?

In Situationen, in denen bestehende Prozesse bereits relativ gut funktionieren und wo spezifische Engpässe identifiziert wurden, kann eine Optimierung die effizienteste Lösung sein. Kleinere Anpassungen und die Integration digitaler Lösungen können oft schnelle Verbesserungen bringen, ohne dass große strukturelle Veränderungen notwendig sind. Besonders geeignet ist dies für spezialisierte Verwaltungsaufgaben, bei denen klare Problemstellen identifiziert und gezielt behoben werden können.

Zum Beispiel kann die Einführung eines digitalen Formularsystems in einer Abteilung, die stark auf Papierdokumente angewiesen ist, eine erhebliche Reduktion von Bearbeitungszeiten und Fehlerraten mit sich bringen. Auch die Nutzung von elektronischen Signaturen oder die Automatisierung von Bescheidverfahren kann entscheidende Vorteile bringen.

► Wann ist Verwaltungsmodernisierung notwendig?

Eine umfassende Modernisierung ist dann notwendig, wenn die bestehenden Systeme und Prozesse so veraltet oder ineffizient sind, dass kleine Anpassungen keine spürbare Verbesserung mehr bringen können. Oft sind die bestehenden Strukturen nicht mehr in der Lage, mit den Anforderungen der modernen digitalen Wirtschaft Schritt zu halten. In solchen Fällen ist eine grundlegende Überarbeitung der gesamten Prozesslandschaft notwendig.

Ein Beispiel hierfür könnte die komplette Einführung einer digitalen Plattform für alle Verwaltungskontakte eines Unternehmens sein. Dies würde bedeuten, dass Unternehmen auf einer zentralen Plattform alle Interaktionen mit der Verwaltung digital abwickeln können – von der Antragstellung bis zur Bearbeitung und Genehmigung. Solche Systeme bedingen eine umfangreiche Integration verschiedenster Verwaltungsbereiche und eine Neukonzeption der bisherigen Arbeitsabläufe.

► Das Potenzial digitaler Verwaltung

Das volle Potenzial digitaler Verwaltungsprozesse liegt in deren Fähigkeit, Transparenz, Effizienz und Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Durch die Harmonisierung und Standardisierung von Prozessen können Missverständnisse und Fehler reduziert werden, was zu schnelleren und zuverlässigeren Ergebnissen führt. Unternehmen können dadurch Ressourcen sparen und sich verstärkt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.

Für die Politik und die Verwaltungsbehörden bedeutet das, frühzeitig Entwicklungen im Bereich der Gesetzgebung zu prüfen und Lösungen zu fördern, die den Unternehmen spürbare Erleichterungen bringen. Politische Bemühungen müssen darauf abzielen, hinderliche Regularien zu identifizieren und zu beseitigen oder anzupassen.

► Praktische Umsetzung durch Kooperation

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zusammenarbeit und der Wissensaustausch zwischen allen Beteiligten an den Verwaltungsdigitalisierungsverfahren. Durch die Nutzung des spezifischen Wissens über die Belange der Unternehmen können Verwaltungsprozesse pragmatisch und zielgerichtet umgesetzt werden. Dies erfordert eine enge Kooperation zwischen öffentlichen Verwaltungen, Wirtschaftsverbänden und den Unternehmen selbst.

Die Bereitstellung und Anwendung einer Reihe digitaler Verwaltungslösungen in Zusammenarbeit mit anderen Partnern sind ausschlaggebend. Dies kann von der Nutzung gemeinsamer digitaler Plattformen bis hin zu kooperativen Entwicklungsprojekten reichen, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die den spezifischen Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht werden.

► Nutzung digitaler Technologien

Sowohl Verwaltungsoptimierung als auch Verwaltungsmodernisierung haben ihre Berechtigung, abhängig von den spezifischen Umständen und Herausforderungen. Kurzfristige Optimierungen können schnelle und kosteneffiziente Verbesserungen bringen, während langfristige Modernisierungen notwendig sind, um tiefgreifende strukturelle Änderungen zu ermöglichen. Die Kombination beider Ansätze kann dazu beitragen, die Verwaltung in Deutschland effizienter und wirtschaftsfreundlicher zu gestalten.

Durch die konsequente Nutzung digitaler Technologien und die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten kann das Ziel einer schlanken und effizienten Verwaltung, die den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht wird, erreicht werden. Dabei spielt die frühzeitige und gezielte politische Unterstützung eine entscheidende Rolle in der erfolgreichen Umsetzung dieser Strategien.

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