Ohne Debatte im Plenum hat am 1. Mai die in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina tagende Generalkonferenz, das oberste Leitungsgremium der weltweiten United Methodist Church (UMC), in Deutschland Evangelisch-methodistische Kirche (EmK), das bisher geltende Verbot aufgehoben, Personen zu ordinieren, die „bekennende praktizierende Homosexuelle“ sind.
Laut Klaus Ulrich Ruof, Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die EmK in Deutschland, stimmten die Generalkonferenzdelegierten während der Plenarsitzung dieser Änderung im Rahmen des sogenannten „Konsenskalenders“ zusammen mit einem Paket von 22 weiteren Regelungen zu. Dieses Verfahren ermögliche es im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens mehrere Vorlagen und Beschlussanträge gemeinsam zu verabschieden, ohne dass darüber diskutiert wird. Voraussetzung dafür sei, dass solche Konsensvorlagen vom entsprechenden Ausschuss eine überwältigende Zustimmung erhielten und keine Auswirkungen auf den Haushalt oder die Verfassung der Kirche haben.
Überwältigende Zustimmung
Mit 692 zu 51 Stimmen beendeten die Delegierten eine Regelung, die vor allem in den Vereinigten Staaten dazu geführt hatte, dass Tausende Gemeinden die EmK verließen. Die Zustimmung lag demnach bei 93 Prozent. Neu beschlossen wurde eine Regelung für Gemeinden, die wieder zur EmK zurückkehren wollen. Das Ergebnis sei, so Ruof, mit Beifall, aber nicht mit überbordendem Jubel aufgenommen worden.
Nach der Streichung, die für den US-Teil der UMC-Kirche mit dem Ende der Generalkonferenz in Kraft trat, gebe es in Bezug auf sexuelle Orientierung keine Einschränkungen mehr für die Ordination zum Pastor oder zur Pastorin der Evangelisch-methodistischen Kirche und keine Strafen mehr für die Durchführung von Segnungen anlässlich der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare. Der verabschiedete Beschluss bewahre aber ausdrücklich das Recht von Pastoren und Pastorinnen sowie von Gemeinden, gleichgeschlechtliche Trauungen nicht zu leiten oder auszurichten, informierte Klaus Ulrich Ruof in einer Pressemitteilung.
Zentralkonferenzen können eigene Regelungen treffen
Für die Zentralkonferenzen außerhalb der Vereinigten Staaten trete der Beschluss nach zwölf Monaten in Kraft oder nach der nächsten Tagung der jeweiligen Zentralkonferenz. Für die Zentralkonferenzen in Deutschland und der Schweiz sowie die Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa habe diese Entscheidung keine direkte Auswirkung. In deren Kirchenordnungen sei der besagte Teil des Artikels 304, der die Ordination homosexueller Personen verbietet, seinerzeit ohnehin nicht übernommen worden.
Für die Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa sowie für die Zentralkonferenz Nordeuropa mit dem Baltikum und der Ukraine sowie der Republik Moldau sei dieser Beschluss und die weiteren dazugehörigen Regelungen jedoch sehr bedeutsam. Dort könnten die Zentralkonferenzen nun für ihr jeweiliges Gebiet und sogar für die einzelnen Jährlichen Konferenzen Regelungen treffen, die den sehr unterschiedlichen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Situationen dieser Länder Rechnung tragen. Das bedeute Gestaltungsmöglichkeiten für Trauungsliturgien und für die Ordination zum pastoralen Dienst. Für Zentralkonferenzen erlangt der jetzt gefasste Beschluss erst Gültigkeit, wenn sie im Rahmen ihrer nächsten Zentralkonferenztagung die jetzt bei der Generalkonferenz gefassten Beschlüsse in Kraft setzen.
Austrittsvereinbarung beendet, Rückkehrrecht beschlossen
Des Weiteren beschlossen die Generalkonferenzdelegierten, das von der außerordentlichen Generalkonferenz im Jahr 2019 eingeführte Recht zum Austritt von Gemeinden aus der Evangelisch-methodistischen Kirche unter Mitnahme des Kircheneigentums zu beenden. Davon hatten in den USA mehr als 7.600 Gemeinden Gebrauch gemacht. Der Beschluss zur Beendigung dieser Sonderregelung wurde mit einem Stimmenverhältnis von 516 zu 203 Stimmen gefasst.
In diesem Zusammenhang wurde auch ein neuer Beschluss zur Rückkehr von Gemeinden nach vorherigem Verlassen der EmK diskutiert. Mit einer Mehrheit von 629 zu 96 votierten die Delegierten dafür, dieses Rückkehrrecht und damit auch das Angebot zur Wiedervereinigung und zur Versöhnung einzuräumen.
Lange Auseinandersetzung innerhalb der EmK über Homosexualität
Innerhalb der weltweiten Evangelisch-methodistischen Kirche ist seit vielen Jahrzehnten eine Diskussion im Gange über sexualethische Fragen. Auch nach der Verabschiedung des Verbots der Ordination homosexueller Personen 1972 und des Verbots der Homosexuellen-Ehe war die Auseinandersetzung über diese Frage regelmäßig Thema bei allen Tagungen der methodistischen Generalkonferenz. Immer wieder setzte sich eine Mehrheit gegen eine große Minderheit durch und verschärfte das Kirchenrecht nach und nach. Im Februar 2019 tagte eine außerordentliche Generalkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche unter dem einzigen Tagesordnungspunkt, für die weltweite Kirche in der Frage der Bewertung menschlicher Sexualität eine Lösung zu finden. Dabei wurde die traditionelle Sichtweise hinsichtlich Eheschließung und Ordination Homosexueller mit knapper Mehrheit (53 zu 47 Prozent) bestätigt und Zuwiderhandlungen zudem mit verschärfenden Disziplinarmaßnahmen belegt.
Nur zehn Tage nach Ende dieser Generalkonferenz hatte der deutsche Kirchenvorstand als geschäftsführendes Gremium der Zentralkonferenz Deutschland erklärt, „dass wir in der Bewertung von Homosexualität weder im Kirchenvorstand noch in der Gesamtkirche einig sind«. Es sei zu befürchten, „dass das auch auf absehbare Zeit so bleiben wird“. Für weitere Beratungen in diesen Fragen formulierte der Kirchenvorstand das Ziel, „als Kirche zusammen(zu)bleiben, in der Menschen unterschiedlicher Auffassungen miteinander leben können“ und dass „Menschen unterschiedlicher Überzeugungen Geborgenheit und Heimat in der Kirche finden sollen“. Dazu sollte ein „Runder Tisch“ gebildet werden, der für den deutschen Teil der EmK einen Vorschlag unterbreiten sollte.
Fast zeitgleich mit dem Beginn der Arbeit des Runden Tischs der EmK in Deutschland formierte sich eine international besetzte Arbeitsgruppe unter der Leitung des in vielen hochkomplexen Rechtsverfahren bewährten US-amerikanischen Anwalts und Mediators Kenneth R. Feinberg. Diese Gruppe formulierte eine Vereinbarung unter dem Titel „Versöhnung und Gnade durch Trennung“. Mit dieser Vereinbarung sollte eine respektvolle Teilung der weltweiten Kirche bei der für Mai 2020 geplanten Generalkonferenz beraten und ermöglicht werden. Nach diesem Vorschlag sollte die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche weiterbestehen und wie bisher verschiedenen Frömmigkeitsausprägungen und Überzeugungen Heimat bieten. Coronabedingt wurde diese Generalkonferenz jedoch auf das Jahr 2024 verschoben.
Kirchentrennung 2022
Hinsichtlich der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und der Ordination Homosexueller sollte sich die Kirche öffnen können, ohne dass diese Öffnung für alle Teile der bestehenden Kirche in gleicher Weise hätte umgesetzt werden müssen. Zugleich sah der Vorschlag die Bildung einer neuen, traditionell orientierten methodistischen Kirche („new traditionalist Methodist denomination“) vor. Diese sollte sich von der Evangelisch-methodistischen Kirche in einem klar beschriebenen, ordentlichen Verfahren ablösen können und sich eigenständig strukturieren.
Ohne die geplante Entscheidung bei einer ordentlichen Tagung der Generalkonferenz abzuwarten, wurde die neue Denomination zum 1. Mai 2022 unter dem Namen Global Methodist Church (Globale methodistische Kirche) gegründet. Seither ist die Evangelisch-methodistische Kirche weltweit mit der Situation konfrontiert, dass sich Gemeinden oder ganze Jährliche Konferenzen abspalten und in die Unabhängigkeit gehen oder sich der neuen Denomination anschließen. In den Vereinigten Staaten war das für Gemeinden bis zum Ende des Jahres 2023 möglich auf Basis der Beschlüsse der außerordentlichen Generalkonferenz des Jahres 2019. Davon wurde in unterschiedlichem Maße Gebrauch gemacht, sodass sich für den US-Teil der EmK die Abspaltungen je nach Region zwischen zehn bis zu dreißig Prozent an Gemeinden ergaben. Auch in anderen Teilen der Welt gab es Abspaltungstendenzen. Einige Distrikte oder Teile von Jährlichen Konferenzen haben sich bereits außerhalb formal gültiger Regelungen von der EmK gelöst (z.B. Bulgarien und Slowakei). Andere Regionen haben die Trennung von der EmK signalisiert, wollen aber die formalen Wege einhalten (z.B. Eurasien, Tschechien). Wieder andere Regionen wollten die Beschlüsse der diesjährigen Generalkonferenz abwarten, um daraufhin ihre Entscheidung zum Bleiben oder zur Trennung zu treffen. Diese Entscheidungen stehen noch aus.
Zur Information
Artikel 304.3 der „Verfassung, Lehre und Ordnung“ der EmK
Die jetzt bei der Generalkonferenz getroffene Entscheidung bezieht sich auf den zweiten Teil des Artikel 304.3 im (amerikanischen) „Book of Discipline“ (deutsch: „Verfassung, Lehre und Ordnung“, VLO). Im englischen Text heißt es dort: “The practice of homosexuality is incompatible with Christian teaching. Therefore self-avowed practicing homosexuals are not to be certified as candidates, ordained as ministers, or appointed to serve in The United Methodist Church.” (Deutsch: Praktizierte Homosexualität ist mit der christlichen Lehre unvereinbar. Bekennende praktizierende Homosexuelle können daher weder als Kandidaten für den pastoralen Dienst zugelassen, als Pastor oder Pastorin ordiniert werden noch eine Dienstzuweisung für den Dienst in der Evangelisch-methodistischen Kirche erhalten.) In der deutschen VLO ist dieser zweite Teil des Artikels nicht wiedergegeben, weil die Zentralkonferenz Deutschland hier von ihrem Adaptionsrecht Gebrauch machte und diese Passage in die deutsche Fassung nicht übernahm. Dasselbe gilt für die Zentralkonferenzen Schweiz sowie Mittel- und Südeuropa.
Generalkonferenz
Die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) ist eine weltweit verfasste und strukturierte Kirche. Ihr höchstes Kirchenparlament ist die alle vier Jahre tagende Generalkonferenz. Sie legt das Recht und die Lehre der EmK fest und entwickelt sie weiter. Die Delegierten, je zur Hälfte Geistliche und Laien, diskutieren und entscheiden über die der Generalkonferenz vorliegenden Beschlussanträge. Beschlussanträge werden zunächst in Ausschüssen beraten. Erhalten sie dort die erforderliche Zustimmung, wird darüber im Plenum diskutiert und beschlossen. Bischöfe leiten die Sitzungen, haben aber weder Sitz noch Stimme.
Unterhalb der Generalkonferenz sind innerhalb der USA die Jurisdiktionalkonferenzen und außerhalb der USA die Zentralkonferenzen angesiedelt. Sie tagen ebenfalls alle vier Jahre innerhalb eines Jahres nach der Generalkonferenz. Sie wählen Bischöfe oder Bischöfinnen innerhalb des jeweiligen Gebiets und setzen Beschlüsse der Generalkonferenz in Kraft. Die Zentralkonferenzen sind außerdem befugt, Änderungen und Anpassungen an Teilen des Kirchenrechts der Evangelisch-methodistischen Kirche vorzunehmen, wenn es die missionarische Situation oder unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen in den jeweiligen Gebieten erfordern.
Weiter unterhalb der Jurisdiktionalkonferenzen und der Zentralkonferenzen arbeiten die Jährlichen Konferenzen. Sie entsenden mindestens zwei Personen als Delegierte in die Generalkonferenz. Wie viele Delegierte eine Jährliche Konferenz entsenden darf, entscheidet sich an der Zahl ihrer ordinierten Mitglieder und der Zahl der Kirchenglieder in ihrem Gebiet.
Weitere Informationen zur Evangelisch-methodistischen Kirche: www.emk.de
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