Bei Darmkrebsüberlebenden hat sich in den letzten Jahren das Risiko, an psychiatrischen Leiden zu erkranken, stark erhöht. Darüber berichten Forschende um Prof. Dr. Christoph Roderburg, Universitätsklinikum Düsseldorf, und Prof. Dr. Karel Kostev, wissenschaftlicher Leiter der epidemiologischen Forschung bei IQVIA Deutschland, kürzlich im renommierten Journal of Clinical Medicine.

Darmkrebs, das kolorektale Karzinom, zählt weltweit am häufigsten vorkommenden, bösartigen Tumorerkrankungen. Laut den Global Cancer Statistics 2022 ist es nach Lungenkrebs die häufigste Ursache von Todesfällen durch Krebs, Tendenz steigend: Da die Bevölkerung altert, erhöht sich die Krebsinzidenz weiter. Und, fast die Hälfte aller Neuerkrankungen sind in Europa und in Amerika zu verzeichnen.

„Die Forschung bei Darmkrebs hat ihren Schwerpunkt bislang auf neue Therapien und damit verbunden auf bessere Überlebenschancen gelegt“, sagt Prof. Kostev. „Erst seit kürzerer Zeit sind die mentalen, psychischen Folgen, speziell der Zusammenhang mit auftretenden Depressionen, mehr in den Fokus der Forschung gerückt. Das ist wichtig, da der mentale Zustand des Patienten ein Faktor für die Therapieadhärenz ist.“ Das Thema werde umso wichtiger, weil Überlebensraten und Prognosen nach Darmkrebs deutlich gestiegen seien.

Zeitliche Trends in der Häufigkeit psychiatrischer Erkrankungen nach Darmkrebs wurden jedoch bisher nicht im Detail untersucht. Genau hier setzt die neue Arbeit von Roderburg, Kostev und Kollegen an.

Daten von mehr als 15.000 Darmkrebs-Überlebenden ausgewertet

Ihre Studie umfasste Daten von 15.619 Personen mit Darmkrebs und 78.095 Kontrollen ohne Krebs. Sie wurden zwischen 2005 und 2022 in der in der Disease Analyzer-Datenbank von IQVIA anhand ICD-Codierung und daher anonymisiert identifiziert.

Als statistische Methode zur Abschätzung von Effekten kam das Propensity-Score-Matching zum Einsatz. Die Forscher haben eine Cox-Regressionsanalyse durchgeführt, um  Assoziationen zwischen Darmkrebs und nachfolgenden psychiatrischen Erkrankungen, einschließlich Depressionen, Angststörungen und Anpassungsstörungen, zeitlich (2005 bis 2010, 2011 bis 2016, 2017 bis 2022) zu bewerten.

Die über 12 Monate kumulierte Inzidenz aller psychischen Störungen stieg in der DarmkrebsKohorte von 6,3 % (2005 bis 2010) auf 8,2 % (2017 bis 2022). Es handelt sich dabei um eine diagnostizierte klinische Depression; der Anteil der Pateinten mit depressiven Verstimmungen mag in der Realität viel höher sein.

Der starke Anstieg psychiatrischer Erkrankungen war nicht nur bei Krebs-Überlebenden sichtbar. Auch bei Kontrollen konnten die Wissenschaftler einen leichten Trend nach oben beobachten. Allerdings bestätigten Regressionsanalysen, dass Darmkrebs stark und signifikant mit einem erhöhten Risiko für Depressionen, Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen assoziiert war.

„Das Ausmaß des Zusammenhangs war in den Jahren 2017 bis 2022 verglichen mit den Jahren 2005 bis 2010 stärker, was einen echten Anstieg der Raten psychiatrischer Störungen im Laufe der Zeit nahelegt“, sagt Kostev. Sein Fazit: „Unsere Erkenntnisse sollten dazu führen, dass psychiatrische Probleme bei Krebs-Überlebenden öfter erkannt und behandelt werden.“

Originalpublikation: Christoph Roderburg, Sven H. Loosen, Catherine Leyh, Andreas Krieg, Sarah Krieg, Markus Jördens, Tom Luedde, arel Kostev: Temporal Trends in Mental Disorder Rates among Patients with Colorectal Cancer: A Comprehensive Analysis. J. Clin. Med. 2024, 13(13), 3649; https://doi.org/…

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