Eine Befragungsstudie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) aus dem Jahr 2023 zur Verkehrssicherheit zeigt, dass es auf Deutschlands Straßen immer aggressiver zugeht. Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass sie sich nach Ärger gelegentlich im Verkehr abreagieren und zum Beispiel schneller fahren als sonst. 2016 war dieser Wert nur knapp halb so hoch. „Bei dieser Frage sollte eigentlich jeder klar mit ‚Nein‘ antworten, denn der Straßenverkehr ist kein Ort, an dem man Aggressionen loswerden sollte“, sagt Thomas Wicke. 44 Prozent gaben an, zumindest gelegentlich kurz auf die Bremse zu treten, um eine Person, die hinter ihnen drängelt, auszubremsen. Rund 31 Prozent treten schon mal absichtlich aufs Gaspedal, wenn sie überholt werden und 21 Prozent gaben an, beim Überholen auf der Autobahn gelegentlich mit Lichthupe und Blinker auf sich aufmerksam zu machen.
Eigen- vs. Fremdwahrnehmung
Zwar erkennen die meisten Befragten Aggressivität auf der Straße als Problem an, sich selbst sehen dabei aber nur die wenigsten in der Verantwortung. So antworteten 96 Prozent aller Autofahrer, dass sie Radfahrer mit besonders viel Rücksicht überholen würden, gleichzeitig aber bei 93 Prozent der anderen Autofahrer einen zu geringen Sicherheitsabstand beim Überholen von Fahrradfahrern wahrnähmen.
Ursachen der gesteigerten Aggressivität
Doch was sind die Gründe für diese Entwicklung? Zum einen wachsen die Städte und damit auch das Verkehrsaufkommen enorm. Die Zahl der Verkehrsteilnehmer, darunter nicht nur Autofahrer, sondern auch Fahrradfahrer und Fußgänger, steigt. Die unterschiedlichen Ansprüche werden deutlicher geäußert als früher, so beharren Radfahrer auf ein besseres Radwegnetz und Fußgänger wollen sich ihre Gehwege nicht länger einschränken lassen. Zum anderen ist in der Gesellschaft insgesamt ein Trend zu einer höheren Gesamtaggressivität erkennbar, der auch vor den Straßen nicht Halt macht.
Diese Konsequenzen drohen
Wenn beim Autofahren der Wut freien Lauf gelassen wird, endet das oft in gefährlichen und riskanten Fahrmanövern. Fällt ein Fahrer mehrmals durch aggressives und riskantes Fahrverhalten auf, hat das Konsequenzen, wie Thomas Wicke beschreibt: „Im Ernstfall kann eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden. Wird ein Hang zur Aggression im Straßenverkehr erkannt, erhält der Betroffene seinen Führerschein nur wieder, wenn er intensiv an diesem Problem gearbeitet hat.“ Wird das Verhalten sogar als Nötigung gewertet, können auch eine Geld- oder Freiheitsstrafe drohen. „Männer fallen übrigens häufiger durch aggressives Fahrverhalten im Straßenverkehr auf. Die Zahl der Frauen, die nach einer Nötigung zur MPU müssen, ist vernachlässigbar gering“, so der Verkehrspsychologe.
Appell zu mehr Gelassenheit
Wer gestresst ist, sollte rechtzeitig reagieren, bevor er aggressiv wird. Positive Gedanken, die Lieblingsmusik oder eine tiefe Bauchatmung entspannen und lenken ab. Um Stress zu vermeiden, sollte vor allem zu Stoßzeiten im Berufsverkehr genügend Puffer eingeplant werden. „Fallen andere Verkehrsteilnehmer durch ein hohes Maß an Aggressivität auf, sollte man selbst Ruhe bewahren“, rät der Experte. „Den Drängler auszubremsen und zu provozieren oder jedoch in Panik zu verfallen, kann eine gefährliche Situation nur noch weiter verschärfen.“
Rücksicht ist das A und O
Um die Sicherheitslage zu verbessern, sind verschiedene Vorschläge in der Diskussion, darunter strengere Geschwindigkeitsbegrenzungen, eine Null-Promille-Regelung im Hinblick auf den Alkoholkonsum, verstärkte Polizeikontrollen, höhere Bußgelder, autonomes Fahren oder neue Verkehrsplanungskonzepte. „Die konkrete Umsetzung vieler dieser Maßnahmen ist aber noch Zukunftsmusik. Deshalb ist es umso wichtiger, bei sich selbst anzufangen und gelassener und rücksichtsvoller am Straßenverkehr teilzunehmen“, so Thomas Wicke abschließend. „Denn nur aus Ärger die Gefährdung oder sogar den Tod anderer in Kauf zu nehmen, ist absolut inakzeptabel.“
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