Der letztjährige UN-Welttag der Meere stand noch unter der positiveren Konnotation „Tides are changing“. „Doch der Wechsel hin zu einem nachhaltigeren Umgang mit den Meeresressourcen kommt zu langsam voran. Die Bedeutung der Meere für das Leben auf der Erde wird immer noch zu sehr unterschätzt“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Meilensteine zum UN-Welttag der Meere 2024
Griechenland sagt Nein zum Tiefseebergbau
Nur wenige Tage vor dem UN-Welttag der Meere sprach sich die griechische Regierung am 4. Juni 2024 für eine vorsorgliche Pause (precautionary pause) für den Tiefseebergbau aus. Eine Position, die auch Deutschland vertritt.
Zuletzt hatte sich am 9. März 2024 das Königreich Dänemark (Dänemark, Färöer-Inseln und Grönland) für eine vorsorgliche Pause ausgesprochen. Davor stimmten Mexiko (22.11.2023) und Großbritannien (8.11.2023) für ein Moratorium. Damit unterstützen nunmehr 26 Staaten ein Moratorium, eine vorsorgliche Pause oder ein Verbot des Tiefseebergbaus.
Österreich überrascht mit Handelsverbot für Haiflossen
Überraschend übernahm Österreich im April 2024 eine Vorreiterrolle beim Haischutz in der EU. Mit einer Verordnung beschränkte Klima- und Umweltschutzministerin Leonore Gewessler die Einfuhr kommerzieller Haiprodukte. Aufgrund der strengen Auflagen ist die Einfuhr von Haiflossen oder -gebissen als Jagdtrophäen und anderen Haiprodukten de facto verboten.
Griechenland verbietet Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten
Mit einer aufsehenerregenden Entscheidung verkündete der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am 16. April 2024, dass Griechenland – als erstes Land in der EU – das Fischen mit Grundschleppnetzen in Meeresschutzgebieten (Marine Protected Areas/MPAs) verbieten wird. Bis zum Jahr 2026 soll die Grundschleppnetzfischerei aus den Meeresnationalparks des Landes verschwinden.
Bis 2030 dann wird diese für das Leben in den Meeren desaströse und extrem klimaschädliche Fischereimethode aus allen griechischen Meeresschutzgebieten verbannt.
UN-Vertrag zum Schutz der Hohen See
Anfang März 2023 einigten sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in New York nach über 20-jährigen Verhandlungen auf einen Vertrag zum Schutz der Hohen See (BBNJ-Abkommen oder Hochseeschutzabkommen). Er erleichtert die Einrichtung von Meeresschutzgebieten auf dem Gebiet der Hohen See, was vorher aus rechtlichen Gründen nur schwer umsetzbar war.
Allerdings hatten bis zum UN-Welttag der Meere 2024 erst sechs Staaten das BBNJ-Abkommen ratifiziert. Deutschland gehört nicht dazu. Damit es in Kraft treten kann, müssen es mindestens 60 Länder ratifizieren.
UN-Übereinkommen zur biologischen Vielfalt
Das Hochseeschutzabkommen verschafft dem im Dezember 2022 in Montreal auf der Konferenz des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity/CBD) verabschiedeten 30×30-Ziel die notwendige Durchschlagskraft auf der Hohen See, zumindest theoretisch. Denn um das sechste globale Massenaussterben aufzuhalten, will die Staatengemeinschaft 30 Prozent der Land- und 30 Prozent der Meeresflächen bis 2030 unter Schutz stellen.
19. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES)
Einen weiteren Meilenstein im Meeresschutz markierte die 19. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES). CITES beschloss, 54 Requiemhaie, sechs von zehn Hammerhai-Arten sowie mehr als 30 Arten der Geigenrochen aus der Rhinobatidae-Familie in CITES-Anhang II aufzunehmen. Das ist ein großer Erfolg für den Hai- und Rochenschutz und im Kampf gegen illegale Flossenfischerei (shark finning).
Folgenlose Papiertiger statt Meereswende?
„Der UN-Welttag der Meere 2024 ist leider auch Anlass, auf die – trotz der großartigen Fortschritte – ausbleibenden praktischen Konsequenzen für besseren Meeresschutz hinzuweisen“, betont Ulrich Karlowski. „So ist das EU-Gesetz zur Wiederherstellung geschädigter natürlicher Lebensräume (EU Nature Restoration Law/NRL) voraussichtlich gescheitert. Es war Kernbestandteil des European Green Deal. Auch die Ratifizierung des Hochseeschutzabkommens kommt viel zu langsam voran.“
In Deutschland ist keine Meereswende in Sicht
Deutschland kommt beim Meeresschutz in seinen Küstenmeeren und Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) überhaupt nicht voran. „Weder beim Schutz von Schweinswalen durch Fischereiverbote noch bei Einschränkungen für die extrem artenvernichtende und klimaschädliche Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten lassen sich Fortschritte oder der Wille, 30 × 30 zu erreichen, erkennen“, bedauert Karlowski.
Ozeane in Not
Ozeane bedecken über 70 Prozent des Planeten. Sie sind unsere unverzichtbare Lebensquelle, denn sie produzieren rund 50 Prozent des Sauerstoffs in unserer Atmosphäre und speichern gleichzeitig etwa 30 Prozent unserer CO₂-Emissionen. Ihre biologische Vielfalt ist unvergleichlich und noch weitgehend unerforscht. Für weit mehr als eine Milliarde Menschen sind sie die Hauptproteinquelle. Ganz zu schweigen davon, dass sie für Abermillionen Menschen Rückzugs- und Erholungsräume von unschätzbarem Wert bieten.
Ozeanische Kipppunkte zum UN-Welttag der Meere 2024
Den Folgen des Trios aus Klimakatastrophe (steigende Meerestemperaturen und Meeresspiegel, Versauerung), Überfischung (Vernichtung der Artenvielfalt) und Vermüllung (Plastikabfälle, hochgiftige Substanzen, kommunale und landwirtschaftliche Abwässer) können die Meere nicht mehr viel entgegensetzen. Die Ozeane wanken. Auch darauf macht der UN-Welttag der Meere 2024 aufmerksam.
Als Folge geht ihnen jetzt sogar der Leben spendende Sauerstoff aus. Von 1960 bis 2019 büßten die Weltmeere mehr als zwei Prozent ihres Sauerstoffgehalts ein. Tendenz steigend. Gleichzeitig verdoppelte sich weltweit die Zahl der Todeszonen ohne Sauerstoff (dead zones) in Küstengebieten von 1960 bis 2007 auf mehr als 500. Auch die CO₂-Speicherkapazität der Meere geht weltweit zurück.
Die Ozeane haben ihre Belastungsgrenze erreicht, teilweise ist sie bereits überschritten. Lediglich 13,2 Prozent der Ozeane gelten heute noch als ökologisch intakte marine Wildnis. Der Großteil davon befindet sich auf hoher See – weit entfernt von den vom Menschen übernutzten oder bereits zerstörten marinen Lebensräumen.
Noch erreichbar? UN-Nachhaltigkeitsziel 14 „Leben unter Wasser“
Im September 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen die „Agenda 2030“. Damit verpflichtete sich die Weltgemeinschaft mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung auf einen Fahrplan für die Zukunft. Am Welttag der Meere richtet sich der Fokus daher auch auf das UN-Nachhaltigkeitsziel 14 „Leben unter Wasser“.
Die Deutsche Stiftung Meeresschutz (DSM) ist eine Treuhandstiftung, die 2007 gegründet wurde. Ziel unserer Arbeit ist es, der Ausbeutung der Weltmeere und der Vernichtung ihrer Bewohner etwas entgegenzusetzen. In Kooperation mit engagierten Forschern und Organisationen rund um den Globus fördern und verwirklichen wir Projekte und Aktionen zum Erhalt des Lebens in den Meeren. Ermöglicht wird dies durch Spenden.
Wir sind Mitglied im europäischen Meeresschutzbündnis Seas At Risk (SAR / seas-at-risk.org), in der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC / deep-sea-conservation.org) und sind Netzwerkpartner der UN-Dekade der Meeresforschung für nachhaltige Entwicklung (2021 – 2030) in Deutschland (Ozeandekade / ozeandekade.de).
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