Die Frage nach dem besten Lernweg ist wahrscheinlich genauso alt wie die akademische Ausbildung selbst. Seit jeher versuchen Studierende den besten Weg zu finden, den Lernstoff effektiv aufzunehmen und langfristig in ihrem Gedächtnis zu speichern. Vor allem im Frühjahr eines jeden Jahres, wenn die Prüfungsphase immer näher rückt, steigt der Druck, sich alle prüfungsrelevanten Informationen so gut es geht einzuprägen.

Wer sich etwas tiefgehender mit dem Thema beschäftigt, wird ziemlich schnell auf die sogenannten Lerntypen stoßen. Sie kategorisieren Studierende in visuell, auditiv, haptisch und kommunikativ Lernende. Allerdings gibt es für die Sinnhaftigkeit dieser Einteilung keine handfesten wissenschaftlichen Beweise – ganz im Gegenteil. Vielmehr handelt es sich um einen weitverbreiteten Mythos, der unter Umständen sogar einen negativen Effekt auf Lernende haben kann.

Das Konzept der Lerntypen

In den 1970er Jahren haben Wissbegierige mit einer konkreten Orientierungshilfe eine Antwort auf ihre lernrelevanten Fragen bekommen. In seinem Buch „Denken, Lernen, Vergessen – Was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn, und wann lässt es uns im Stich“ definiert Frederic Vester die vier Lerntypen – visuelle, auditive, haptische und kognitive. Letzterer Typ wurde mittlerweile durch den kommunikativen ersetzt. Diesem Konzept nach prägen sich visuell veranlagte Personen Informationen mithilfe grafischer Elemente ein. Auditiv Lernende nehmen sie über die Ohren auf, also zum Beispiel durch Aufnahmen oder mündliche Erklärungen. Der haptische Lerntyp ist der praktisch veranlagte Hands-on-Lernende. Und der kommunikative profitiert vom interaktiven Austausch mit anderen.

Im ersten Moment klingt die Unterscheidung der Lernvoraussetzungen logisch – schließlich nimmt das Gehirn Wissen bei jedem Menschen unterschiedlich auf. Was bei dem einen funktioniert, muss bei dem anderen noch lange nicht dieselbe Wirkung haben. Diese Einteilung hat allerdings auch eine Kehrseite. Sie suggeriert, dass Lerntypen steife Konzepte sind, die keine dynamische Kategorisierung erlauben, sondern den Lernprozess auf ein einziges Sinnesorgan reduzieren. Dabei werden die eigenen kognitiven Fähigkeiten sowie die Lerninhalte selbst vollständig ignoriert. Das kann unter Umständen dazu führen, dass Lernende eine eingeschränkte Sicht auf ihr Lernverhalten entwickeln und sich im Zuge dessen nicht dazu motivieren lassen, anderen, womöglich wirkungsvolleren Lernaktivitäten eine Chance zu geben.

Der Lernprozess passt nicht nur in eine Schublade

Studierende, die herausfinden möchten, wie sie den Lernstoff für die anstehende Prüfungsphase effektiv aufnehmen können, müssen sich zunächst im Klaren sein, dass Lernen ein individueller Vorgang ist. Es gehört weit mehr dazu als ein einzelnes Sinnesorgan. So spielen die Lernmittel, der Lernstoff, die grundsätzliche Aufnahmefähigkeit von Inhalten, das Vorwissen und die Umgebung ebenfalls eine wichtige Rolle. Das bedeutet: Lernende sollten sich in ihrer Lernzeit nicht nur auf den Lerntyp konzentrieren, unter den sie ihrer Meinung nach fallen. 

Vielmehr geht es darum, eine individuelle Lernumgebung zu schaffen. Je nach Inhalt lohnt es sich, mehrere Lernwege und -methoden miteinander zu verbinden, die verschiedene Wahrnehmungskanäle ansprechen. Wichtig ist, die richtige Lernstrategie für sich selbst zu finden und sich dafür aus einer Bandbreite an Mitteln zu bedienen, statt sich auf nur eine Methode zu beschränken. So können unter anderem auch digitale Lern-Apps durch ihre verschiedenen Funktionalitäten für entsprechende Abwechslung sorgen. Auch der regelmäßige Austausch mit anderen in einer Lerngruppe kann sich für den ein oder anderen als sinnvoll erweisen.  

Es gibt zahlreiche Lernmethoden, die über die altbackenen, unflexiblen Lerntypen hinausgehen. Indem Lernende mehrere von ihnen verbinden, können sie ihre ganz eigene Lernstrategie entwickeln und durch die Stimulation mehrerer Sinnesorgane ein abwechslungsreiches, individualisierbares Lernumfeld schaffen. Jetzt heißt es nur noch: Probieren geht über Studieren.

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