Im Gespräch mit Tobias Preising, Partner Global Mobility Services und ‚Work from Anywhere‘-Experte bei KPMG.
Herr Preising, die Debatte um eine Office-Präsenzpflicht ist in vollem Gange. Geht es dabei nur um Vertrauen vs. Kontrolle oder doch viel mehr?
Zurück ins Office als Selbstzweck ist häufig zu kurzsichtig gedacht. Für Unternehmen sollte es zunächst darum gehen, ihre Geschäftsziele unter den aktuell herausfordernden Rahmenbedingungen – Fachkräftemangel, demografischer Wandel, Bewerbermarkt, etc. – zu erreichen. Bei der Diskussion um die Präsenzpflicht geht es häufig vor allem um Themen wie die Ausbildung junger Mitarbeitenden, Informationsfluss, die Unternehmenskultur und auch die Identifizierung mit dem Arbeitgebenden.
Deutschland als Zuwanderungsland ist, wenn es um gut ausgebildete Talente geht, eher unbeliebt.
Das stimmt – und die aktuelle politische Situation und Diskussion in unserem Land macht es nicht leichter. Dabei sind die benötigten Profile häufig im Ausland zu finden, vor allem in der IT-Branche. Hinzu kommt: ausländische Fachkräfte in deutsche Unternehmen zu integrieren, ist nicht immer einfach. Eine Lösung für viele, auch mittelständische Unternehmen kann sein, Mitarbeitende aus dem Ausland heraus – also „international remote working“ arbeiten zu lassen.
Indem ich als deutsches Unternehmen Arbeitnehmer im Ausland direkt einstelle, ohne dass sie dafür nach Deutschland kommen.
Genau. Ein Beispiel: Ich suche einen neuen Head of Marketing für Deutschland, Österreich und die Schweiz, berücksichtige dabei aber nicht nur den deutschen Stellenmarkt, sondern denke international: Als europaweit ausgeschriebene virtuelle Stelle in einem virtuellen Team mit einem Arbeitsplatz außerhalb Deutschlands. Für viele deutsche Unternehmen ist das noch neu und International Remote Work eine Herausforderung.
Auch deutsche Arbeitnehmer schätzen die Flexibilität, aus dem Ausland arbeiten zu können. Wie können diese Bedürfnisse, die Business Ziele und Compliance-Anforderungen gleichzeitig eingehalten werden?
Wir stehen erst am Anfang einer großen Entwicklung und haben es mit kulturellen, rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen zu tun: Gesetzeskonforme Rahmenbedingungen für die betroffenen Rechtsgebiete von Arbeits- und Aufenthaltsrecht bis hin zu Datenschutz, Sozialversicherung oder Steuerrecht sind noch eine große Hürde. Daneben muss ich auch die HR-Prozesse auf eine Organisationsstruktur von lokalen Präsenzteams hin zu international virtuellen Teams verändern. Und nicht zuletzt muss ich die Folgen für die Unternehmenskultur berücksichtigen. Das alles ist lösbar, aber eine Herausforderung. Umso wichtiger, dass sich Unternehmen dem in kleinen, aber durchdachten Schritten nähern.
Wie könnte die Situation für die Unternehmen verbessert werden?
Zunächst: Es tut sich schon einiges, auch durch den Gesetzgeber. Grenzüberschreitendes Arbeiten ist eine zwangsläufige Folge der Internationalisierung der Wirtschaft und damit auch gesellschaftlich aus meiner Sicht sehr wichtig. Es ist deshalb unsere gemeinsame Aufgabe, deutschen Unternehmen, aber auch jungen Arbeitnehmern Rahmenbedingungen zu schaffen, in diesem Umfeld zu bestehen. Dafür müssen alle Beteiligten, Politik, Wirtschaft, Interessenvertreter, zusammenarbeiten. Wir haben es gemeinsam in der Hand, zu definieren, wie wir in den nächsten 50 Jahren arbeiten.
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