Männer haben in Sachen Kinder und Vaterschaft häufig das Nachsehen, wenn sie mit der Mutter nicht liiert sind oder sich von ihr trennen. Denn als Vater gelten sie dann nur, wenn die Mutter mitspielt – die biologische Realität alleine hilft zunächst einmal nicht. Möchte der leibliche Vater zu seinen Rechten kommen, beginnt ein schwieriger Kampf für ihn. In diesem ist allerdings jüngst ein wegweisendes Urteil gesprochen worden. Grund genug für den ARAG Experten Tobias Klingelhöfer, die Hintergründe zu erläutern.

Wann gilt ein Mann eigentlich als der Vater? Und man muss ja fast zusätzlich fragen „Und als welcher Vater“?
Tobias Klingelhöfer: Im deutschen Recht wird zwischen einem biologischen, rechtlichen und sozialen Vater unterschieden. Der biologische oder leibliche Vater ist der Erzeuger, also derjenige, dessen männliche Keimzelle die weibliche Eizelle befruchtet hat. Er muss damit aber nicht unbedingt der rechtliche Vater sein. Ohne seine Anerkennung durch die Mutter hat er zunächst einmal keine Rechte im Umgang mit dem Kind. Ihm bleibt dann nur die Möglichkeit, die Vaterschaft anzufechten. Mit „Anfechten“ ist juristisch übrigens auch das Erkämpfen von Vaterrechten gemeint. Ein rechtlicher Vater hingegen ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dessen Mutter verheiratet ist oder der, der die Vaterschaft vor oder nach der Geburt anerkannt hat. Für den rechtlichen Vater gelten auch die gesetzlichen Folgen, wie zum Beispiel die Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt, aber auch das Recht auf einen Umgang mit dem Kind. Ein sozialer Vater ist der Mann, der zwar die Vaterrolle gegenüber dem Kind ausübt, aber nicht der biologische oder rechtliche Vater ist. Er kann gesetzlich auch nicht in die Rolle des rechtlichen Vaters gezwungen werden.

Wie erfolgreich ist eine Anfechtung der Vaterschaft?
Tobias Klingelhöfer:
 Einfach ist dieser Weg nicht, das zeigen viele Beispiele. Aktuell hat aber gerade ein Vater zumindest teilweise Erfolg, wenn auch erst nach einer Verfassungsbeschwerde. Der Kläger hatte sich direkt ab Geburt intensiv um sein Kind gekümmert, war dann aber von dessen Mutter für einen neuen Partner verlassen worden. Den Nachfolger hatte sie dann eingetragen lassen, was ihm den Status des rechtlichen Vaters verlieh. Der biologische Vater hat daraufhin geklagt, um als rechtlicher Vater anerkannt zu werden. Zunächst lehnten die Richter des Oberlandesgericht Naumburg allerdings mit der Begründung ab, eine bestehende Familienkonstellation schützen zu wollen. Der aktuell rechtliche Vater habe eine soziale Beziehung zu dem Kind, die nicht gestört werden dürfe. Damit wollte sich der Erzeuger jedoch nicht zufriedengeben. Er legte Verfassungsbeschwerde ein, da er sein Elterngrundrecht verletzt sah. Und tatsächlich gaben die Karlsruher Richter seiner Argumentation Recht: Das Bundesverfassungsgericht entschied im April, dass der Gesetzgeber die aktuelle Gesetzeslage bis spätestens Ende Juni 2025 neu auszugestalten habe.

Wie soll eine solche Neugestaltung aussehen?
Tobias Klingelhöfer:
 Der Gedanke dahinter wird mit der Urteilsbegründung klar. Danach muss jeder Elternteil die Möglichkeit zur Elternverantwortung haben. Und diese beinhaltet über den einfachen Umgang hinaus auch die Pflicht zu Pflege und Erziehung. Dabei macht das Bundesverfassungsgericht auch klar, dass es vor allem weiterhin um das Kind geht, in diesem Fall nämlich um die Entfaltung seiner Persönlichkeit. Und dafür trägt auch der leibliche Vater Sorge. Und so erklärten die Richter, der Gesetzgeber müsse die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater berücksichtigen. Wie diese Ausgestaltung am Ende aussieht, liegt nicht in den Händen des Gerichts. Aber es empfahl, dass die rechtliche Elternschaft womöglich in Zukunft mehr als zwei Elternteile berücksichtigen muss. Ein revolutionärer Gedanke innerhalb des Familienrechts, das muss man sagen. Sollte dies ausgeschlossen bleiben, muss dem biologischen Vater ermöglicht werden, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden. Das Bundesverfassungsgericht zeigte somit auf, dass die momentane Rechtsprechung nicht im Einklang mit dem Grundgesetz ist.

Was heißt das jetzt für aktuell laufende Verfahren dieser Art?
Tobias Klingelhöfer:
 Das aktuelle Gesetz ist nun als verfassungswidrig erklärt, ist aber dennoch bis zu der genannten Deadline im Juni nächsten Jahres gültiges Recht. Die Bundesverfassungsrichter haben im dem Fall Betroffenen in ähnlicher Situation die Empfehlung ausgesprochen, bis zur Neuregelung bei den zuständigen Gerichten eine Aussetzung des Verfahrens zu beantragen. Auch wenn das Warten bestimmt schwerfällt, so hilft sicher der Gedanke an deutlich besserer Chancen auf einen positiven Ausgang.

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