Am 15. April darf offiziell gemotzt werden. Wie passend, an einem Montag! Aber bringt das Meckern wirklich etwas? Und wann ist zu viel Schimpferei kontraproduktiv? Diese und mehr Fragen zur Sinnhaftigkeit des Meckerns klären wir im Interview mit Benjamin Jovan Panić, Fachdozent für Psychologie an der SRH Fernhochschule – The Mobile University.

Gedenktage scheint es tatsächlich für alles zu geben. Viele sind politischer Natur oder entstammen bestimmten Organisationen, deren Anliegen es ist, auf ihre Sache aufmerksam zu machen. Zum Teil wichtige Dinge, wie zum Beispiel Welttage mit medizinischer Relevanz. Ob es den Welttag der Jogginghose, des Gin oder Schnitzels wirklich braucht, darüber lässt sich trefflich streiten. Am 15. April begehen wir den Mecker-Tag, der seinen Ursprung in den USA hat.

40 Jahre Meckern
"National Griper’s Day" wurde 1984 von Jack Gilbert ins Leben gerufen, einem freischaffenden Schriftsteller aus Columbus, Ohio. Ziel des Aktionstags war es, verärgerten, enttäuschten und deprimierten Menschen Gehör zu verschaffen und angesichts der aufkommenden Informationstechnologien ein Gefühl für zwischenmenschliche Kommunikation zu fördern. Das hat auch ziemlich gut geklappt damals. Denn seiner Aufforderung in der Tagespresse, ihm bitte zu schreiben, was die Menschen gerade aufregt, wurde so gut angenommen, dass er mit „Mecker-Briefen“ geradezu überflutet wurde. Ob das den Leuten damals wirklich geholfen hat? Bringt Meckern wirklich etwas? Und wann wird es zu viel Gemotze?

Herr Panić, warum ist es wichtig, Emotionen wie Ärger, Wut oder Enttäuschungen Luft zu machen?

Pani
ć: „Es ist wichtig, Emotionen wie Ärger, Wut oder Enttäuschung „Luft zu machen“, um sie nicht in sich zu stauen und damit langfristig – ganz im Sinne des Biopsychosozialen Modells – negative Auswirkungen auf die mentale und physische Gesundheit zu vermeiden. Indem man Emotionen ausdrückt und kommuniziert, kann man sie besser verarbeiten und möglicherweise Konflikte lösen oder Missverständnisse klären. Zudem kann das Teilen von Emotionen dazu beitragen, eine tiefere Verbindung zu anderen Menschen aufzubauen und Unterstützung zu erhalten. Menschen, denen es gelingt, ihre Emotionen auszudrücken, wirken authentisch. Authentizität ist das, woran es uns in unserer Gesellschaft häufig mangelt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Umgang mit Emotionen zu lernen. Das wären:

1.)Selbstreflexion: Hier reicht es, wenn man sich täglich nur wenige Minuten Zeit nimmt, um über die eigenen Emotionen nachzudenken und zu verstehen, warum diese gefühlt werden. In einem nächsten Schritt sollten die Auslöser für die entsprechenden Emotionen identifiziert werden.

2.)Emotionsregulationstechniken: Es gibt einen bunten Blumenstrauß an Techniken zur Regulation der eigenen Emotionen wie z.B. Progressive Muskelrelaxation. Hier ist es wichtig, dass man die für sich passsende Methode findet.

3.)Selbstfürsorge: Gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, Bewegung und Zeit für Entspannung können ihnen helfen, ihre emotionale Gesundheit zu fördern und zu schützen.“

Was passiert, wenn man seinen Unmut tief in sich vergräbt?

Pani
ć: „Wenn man Emotionen in sich „hineinfrisst“, kann dies langfristig negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben. Mögliche Folgen, die es aus psychologischer Sicht unbedingt zu vermeiden gilt, sind:
Unterdrückung von Emotionen: Wenn man Emotionen unterdrückt und nicht angemessen damit umgeht, können sie sich im Körper ansammeln und zu innerer Spannung, Stress und Unwohlsein führen.

Psychosomatische Beschwerden: Die Unterdrückung von Emotionen kann zu körperlichen Beschwerden (z.B. Kopfschmerzen, Gastrointestinale Beschwerden, Schlafstörungen u.v.m.) führen, da psychische Belastungen sich sehr oft körperlich manifestieren und ausdrücken.

Vermeidungsverhalten: Indem man Emotionen in sich „hineinfrisst“, vermeidet man oft auch die Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Problemen oder Konflikten. Dies kann zu einer Verstärkung der emotionalen Belastung führen. Dann befinden wir uns schnell in einer Abwärtsspirale.

Beziehungsprobleme: Wenn man Emotionen nicht angemessen ausdrückt, kann dies zu Missverständnissen, Konflikten und Distanz in zwischenmenschlichen Beziehungen führen. Auf diese Weise können tiefe und verlässliche zwischenmenschliche Beziehungen unmöglich werden.

Psychische Erkrankungen: Langfristige Unterdrückung von Emotionen kann das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Essstörungen erhöhen.

Es ist daher wichtig, Emotionen nicht „für sich zu behalten“, sondern sie bewusst wahrzunehmen, anzuerkennen und angemessen damit umzugehen.“

Gibt es Menschen die Emotionen besser "horten" können als andere?

Pani
ć: „Es ist schwer zu sagen, wer Emotionen schwerer ausdrückt, da dies von Person zu Person unterschiedlich sein kann. Manche Menschen sind sehr offen und zeigen ihre Emotionen leicht, während andere sie eher zurückhalten und schwerer ausdrücken (können). Es hängt auch von der jeweiligen Situation und den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen ab. Es gibt die allgemeine Wahrnehmung, dass Männer oft Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen auszudrücken. Dies kann auf gesellschaftliche Erwartungen und Stereotypen zurückzuführen sein, die Männer dazu ermutigen, stark und unempfindlich zu sein. Viele Männer wurden von klein auf darauf trainiert, ihre Gefühle zu unterdrücken oder zu verbergen, was es für sie schwieriger machen kann, offen über ihre Emotionen zu sprechen oder sie zu zeigen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass dies nicht für alle Männer gilt und dass jeder Mensch individuell ist und unterschiedlich mit seinen Emotionen umgeht.“

Bringt Meckern wirklich etwas oder sollte man stets versuchen, Dinge zu ändern, die einen verärgern? Das geht ja nun mal nicht immer…

Panić: „Es kann Situationen geben, in denen es sinnvoll ist, seine Unzufriedenheit oder Bedenken auszudrücken. Wenn etwas nicht richtig läuft oder man mit einer Situation unzufrieden ist, kann konstruktive Kritik dazu beitragen, Probleme anzusprechen und Verbesserungen herbeizuführen. Allerdings ist es wichtig, wie man seine Meinung äußert und ob man dabei konstruktiv vorgeht. Reines Meckern oder ständiges Nörgeln ohne Lösungsvorschläge kann oft wenig konstruktiv sein und eher zu Frustration führen. Wenn Menschen sich in einer Situation befinden, in der sie Dinge nicht ändern können, kann es hilfreich sein, Strategien zu entwickeln, um mit dieser Realität neu umzugehen:

Akzeptanz: Akzeptieren der Dinge, die nicht veränderbar sind. In einem nächsten Schritt kann man sich wieder darauf konzentrieren, was im eigenen Kontrollbereich liegt. Das Akzeptieren der Realität kann uns helfen, eine Art „inneren Frieden“ zu finden.

Perspektivenwechsel: Neue Perspektiven können dazu beitragen, eine Situation besser zu verstehen und alternative Handlungsweisen zu finden.

Fokus auf das Positive: Es lohnt sich, sich ausschließlich auf die positiven Aspekte einer Situation zu konzentrieren bzw. auf die Dinge, die man wirklich verändern kann. Die Suche nach Möglichkeiten, wie wir trotz der Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, unser Leben bereichern können ist dabei die einzig zielführende Möglichkeit, die wir haben.

Hilfe suchen: Wenn wir uns überfordert mit einer Situation fühlen, sollten wir nicht zögern uns professionelle Hilfe zu suchen. Therapeut;innen, Berater:innen oder Unterstützungsgruppen können dabei helfen, Wege zu finden, mit schwierigen Situationen umzugehen.

Es ist wichtig zu erkennen, dass es normal ist, manchmal Dinge nicht ändern zu können, und dass es Wege gibt, damit umzugehen und trotzdem ein erfülltes Leben zu führen.“

Wann ist es zu viel der Beschwerde, gibt es ein Zuviel? Und welche Auswirkungen hätte das?

Panić: „Sich ständig zu beschweren kann tatsächlich andere Menschen abschrecken. Es kann den Eindruck erwecken, dass man negativ eingestellt oder ständig unzufrieden ist, was auf Dauer belastend sein kann. Menschen umgeben sich sehr viel lieber mit anderen positiven Menschen. Wenn Menschen dazu neigen, in allem das Negative zu suchen, kann es durchaus passieren, dass man plötzlich ohne social support das Leben bewältigen muss.“

Wie lautet Ihr Fazit zum Meckern?

Panić: „Das Ventilieren von Emotionen kann gesund sein, da es uns ermöglicht, aufgestaute Gefühle loszulassen und eine gewisse Erleichterung zu erfahren. Problematisch wird es jedoch, wenn das Dampfablassen zu einer dauerhaften Gewohnheit wird oder wenn es auf eine Art und Weise geschieht, die andere belastet oder abschreckt.“

Über SRH Fernhochschule – The Mobile University

SRH Fernhochschule – The Mobile University
Seit über 25 Jahren setzt sich die unbefristet staatlich anerkannte SRH Fernhochschule – The Mobile University dafür ein, dass Studierende ihren Traum vom Hochschulabschluss in jeder Lebenssituation verwirklichen. Fast 200 Mitarbeitende begleiten und unterstützen rund 12.000 Menschen auf ihrem Bildungsweg. 70 staatlich anerkannte Bachelor- und Master-Studiengänge sowie über 90 Hochschulzertifikate im Online-Studium geben schon heute die Antwort auf das, was morgen gefragt ist.

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Als gemeinnützige Stiftung mit führenden Angeboten in den Bereichen Bildung und Gesundheit begleiten wir Menschen auf ihren individuellen Lebenswegen. Unserer Leidenschaft fürs Leben folgend, helfen wir ihnen aktiv bei der Gestaltung ihrer Zukunft, hin zu einem selbstbestimmten Leben. Mit 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 1,25 Mio. Kunden erwirtschaften wir einen Umsatz von rund 1,3 Mrd. Euro (2022).

Die 1966 gegründete SRH ist heute eines der größten Bildungs- und Gesundheitsunternehmen Deutschlands mit bundesweit rund 80 Standorten. Hauptsitz der SRH ist Heidelberg.

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