Zahlreiche Privatpersonen tragen gemeinsam die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs – und erhalten im Gegenzug dessen Ernteerträge. Das ist das Modell der "Solidarischen Landwirtschaft" (Solawi). Ein transdisziplinäres Team des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Universität Siegen und des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft begleitet landwirtschaftliche Betriebe in vier Projektregionen, die auf Solawi umstellen wollen, und analysiert, welche Rolle das Modell in strukturschwachen Räumen spielen könnte. Eine Veranstaltungsreihe, die in den Projektregionen ab dem 15. Februar startet, soll umstellungsinteressierte Betriebe unterstützen.
In Deutschland hat sich die Zahl der Betriebe, die nach dem Solawi-Modell wirtschaften, in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht. Noch ist die Solidarische Landwirtschaft mit inzwischen über 500 Betrieben bundesweit ein Nischenphänomen. Allerdings geben jährlich Tausende Landwirtschaftsbetriebe auf, weil sie sich nicht mehr wirtschaftlich rentabel führen lassen oder keine Nachfolger finden. Könnte eine teilweise oder vollständige Umstellung auf Solidarische Landwirtschaft ein Weg sein, dies zu verhindern? Lassen sich bestehende Betriebe durch die Vorfinanzierung wirtschaftlich langfristig stabilisieren? Und ließen sich der soziale Zusammenhalt aufgrund der direkten Verbindung mit und zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken und gleichzeitig Kapazitäten für einen ökologischeren Anbau schaffen?
Diesen Fragen geht ein gemeinsam vom UFZ und der Universität Siegen geführtes Team im Projekt "SolaRegio" nach, welches das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 1,2 Millionen Euro fördert. "Das Konzept Solawi wird bislang in der Landwirtschaft nicht ausreichend berücksichtigt. Es fehlen vielfach die entsprechenden Kompetenzen für eine fundierte Beratung", sagt der UFZ-Agrarökologe Dr. Lukas Egli.
In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Solidarische Landwirtschaft und weiteren Praxisakteuren wie den Landwirtschaftsbehörden und -kammern sollen diese Kompetenzen deshalb gestärkt werden. In vier Regionen – in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen – bringen die Forscher:innen wichtige Akteure zusammen, um hemmende und begünstigende Faktoren bei der Umstellung auf Solidarische Landwirtschaft zu identifizieren. Zentrale Hürden sind unter anderem fehlendes Wissen und zu wenig Beratungskompetenzen zum Thema Solawi. Aus betrieblicher Perspektive erschweren darüber hinaus Spezialisierung und zu große Betriebsgrößen die Umstellung, da eine Direktvermarktung über das Solawi-Modell vielfältigeren Anbau und tendenziell kleinere Betriebsstrukturen voraussetzt. Nichtsdestotrotz kooperieren in manchen Regionen bereits mehrere spezialisierte Betriebe, um die Solawi-Mitglieder ganzheitlich mit Obst und Gemüse sowie Milch-, Getreide- und Fleischprodukten zu versorgen, und es existieren Solawi-Betriebe, die bis zu 2.000 Haushalte versorgen.
In einem nächsten Schritt wird das Projektteam Maßnahmen entwickeln, um mögliche Umstellungshürden abzubauen. Zudem wird es analysieren, ob die Verbreitung von Solawi strukturschwache Regionen revitalisieren kann. "Solawi ist eine Möglichkeit, die für unsere Gesellschaft in so vielfältiger Weise wichtigen kleinbäuerlichen Betriebe zu erhalten. Dadurch werden Arbeitsplätze nicht nur gesichert, sondern auch durch die meist arbeitsintensivere Bewirtschaftung zusätzlich geschaffen", sagt Marius Rommel, Nachhaltigkeitsökonom an der Universität Siegen. Gleichzeitig stärken Solawis das soziale und kulturelle Leben vor Ort.
Ab dem 15. Februar finden Informationsveranstaltungen in den vier Projektregionen statt, die deren regionale Besonderheiten etwa in Bezug auf Betriebsstrukturen, Produktionszweige oder vorhandenes Wissen aufgreifen. Sie richten sich in erster Linie an Landwirtinnen und Landwirte sowie an Organisationen in der Landwirtschaft und im Ernährungsbereich, aber auch an Verbraucherinnen und Verbraucher. "Wir hoffen, über diese Veranstaltungen Landwirtinnen und Landwirte gewinnen zu können, sich intensiver mit der Solidarischen Landwirtschaft auseinanderzusetzen, auch als Perspektive für den eigenen Betrieb", sagt UFZ-Forscher Lukas Egli. Diejenigen, die sich dafür entscheiden, werden dann vom Solawi-Netzwerk, den jeweiligen Landwirtschaftskammern und -behörden sowie den Forscher:innen beim Umstellungsprozess begleitet.
Veranstaltungen "Neue Wege in der Direktvermarktung – Das Modell der Solidarischen Landwirtschaft"
Am 15. Februar 2024 (18:30-20:45 Uhr) laden das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft und die Landwirtschaftskammer Niedersachsen in das Hotel Restaurant "Sachsenross" in Nörten-Hardenberg ein. Hier soll u.a. gezeigt werden, wie Solawi auch im Ackerbau funktionieren kann. An der Veranstaltung nimmt u.a. Niedersachsens Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Miriam Staudte, der Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen Frank Kohlenberg und der Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen Gerhard Schwetje teil. https://www.solidarische-landwirtschaft.org/newsletter/einladung-neue-wege-in-der-direktvermarktung-das-modell-der-solidarischen-landwirtschaft-in-der-region-suedniedersachsen
Am 5. März 2024 (19:00-21:15 Uhr) laden das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, die Landwirtschaftskammer NRW und die Öko-Modellregion Bergisches RheinLand in den Ratssaal der Gemeinde Engelskirchen ein. Im Fokus einer Podiumsdiskussion steht unter anderem, wie Solawi auch bei Milchviehbetrieben funktionieren kann.
https://www.solidarische-landwirtschaft.org/newsletter/einladung-neue-wege-der-vermarktung-das-modell-der-solidarischen-landwirtschaft-im-bergischen-land-hybridveranstaltung
Am 7. März 2024 (18:30-20:45 Uhr) laden das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft und der Thüringer Ökoherz e.V. in die Gaststätte Alte Remise in Weimar ein. Die Veranstaltung soll u.a. zeigen, wie Solawi auch im größeren Stil im Ackerbau funktionieren kann. Auf dem Podium sitzt u.a. Thüringens Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft Susanna Karawanskij und die Hauptgeschäftsführerin des Thüringer Bauernverbands Katrin Hucke.
https://www.solidarische-landwirtschaft.org/newsletter/einladung-neue-wege-in-der-vermarktung-das-modell-der-solidarischen-landwirtschaft-in-zentralthueringen
Am 12. März 2024 (18:30-20:45 Uhr) laden das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, das Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau des Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie des Freistaats Sachsen und der Allmende Taucha e.V. in den Saal des Waldhotels am Reiterhof in Seelitz ein. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Solawi auch im Ackerbau erfolgreich sein und eine zukunftsfähige Perspektive für die verbleibenden Gärtnereien bieten kann. An der Podiumsdiskussion nimmt u.a. Sachsens Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft Wolfram Günther teil. https://www.solidarische-landwirtschaft.org/newsletter/einladung-neue-wege-der-vermarktung-das-modell-der-solidarischen-landwirtschaft-in-den-landkreisen-mittelsachsen/meissen
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
www.ufz.de
Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.
www.helmholtz.de
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