Offene Diskurskultur
Wie die Wissenschaft lebt auch die Gesellschaft vom offenen Diskurs – vom Austausch von Fakten und Argumenten, deren Bewertung und von der Bereitschaft, eigene Ansichten und Hypothesen weiterzuentwickeln, wenn eine veränderte Datenlage es erfordert. Davon ist jedoch in so manchem Diskurs im politisch-gesellschaftlichen Raum derzeit wenig zu spüren: Fakten werden geleugnet oder verfälscht, Narrative orientieren sich an Opportunitäten und Eigeninteressen und der Ton wird rauer und lauter. Die Bereitschaft, eigene Meinungen zu hinterfragen nimmt ab, während Intoleranz und Radikalisierung zunehmen.
Für die mathematisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaften ist eine offene und wertschätzende Diskussionskultur unabdingbar. Dies gilt für den allgemeinen Diskurs ebenso wie für den Diskurs in der Wissenschaft.
Wissenschaftsfeindlichkeit, Behinderungen der Wissenschaftsfreiheit, Intoleranz und Ausgrenzung beschädigen den Wissenschaftsstandort Deutschland.
Weltoffenheit und internationale Zusammenarbeit
Wissenschaft ist gerade im Kontext von Mathematik und Naturwissenschaften nicht an Ländergrenzen gebunden. Der Austausch von Ideen und Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und Herangehensweisen wirkt als Triebkraft für Wissenschaft und Erkenntnis, den wir für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben dringend benötigen.
Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaften warnen daher vor einer Einengung der Wissenschaft auf die nationale Ebene und treten allen Bestrebungen, internationale Zusammenarbeit zu erschweren, entschieden entgegen. Eine rein nationale Wissenschaft würde unserem Land erheblich schaden.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bieten einen verlässlichen Rahmen, in dem Wissenschaft kreativ arbeiten und Ergebnisse liefern kann. Jedes Infragestellen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie jegliche Ausgrenzung gefährdet Forschungsprojekte in Deutschland. Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaften warnen vor einer freiwilligen oder erzwungenen Abwanderung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in andere Länder mit besseren Rahmenbedingungen. Das damit verlorengehende Wissen würde den Forschungsstandort Deutschland schwächen, eine Tatsache, die gerade auch von jenen Akteurinnen und Akteuren billigend in Kauf genommen wird, die ansonsten sehr auf nationale Stärke setzen.
Vor dem skizzierten Hintergrund sind die mathematisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaften alarmiert durch die jüngsten antidemokratischen und nationalistischen Bestrebungen in Deutschland. Sie sind der festen Überzeugung, dass Wohlstand und Stärke eines Landes nicht auf Homogenität beruhen, sondern auf Vielfalt und Freiheit. Die Gesellschaften werden sich auch weiterhin für Forschungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Weltoffenheit und internationale Zusammenarbeit einsetzen. Sie rufen daher alle ihre Mitglieder auf, in ihrem privaten und gesellschaftlichen Umfeld ein klares Signal für eine weltoffene, demokratische Gesellschaft und eine freie Wissenschaft zu setzen. In diesem Zusammenhang sind die Mitglieder insbesondere auch aufgefordert, die durch das Grundgesetz gewährleisteten demokratischen Rechte z. B. bei Wahlen wahrzunehmen.
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