Herr Kubr, warum sollten Unternehmen Ihrer Meinung nach Aufgaben auslagern, und keine Tätigkeiten?
Karel Kubr: So pauschal würde ich das nicht formulieren; es kommt immer drauf an. Wenn ich kurzfristig Helfer brauche, um schnell Kapazitäten in einer bestehenden Fertigung zu erweitern, dann macht es sicher keinen Sinn, stattdessen ganze Prozessketten auszulagern.
Aber wenn es darum geht, die Kostenstruktur zu optimieren, oder wenn das Unternehmen an Kapazitätsgrenzen stößt, dann ist es Zeit darüber nachzudenken, bestimmte Aufgaben komplett auszulagern. Komplett auslagern heißt: Das Unternehmen stellt lediglich seine kundenspezifischen Teile bei und bekommt komplett geprüfte Baugruppen, gefertigt nach seinen Vorgaben, zurück.
Im eigenen Unternehmen entfallen damit bestimmte Tätigkeiten. Dadurch können die bestehenden Mitarbeiter anders eingeplant werden – und auf interessanten Arbeitsplätzen höhere Deckungsbeiträge erwirtschaften.
Zudem entfällt die gesamte Verwaltungsschale der Produktion an dieser Stelle. Beispielsweise also das Aufbereiten von Stücklisten, Arbeits- und Prozessplanung, Kommissionieren, Zeiterfassung, Aus- und Rückbuchen von halbfertigen Teilen, Bestandsverwaltung, Bestellwesen und so weiter.
Das klingt für mich jetzt noch sehr nach klassischem Outsourcing. Worin besteht der Unterschied zu ihrem Konzept?
Karel Kubr: Wenn Sie so wollen, kombinieren wir Outsourcing mit Outstaffing. Unsere Kunden haben ein vollwertiges Team in Tschechien, das nicht nur aus angelernten Kräften für die reine Fertigung besteht. Denn allein dafür sind die Kostenvorteile eher überschaubar, weil in Deutschland kein Mangel an Helfern herrscht. Das Problem sind die gut ausgebildeten und engagierten Techniker, die eigenständig Hilfs- und Prüfmittel sowie Vorrichtungen entwickeln und bauen können. Beschaffungsspezialisten, welche Standardteile auf dem Weltmarkt einkaufen, sowie das erfahrene Anleitungspersonal in der Fertigung, dass durch clevere Planung dafür sorgt, dass Qualität entsteht und nicht hinterher in die Produkte hineingeprüft werden muss.
Der Unterschied zu Outstaffing ist, dass das Team bei uns angestellt bleibt; unsere Kunden in dieser Hinsicht also keine Verantwortung übernehmen müssen.
Sie haben gerade das Thema Fachkräftemangel angesprochen. Gibt es diesen nicht auch in Böhmen, vor allem in der Grenznähe zu Deutschland?
Karel Kubr: Den gibt es grundsätzlich, aber nicht in dieser ausgeprägten Form. Autobahnen gibt es in unserer Region nicht; zudem steigen auch bei uns die Löhne der Fachleute kräftig. Das führt dazu, dass wir immer wieder gute Ingenieure, Techniker oder Meister bekommen, die eben nicht jeden Tag zwei Stunden auf der Straße verbringen wollen.
Auch für die Montage finden wir genügend Fachkräfte, was uns ein flexibles Eingehen auf Kundenwünsche ermöglicht. Wir sind klein genug, um kurzfristig zaubern zu können, aber eben auch groß genug, um nach standardisierten Prozessen Millionenstückzahlen zu verarbeiten.
Wenn jemand über die Verlagerung von Aufgaben nachdenkt, warum sollte er dann überhaupt nach Tschechien gehen – und nicht erheblich weiter nach Osten?
Karel Kubr: Ich denke, dass es zumindest beim Serienanlauf ein großer Vorteil ist, wenn alle maßgeblich Beteiligten in der gleichen Zeitzone und in der gleichen Sprache kommunizieren können. Auch bei Transportkosten und -risiken macht sich die Nähe positiv bemerkbar – denn Lintech liegt keine 35 km Luftlinie nordöstlich von einem der größten Elektronikfertiger in Europa.
Dazu kommt: Die Mentalität ist so verschieden nicht. Das sorgt für gegenseitiges Verständnis und Verbindlichkeit und vermeidet Fallen durch große kulturelle Unterschiede.
Sie haben erwähnt, dass auch in Tschechien die Lohnkosten steigen. Lohnt es sich überhaupt noch, Aufgaben dorthin auszulagern?
Karel Kubr: Auf jeden Fall, denn erstens sind die Lohnkosten in Tschechien immer noch deutlich niedriger, auch im grenznahen Bereich. Dazu kommt, dass die Lohnnebenkosten auf einem ganz anderen Niveau liegen. Unter dem Strich kalkulieren wir die Arbeitsstunde – einschließlich aller Nebenkosten – etwa auf dem Niveau des deutschen Mindestlohns.
Wenn Sie sich dann noch zusätzliche Kosten sparen, etwa weil sie nicht umbauen, neu bauen oder zusätzliche Gebäude anmieten müssen, kommen wir schnell in die Größenordnung von “die Hälfte” – bei mindestens vergleichbarer Qualität.
Herr Kubr, in einem Satz: Was ist Ihre Empfehlung für Unternehmen, die sich nach einem Partner in Osteuropa umschauen?
Karel Kubr: Achten Sie darauf, dass das Unternehmen langjährige Erfahrung mit den in deutschen Unternehmen üblichen Prozessen hat – und dass nicht nur der Vertrieb, sondern alle Schlüsselpositionen im Unternehmen mit Ihnen auf Deutsch kommunizieren können.
Bevor Sie komplexe oder kritische Bauteile oder Baugruppen vergeben, sollten Sie das Zusammenspiel mit unkritischen Baugruppen üben.
Und wenn das dann alles passt, achten Sie darauf, dass Ihr neuer Partner Ihre Herausforderungen zu seinen macht, und diese mit Engagement und Leidenschaft löst.
Oder sprechen Sie gleich mit uns.
Herr Kubr, ich danke Ihnen für das offene Gespräch!
LINTECH, spol. s r.o. wurde im Jahre 1993 in Domažlice, Tschechien (alter deutscher Name: Taus) gegründet. Von Anfang an stand das Unternehmen auf drei Standbeinen: Sondermaschinenbau, Lasermarkierung sowie Auftragsfertigung.
Heute beschäftigt das Unternehmen rund 100 Mitarbeiter an seinen beiden Standorten Domažlice (Sondermaschinen, Lasertechnik) und Chrastavice (Auftragsfertigung). Das Dorf Chrastavice liegt drei Kilometer nordöstlich von Domažlice.
Wie die Kundenstruktur ist auch die Gesellschafterstruktur des Unternehmens von den Besonderheiten des Grenzraums geprägt. Während das Unternehmen im Bereich der Sondermaschinen und der Kennzeichnungssysteme bislang, abgesehen von OEMs in Deutschland, vor allem die Märkte in Osteuropa sehr erfolgreich bedient, haben die meisten Kunden der Auftragsfertigung ihren Sitz in Deutschland sowie in der Schweiz.
Gerade in der Auftragsfertigung profitieren die Kunden von LINTECH nicht nur vom Lohnkostengefälle, sondern vor allem auch von den umfangreichen Möglichkeiten des Unternehmens, was die Konstruktion und Fertigung von Arbeitsmitteln, Vorrichtungen, Montage- und Prüfmitteln oder auch die Flexibilität einer atmenden Produktion anbelangt.
Lintech beherrscht alle für die manuelle Montage erforderlichen Prozesse wie Löten, Kleben oder Schweißen ebenso aus dem Effeff, wie Kennzeichnen und Verpacken. Das Unternehmen ist nach DIN ISO 9001 zertifiziert und arbeitet seit über 15 Jahren für zahlreiche namhafte deutsche Hersteller. Termintreue, Werker-Selbstprüfung nach jedem entscheidenden Prozessschritt oder eine Auftragsabwicklung in deutscher Sprache sind für Lintech daher selbstverständlich und täglich geübte Praxis. Wichtiger aber sind dem Unternehmen die zahlreichen Lieferantenpreise für höchste Qualität und niedrigste Reklamationsquoten.
Die in Chrastavice montierten Steckverbindungen, Kleinteile und Baugruppen werden in zahlreichen bekannten Produkten für Straßen-, Schienen und Luftfahrzeuge eingesetzt. Direkt vor seiner Haustüre findet das Unternehmen hochmotivierte Mitarbeiter, von denen viele Deutsch sprechen, in deutschen Unternehmen gearbeitet haben und die daher wissen, worauf es in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit ankommt. Dadurch kann das Unternehmen kurzfristig auch größere Projekte realisieren.
Durch den eigenen Werkzeugbau und eine eigene Entwicklungsabteilung ist Lintech in der Lage, Montagehilfen und Vorrichtungen kurzfristig selbst zu konstruieren und herzustellen, um eine rationelle Fertigung der Kundenteile zu gewährleisten.
Betriebsübergreifende Zusammenarbeit in Netzwerken ist dem Unternehmen wichtig. 2011 war es daher eines der drei Gründungsmitglieder des Klastr Mechatronika (tschechischer Mechatronik-Cluster).
LINTECH, spol. s.r.o.
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