Dass im drittgrößten Flächenlandkreis Hessens auch für den Rettungsdienst lange Wege entstehen, ist kein Geheimnis. „Umso wichtiger ist es, Mitarbeiter und Laien für die besonderen Herausforderungen fit zu machen“, sagt Dr. Humburg. Die umfangreichen Daten des Reanimations-Registers aus dem Vorjahr belegen, dass das im Vogelsbergkreis vielerorts sehr gut funktioniert. Denn rein statistisch gesehen, wäre im Vogelsbergkreis zu erwarten, dass weniger Menschen nach einem Herz-Kreislaufstillstand wieder einen „Spontankreislauf“ erreichen als im Durchschnitt, „tatsächlich belegen unsere Zahlen allerdings, dass der Rettungsdienst dieses Ziel bei rund 47 Prozent aller Menschen erreicht. Im deutschlandweiten Vergleich liegen wir damit auf Platz 9“, stellt Dr. Humburg klar. Weitere Top-Ten-Plätze erreicht der Kreis bei der Klinikaufnahme mit Kreislauf sowie guten Chancen für das Überleben der ersten 24 Stunden und der ersten 30 Tage – im Deutschland-Vergleich jeweils Platz 6 im Vorjahr. „Rund 18 von 100 Menschen aus dem Vogelsbergkreis werden statistisch gesehen nach einem Herz-Kreislaufstillstand ohne schwere Spätfolgen aus dem Krankenhaus entlassen – damit liegen wir für das Jahr 2023 in Deutschland sogar auf Platz 2“, berichtet der Mediziner. „Gleichwohl wird bei allen Zahlenmodellen eines deutlich: Schnelle Hilfe, auch von Laien, rettet Leben und erhöht die Chancen auf einen positiven Verlauf.“
Reanimations-Register als Standortbestimmung
Dokumentation und Datenarbeit bedeuten für den Vogelsbergkreis einen enormen Aufwand. „Im Gegenzug bekommen wir aber über die Zeit eine unglaublich wichtige Datenbasis, die wichtige Erkenntnisse, etwa im Benchmarking-Vergleich mit anderen Rettungsdienstbereichen, zulässt“, erklärt der Notfallmedizin-Experte. Das wiederum könne direkt ins Training der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfließen. „Wir können damit gezielt den Rettungsdienst weiterbilden, aber beispielsweise auch Erkenntnisse für die Telefonreanimation der Leitstelle sammeln und diese weiter verbessern“, sagt Dr. Humburg.
Auch die technische Ausstattung des Rettungsdienstes spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. „Und dabei sind wir im Vogelsbergkreis deutschlandweit vorne dabei“, sagt Dr. Humburg und verweist etwa auf Telemedizin im Rettungswagen sowie neuerdings Ultraschall und Blutgasanalyse im Notarzteinsatzfahrzeug, die eine noch bessere Versorgung ermöglichen. „Auch das Voraushelferprogramm, bei dem Freiwillige per App etwa zu einem Herzstillstand gerufen werden können, trägt ab sofort sicher zu guten Ergebnissen am ‚Referenzstandort Vogelsbergkreis‘ bei.“ Trotz langer Fahrzeiten und Wege für den Rettungsdienst habe man es bei der Reanimation in die Top Ten unter den 48 Referenzstandorten geschafft. „Das spricht für eine sehr hohe Rettungsdienst-Qualität“, sagt der ärztliche Leiter. Und ersten Erkenntnissen aus den Daten sowie der Teilnahme am Register ab 2018 sind konkrete Maßnahmen gefolgt: Man habe zusätzliches Verbesserungspotenzial erkannt, und deshalb etwa das Voraushelfer-Programm auf den Weg gebracht, um lange Anfahrtswege des Rettungsdienstes möglichst zu kompensieren.
Die Rettungskette im Vogelsbergkreis, zu denen auch die rettungsdienstlichen Leistungserbringer DRK Rettungsdienst Mittelhessen und die Johanniter-Unfallhilfe mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehören, ist stark. Doch bei kleinen Stellschrauben ist fast immer Verbesserungspotenzial auszumachen, sagt Dr. Humburg. Man sei bei der Laien-Reanimation minimal besser als der Deutschland-Schnitt, aber „meist sind es die Laien, die zuerst vor Ort sind – dort gilt es, mit Erste-Hilfe-Kursen, Laien-Defibrillatoren und Know-How am Ball zu bleiben“, betont er abschließend und ruft zur Teilnahme am Voraushelfersystem auf. Informationen dazu bekommen Interessierte auf www.vogelsbergkreis.de oder bei der örtlichen Feuerwehr.
ARD-Dokumentation greift Thema auf
Am Dienstag, 16. Juli, greift die „Story im Ersten“ das Thema „Notfallrettung – Wenn die Hilfe versagt“ auf, und strahlt ab 22.50 Uhr eine Dokumentation aus. Am darauffolgenden Mittwoch läuft um 20.15 Uhr eine 90-minütige Version des Beitrags im SWR-TV. Nach der Ausstrahlung werden die Beiträge, die unter anderem auf Daten aus den Rettungsdienstbereichen für das Jahr 2022 zurückgreifen, in der Mediathek zu sehen sein.
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