melanie bonajo
Schule der Liebenden
Die Schule der Liebenden ist ein genre-sprengendes Kunst- und Bildungsprojekt, das von melanie bonajo, Daniel Cremer und Yanna Rüger in Zusammenarbeit mit dem inklusiven Theater HORA realisiert wird. Ausgehend von diesem neuen Projekt zeigt die Kunsthalle Mainz eine Reihe weiterer Arbeiten von melanie bonajo, die sich mit Beziehung und Berührung, Forschen und Lernen beschäftigen.
Welche Art von Schule lehrt dich, was du schon immer wissen wolltest, dir aber im wirklichen Leben niemand sagt? Welche Art von Schule spricht die Themen an, die mit Sexualität und Sicherheit verbunden sind? Das sind einige der Fragen, die Yanna Rüger, Daniel Cremer und melanie bonajo dazu veranlassten, sich gemeinsam mit dem Team des Theaters HORA auf einen Weg der Ent- und Neuschulung zu begeben. Darin beleuchten sie zusammen den Begriff der Intimität in all seinen Facetten. Das Ergebnis ihrer Reise ist ein immersiver Installationsraum, der sich ausgehend der Videoarbeit von melanie bonajo entwickelt und zugleich den Rahmen für Workshops und ein Theaterstück (Regie Daniel Cremer & Yanna Rüger) bildet. Performer*innen des HORA-Ensembles sind zu Expert*innen ihrer eigenen Lust geworden und vermitteln als phantastische Lehr-Avatare Wissen und sinnliche Erfahrungen rund um das Thema Liebe, Intimität und Sexualität. Eine humorvolle, einfühlsame, ermächtigende, genre- und genderübergreifende Erfahrung, die Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen anspricht.
Das Theater HORA aus Zürich ist eine der bekanntesten freien Tanz-, Theater- und Performancegruppen der Schweiz. Seit 2003 ist das Theater HORA auch eine (Kultur-) Werkstatt für Menschen mit sogenannten „kognitiven Beeinträchtigungen“. melanie bonajo (they/them) ist Künstler*in, Filmemacher*in, queere Ökofeminist*in, sexologische Körperarbeiter*in, somatische*r Sexualtrainer*in und -pädagog*in, Kuschelworkshop-Leiter*in und Tierrechtsaktivist*in. In Videos, Installationen und Fotografien, oft in Zusammenarbeit mit Gruppen und Gemeinschaften, erforscht melanie bonajo Fragen des Zusammenlebens, der Erosion von Intimität und Isolation in einer zunehmend sterilen, technologischen Welt. Die immersive Installation wurde von den Szenograph*innen von Touche Touche entworfen.
Neben Schule der Liebenden sind in Mainz die beiden Video-installationen TouchMETell (2019) & Progress vs Sunsets – Re-formulating the Nature Documentary (2017) zu sehen. In beiden Arbeiten sind melanie bonajos Protagonist*innen eine Gruppe von Kindern. In TouchMETell erforscht bonajo spielerisch zusammen mit Kindern zwischen sechs und acht Jahren, wie diese ihren eigenen Körper und den körperlichen Kontakt mit anderen erleben. Kinder wie Erwachsene sind eingeladen, über Intimität, ihre Grenzen und ihr Körperbewusstsein nachzudenken und zu sprechen. Der Film Progress vs. Sunsets veranschaulicht, wie sich unser Verhältnis zur Natur durch die Popularisierung von Amateur-Naturfotografie und -film im Internet verändert hat. Die Arbeit, die in einer mit Théo Demans entwickelten Installation gezeigt wird, ist der zweite Teil einer Trilogie, die das Aussterben und die Bedrohung gefährdeter Gruppen durch die Entwicklung des Technokapitals untersucht, aber auch das Aussterben in einem abstrakten Sinne, das Aussterben von Gefühlen und Gedankenformen. Durch die Augen und die Stimmen von Kindern kommen scheinbar mühelos komplizierte Themen zur Sprache: Tierrechte, Biopolitik, schwindende Ressourcen, Ökologie, Anthropomorphismus und die Auswirkungen dieser Ethik auf die menschlichen Wünsche, Emotionen, Emotionalität und Sentimentalität gegenüber "den Anderen".
Schule der Liebenden on Tour, mit Theater HORA, Daniel Cremer & melanie bonajo: Sa 25/05
Nach der Uraufführung der Performance und des Filmes im Dezember 2023 in der Zürcher Shedhalle geht die Forschungsreise, auf die sich die Schule der Liebenden macht, weiter. Ende Mai treffen sich alle Beteiligten in Mainz wieder, um mit dem hiesigen Publikum zusammen zu kommen, und damit einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer globalen Liebesschule für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu voranzugehen.
Biografie
melanie bonajo (they/them/theirs) studierte an der Gerrit Rietveld Academy und absolvierte Aufenthalte an der Rijksakademie voor Beeldende Kunst in Amsterdam (2009-10) und am ISCP in New York (2014). melanie bonajo vertrat die Niederlande auf der 59. Biennale von Venedig 2022 mit ‚When the body says Yes‘. Bonajo arbeitete mit einem Kurator*innenteam bestehend aus Orlando Maaike Gouwenberg, Geir Haraldseth und Soraya Pol. Die Szenografie für ihre immersive Installation ‚When the body says Yes‘ wurde in Zusammenarbeit mit Théo Demans entwickelt.
Einzelausstellungen: FOAM, Amsterdam (2016), Frankfurter Kunstverein, Frankfurt (2017), Bonnefantenmuseum, Maastricht (2018). Einzelausstellungen ‚When the body says Yes‘: FOMU, Antwerpen, BE (2023); KUMU Tallinn, Estland (2023/24); IMMA Dublin (2024), Irland; Pori Museum Finnland (2025) und ‚Progress vs the (m)other‘, Kunstpalais Erlangen, Deutschland.
Philipp Gufler
Dis/Identification
Im Zentrum von Philipp Guflers künstlerischer Arbeit stehen Bilder und Geschichte(n) queeren Lebens – heute und in der Vergangenheit. Historische Persönlichkeiten, Entwicklungen und einschneidende Ereignisse aus unterschiedlichen Zeitspannen treten in einen Dialog und erzählen eine intersektionale queere Geschichte. Seine Quellen findet Gufler in historischen Archiven, Zeitungen, Radio und Fernsehen, seine Referenzen stammen aus der Literatur und den ästhetischen Praktiken von LGBTQI+ Bewegungen, aus der Queer-Theorie sowie der Popkultur. Gufler reflektiert diese in Filmessays, aber auch in Performances und Bildobjekten, in Malereien
auf Spiegeln oder in Siebdrucken auf Stoffen, die sogenannten Quilts mit mittlerweile 53 Textilien, die queeren Menschen, Bewegungen und Orten gewidmet sind. In seiner bis dahin größten Einzelausstellung in der Kunsthalle Mainz zeigt der Künstler ausgehend von der neuen Videoinstallation The Beginning of Identification, and its End einen Überblick über sein Schaffen der letzten Jahre.
Guflers Arbeiten gehen immer einher mit der Einladung zu Begegnungen: Visionäre, mutige, kontroverse Persönlichkeiten sind die Protagonist*innen seines künstlerischen Projekts. Da gibt es beispielsweise den Juristen Karl Heinrich Ulrichs, der 1867 als erster öffentlich die Aufhebung der Anti-Homosexuellen-Gesetze forderte; den Künstler Paul Hoecker, Mitbegründer der Münchner Secession, der durch eine Madonnendarstellung, für die er einen jungen Sexarbeiter porträtiert haben soll, seine Professur an der Münchner Kunstakademie aufgeben musste. Wir lernen die Feministin und Sexualwissenschaftlerin Charlotte Wolf kennen, die in den 1930er-Jahren in den surrealistischen Kreisen von Paris verkehrte; oder die Münchner Künstlerin Cosy Piéro, die bis 1980 den Szenetreffpunkt Bei Cosy betrieb und mit der Philipp Gufler ein freundschaftliches Verhältnis pflegte. Und wem sagt Lana Kaiser etwas? Das Pop-Phänomen der Nullerjahre ist den meisten, entgegen dem Wunsch der Sängerin, u.a. als Daniel Küblböck bekannt. Ferner beschäftigte sich Gufler mit den Anfängen der AIDS-Krise in Deutschland und der Verfolgung queerer Menschen während des Nationalsozialismus. Oral-History-Recherche und die Zusammenarbeit mit anderen Expert*innen stehen dabei an der Tagesordnung, aktuell z.B. mit dem Münchner Historiker Alfred Knoll, der als langjähriger Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Dachau die Schicksale der queeren Häftlinge erforscht. Das Archivieren, Dokumentieren und Vermitteln liegt im Kern von Guflers Tätigkeit als Mitbetreiber des Forum Queeres Archiv München und prägt ebenso seine künstlerische Praxis, die neben Videoinstallationen, Textilarbeiten, Objekten oder Drucken auch kuratorische und diskursive Projekte beinhaltet.
Gufler erzählt nicht einfach nur die Geschichte „seiner Held*innen“. Seine Annäherungen bieten immer auch Raum für die Schattenseiten und das Kontroverse. Es geht um Identifikation aber eben auch um „Desidentifikation“ – um die Grenzen queerer Identifikationskategorien, wie Gufler in seiner neuesten, in Mainz erstmals gezeigten Videoinstallation The Beginning of Identification, and its End thematisiert. Die mitreißende Filmcollage und die ihr gegenübergestellte Performance von Gufler selbst – ein Ausdauer-Experiment nach Vorlage einer Performance des Künstlers Ben d’Armagnac vor dem Brooklyn Museum von 1978 – zeigt den dünnen Grat zwischen Sichtbarkeit und Verletzlichkeit, zwischen Emanzipation und Distanzierung, etwa wenn er Aussagen von ultrarechten homosexuellen Politiker*innen wie Alice Weidel oder Pim Fortuyn in die Collage mischt. Queere Emanzipation, will Gufler sagen, kann nicht losgelöst von anderen politischen Kämpfen gesehen werden.
Zur Ausstellung erscheint die erste Monografie von Philipp Gufler u.a. mit Texten von Karolina Kühn, Louwrien Wijers und Yasmin Afschar.
Die Ausstellung und der Katalog werden durch den Mondriaan Fonds sowie der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung im Rahmen des Förderpreises "Kataloge für junge Künstler*innen" unterstützt. The Beginning of Identification, and its End (2024) wurde produziert mit der freundlichen Unterstützung der Stadt München, Launch Pad LaB, Mondriaan Fonds und Sound & Vision.
Biografie
Philipp Gufler (*1989 in Augsburg) lebt und arbeitet in Amsterdam und München. Er studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München und nahm an den Residenzprogrammen De Ateliers in Amsterdam (2015-17), Skowhegan School of Painting & Sculpture in Maine, USA (2019), Delfina Foundation in London (2021), Launch Pad LaP in Champagne-Mouton, Frankreich (2023) und Schloss Balmoral in Bad Ems (2023) teil. Er ist seit 2013 aktives Mitglied des selbst-organisierten Forum Queeres Archiv München. Er hatte zuletzt folgende Einzelausstellungen: Brandhorst Fall Commission, Museum Brandhorst (2023), Unterwerfungen, Kunstraum der Leuphana Universität, Lüneburg (2022); Autoerotismus, Kevin Space, Wien (2020); It is getting alive, BQ, Berlin (2020); Pleasure Pain, Marwan, Amsterdam (2019). Seine Arbeiten wurden in folgenden Gruppenausstellungen gezeigt: To Be Seen. Queer Lives 1900 – 1950, NS-Dokumentationszentrum, München (2022), Actually, the Dead Are Not Dead, Part III, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (2023), Sweat, Haus der Kunst, München (2021), Andere Geschiedenes volgens Dirkje Kuik en Philipp Gufler im Centraal Museum, Utrecht (2020), Liebe und Ethnologie im Haus der Kulturen der Welt, Berlin (2019), Maskulinitäten im Kunstverein Düsseldorf (2019), Bei Cosy bei Rongwrong, Amsterdam (2017) und Videonale.15
im Kunstmuseum Bonn (2015). Zu seinen Künstlerbüchern gehören: Projektion auf die Krise (2014/2021), I Wanna Give You Devotion (2017), Indirekte Berührung (2017), Quilt #01–#30 (2020), Lana Kaiser (2020), Cosy bei Cosy (2023) und A Shrine To Aphrodite (2023). Er ko-kuratierte die Ausstellungen Exzentrische 80er: Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen, Rabe perplexum und Kompliz*innen aus dem Jetzt im Lothringer 13, München, Kunsthaus Hamburg und Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten, Berlin und organisierte die Ausstellung Substitutes im W139 in Amsterdam.
Auf Nachfrage stellen wir auch gerne weiteres Bildmaterial zur Verfügung. Für weitergehende Informationen sprechen Sie uns gerne an.
Außerdem weisen wir auf die Sommerausstellung 2024 hin:
Ari Benjamin Meyers – Always Rehearsing
Laufzeit 04/07 – 20/10/2024
Der Titel dieser Ausstellung – Always Rehearsing – ist ein Auszug aus Meyers‘ textbasiertem Werk "Always Rehearsing Never Performing" (2021). Diese Arbeit deutet auf Meyers‘ Glauben an die Kraft von Musik, Komposition und Probe hin, um einen direkten
Einfluss auf die Realität und in der Tat auf unser tägliches Leben zu haben.
Ari Benjamin Meyers Arbeiten entstehen aus langjährigem Interesse zu komponieren und zu musizieren jenseits des Konzertbühnen zu denken, ausgehend von einen offenen, performativen, sozialen und Disziplinen-übergreifenden Kompositionsbegriff. Bei seinen Werken geht es darum, Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, die traditionellere Arbeitsweisen zugunsten einer Auseinandersetzung mit der unmittelbaren Umgebung oder von Befragung fest gefahrenen Strukturen erweitern.
Diese Ausstellung wird Werke verschiedener Medien zusammenbringen, die Meyers gesamtes bisheriges Schaffen als Künstler umfassen, darunter eine Neuproduktion sowie neue Versionen bestehender Werke, die speziell für diese Ausstellung und die Kunsthalle Mainz entstanden sind. Die Ausstellung umfasst Live-Auftritte zu ausgewählten Terminen sowie tägliche Aktivierungen bestimmter Werke durch das Museumspersonal selbst. Es gibt auch Werke, die es den Besuchern ermöglichen, mitzumachen und selbst aufzutreten. Auf diese Weise probt die Ausstellung selbst, was eine Ausstellung sein kann, durch verschiedene Permutationen von Objekt, Besucher und Interpret, und verwischt oft die Grenzen zwischen diesen normalerweise ziemlich festen Kategorien.
Laufend aktualisierte Informationen zu den Ausstellungen und dem Begleitprogramm finden Sie auf unserer Webseite www.kunsthalle-mainz.de
Kunsthalle Mainz
Am Zollhafen 3-5
55118 Mainz
Telefon: +49 (6131) 1269-36
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