Mögen Sie vielleicht Fantasy? Für alle Freundinnen und Freunde dieses literarischen Genres dürfte sich das zweite der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 16.02. 24 – Freitag, 23.02. 24) zu haben sind, lohnen. Mit „Nadja Kirchner und die Raben aus der geheimnisvollen Senke“, erstmals 2016 als Eigenproduktion von EDITION digital sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book veröffentlicht, eröffnete Johan Nerholz eine vier Bände umfassende Fantasy-Reihe. In deren Mittelpunkt steht Nadja Kirchner, zu Beginn ein zwölfjähriges Mädchen, das keine Eltern mehr hat und in einem Dorf bei ihren Großeltern aufwächst. Auch wegen ihrer guten Leistungen in der Schule wird die kleine und stille Nadja von anderen Jungen aus dem Dorf angefeindet und sogar angegriffen. Doch niemand scheint ihr zu helfen. Da findet sie eines Tages einen jungen Raben, den sie mit nach Hause bringt. Gemeinsam mit ihren Großeltern pflegt sie ihn gesund. Und dann wird das Tier offensichtlich von seinen Raben-Eltern abgeholt. Einer der beiden Raben ist riesig. Als Nadja kurze Zeit später wieder von einigen Jungen angegriffen wird, kommen ihr die Raben zu Hilfe und vertreiben die Angreifer. Kurz darauf wird Nadja in die Senke gelockt, die früher mal ein kleiner See war und die schon lange kein Mensch mehr betreten konnte. Dort gibt sich ihr der riesige Rabe Rontur zu erkennen. Er ist der Anführer der Raben, und – er kann sprechen. Ab sofort steht das Mädchen unter dem Schutz dieser Vögel. Nadja lernt sich zu wehren – auch mit übernatürlichen Mitteln. Und sie erfährt auch von einer bisher unbekannten Seite ihrer bei einem mysteriösen Autounfall getöteten Mutter Manuela. Die hatte einst eine besondere Beziehung zu diesem See …

Das literarische Debüt des Autors wurde für junge Leserinnen und Leser ab zehn Jahren geschrieben. Aber auch erwachsene Fantasy-Freunde dürften sich festlesen.

Die nächsten beiden Sonderangebote der heutigen Post aus Pinnow stammen von Hardy Manthey, der in insgesamt 17 Teilen die Geschichte von Aphrodite erzählt. Im ersten Teil seiner Zeitreisenden-ReiheVom 22. Jahrhundert zurück in das antike Karthago“ lernen wir Aphrodite kennen: Sie ist eine auffallend schöne, blonde und vor allem intelligente Schwedin, die in München erfolgreich Medizin studiert hat. Die blinde Liebe zu einem Mann stürzt sie in das Abenteuer ihres Lebens. Ihre Erlebnisse in diesem Roman und in seinen Fortsetzungen schildern beklemmend realistisch, was Frauen seit vielen tausend Jahren, zum Teil bis heute, erdulden und erleiden müssen.

Maria Lindström überlebt als einzige einen Flug zum Pluto und landet sicher auf der Erde – allerdings 150 Jahre vor Christi Geburt. Als Aphrodite schließt sie sich Nomaden auf dem Weg nach Karthago an. In die noch unzerstörte antike Stadt zieht sie in Ketten ein und muss als begehrte Hure ihrem Herrn dienen.

Der achte Teil dieser abenteuerlichen Reise durch Raum und Zeit trägt den Titel „Rückkehr in das 23. Jahrhundert“. Nach vielen, teils schlimmen Erlebnissen soll Aphrodite endlich zurückkehren in ihre Welt, die sie mit dem Flug zum Pluto verlassen musste. Wird nun alles so sein, wie zuvor? Werden Schwester Ana und Bruder Jörn der Amerikanerin Susan Brown glauben, dass sie die vor mehr als 20 Jahren verschollene Maria Lindström ist? Wird sie endlich wie eine normale Frau leben können?

Hardy Manthey hatte für die 2. Auflage seiner Zeitreisenden-Reihe die kritischen, trotzdem begeisterten Hinweise seiner Leserinnen und Leser berücksichtigt und sein Erstlingswerk sehr stark überarbeitet. Teil 1 war erstmals 2011 und in zweiter Auflage 2015 erschienen, Teil 8 erstmals 2012 und in zweiter Auflage 2017. Manche sagen sogar, die Lektüre mache süchtig nach mehr – nach mehr von Aphrodites Abenteuern in Raum und Zeit.

Die Extremen. Ein Staatsschutzroman aus Mecklenburg-Vorpommern“ von Ulrich Hinse fasst seine beiden E-Books „Blutiger Raps“ und „Die 13. Plage“ von 2013 zusammen. In beiden Büchern geht es um Extremismus und Terrorismus. Damit sind sie noch immer hochaktuell.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Diesmal geht der Blick nach Afrika und damit weg von Europa. Mit Europa, in diesem Fall mit der Kolonialmacht Portugal, hat diese Geschichte aber dennoch viel zu tun …

Erstmals 1981 erschien im Kinderbuchverlag Berlin „Malam von der Insel“ von Dietmar Beetz: Malam ist unterwegs, die „ehrwürdigen Alten“ des Dorfes zur Hochzeit seiner Schwester zu bitten. Dabei beobachtet er, wie Humberto, sein erwachsener Freund, sonderbare Zeichen im Urwald setzt. Plötzlich bombardieren portugiesische Flugzeuge die Hütten und die Hochzeitsgesellschaft. Malam erinnert sich an das merkwürdige Verhalten seines Freundes – sollte er ein Verräter sein? Auf beschwerlichen Wegen müssen die Verletzten ins Hospital getragen werden. Argwöhnisch belauert Malam sein Freund Humberto während des abenteuerlichen Marsches durch den Busch, durch Schlammfelder und Flüsse. Diese Geschichte spielt 1973 in den schon befreiten Gebieten Guineas, doch der Kampf gegen die portugiesische Kolonialmacht war noch nicht zu Ende.

In dieser packenden Szene aus Dietmar Beetz‘ Roman "Malam von der Insel" werden wir Zeugen eines dramatischen und erschütternden Moments im Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft in Guinea. Malam, tief in den Konflikt verstrickt, beobachtet eine Szene brutaler Gewalt und muss sich mit den schwerwiegenden moralischen Dilemmata des Krieges auseinandersetzen.

Unten, schattenschwarz vor dem flackernden Brand, bewegen sich fünf, sechs Uniformierte — unverkennbar Tugas, Söldner der Kolonialarmee. Die Maschinenpistolen im Anschlag, treiben sie etwa ein Dutzend Frauen und Kinder zur Mitte der Lichtung. Auch ein Mann, der sich gebückt hält, ist dabei, und eben wird aus einer der Hütten, die dem Feuerwinkel gegenüberliegen und unzerstört sind, von zwei Dunkelhäutigen in der Uniform des Feindes eine weitere Frau an den Helikoptern vorbei quer über den Platz geschleift.

„Lasst los!“, schreit die Frau. „Gebt mir mein Kind!“

Da erst sieht Malam ein strampelndes Mädchen, eine Vier- oder Fünfjährige, die sich einer der beiden Söldner unter den Arm geklemmt hat.

„Bestien!“, brüllt die Mutter, und sie zerrt, um sich loszureißen. „Das werdet ihr büßen, gerade ihr, ihr …“

Der andere schlägt der Frau mit der Faust ins Gesicht, und von der Wachkette springen drei ihren Kumpanen bei.

Plötzlich sieht Malam, wie in der entstandenen Verwirrung der Mann, jener Geduckte, sich von den Gefangenen entfernt, seitwärts, hüpfend wie ein dürrer Vogel.

Baum unserer Ahnen …

Schüsse peitschen, und der Alte torkelt, stürzt, bleibt liegen. Nein, denkt Malam, nein, Pao de Palon, so nicht, so keine Minute länger! Sein Arm ist hochgefahren, hat sich gestreckt, das rechte Auge visiert einen der Mörder an, die Lunge atmet aus, und die Hand wird ruhig. Jetzt! befiehlt eine innere Stimme.

Nicht! geht es sogleich durch den Kopf. Einer stirbt, falls du ihn triffst. Und die anderen? — Die hättest du dann alarmiert. Mühsam, wie gegen heftigen Widerstand, senkt Malam den Arm mit der Waffe, und beschämt wirft er einen Blick nach rechts.

Und erkennt Humberto, Humberto und weiter drüben auch Mamadu. Beide sind ein Stück vorgetreten, heraus aus dem Dunkel, und beide schauen hinab, die Mienen wie erstarrt.

Auf dem Platz unten, vom herabgebrannten Feuer beleuchtet und von aufschießenden Flammen gespenstisch erhellt, versuchen die beiden dunkelhäutigen Söldner offenbar, aus der Frau ein Geheimnis herauszuprügeln. Von einem kalkgesichtigen Mann, einem Offizier, mit der Pistole bedroht und angetrieben, schlagen sie wieder und wieder zu.

„Sprich, Hündin! Wo ist er hin? Wo steckt dein Kerl? Sprich oder die dreschen dich tot!“

Das Klatschen der Hiebe, das Knacken und Prasseln der Brände, sonst nichts, nicht einmal das Weinen eines Kindes … „Sollen wir erst die anderen umlegen, alle, vor deinen Augen? — Gut, wenn du willst … Wo ist ihr Balg?“

Einer der Bewacher stößt jenes vier- oder fünfjährige Mädchen aus dem Kreis der Gefangenen, stößt es vor, und der Offizier richtet die Pistole auf das Kind, das zu greinen beginnt.

„Sprich endlich! Sprich, oder …“

Den, denkt Malam, den …

Trotzdem hebt er den Arm nicht, bleibt reglos, steht da wie gebannt.

Und hört plötzlich die brüchige Stimme einer alten Frau: „Nicht, Herr, habt Erbarmen, in Maria Namen: Lasst ab von diesem Kind! Chico La ist fort, schon seit Tagen, weit weg, zu einer Versammlung.“

„Ja, aber wo, wo ist ihr Treff? Wo machen sie ihre Versammlung? Wohin ist er gegangen?“

„Das, Herr, weiß niemand von uns.“

„Lüge! Her mit der Alten!“

„Lasst los!“, wehrt die Greisin ab. „Ich geh von allein.“ Sie tritt heraus aus dem Kreis, zwischen das Kind und den Offizier.

Der hebt erneut die Waffe, und wieder erstirbt jeder Laut. Malam glaubt, sogar das Knistern der Flammen zu hören.

„Na, wo steckt euer — Deputierter?“ Der Offizier dehnt das Wort und lacht.

„Ich weiß es nicht“, erklärt die Greisin, „die Muttergottes ist mein Zeuge. Als Chico gegangen ist, hat er zu mir gesagt …“

„Schweig!“, schreit die Frau, die junge, und unverzüglich presst ihr einer der Söldner, die sie noch immer festhalten, den Mund zu.

„Was hat er gesagt, was?“, fragt der Offizier mit sich überschlagender Stimme.

„Dass er selber nicht weiß, wo die Republik gegründet wird, und wann …“

Sie sagt es zögernd, und es dauert, bis der Offizier begreift. Dann fährt er herum, fuchtelt mit der Pistole und schreit: „Ab! Ab mit der da! Und mit ihrem Balg! Wir kriegen’s schon raus; wir haben noch andere Methoden!“

In dieser spannenden Leseprobe aus Johan Nerholz‚ "Nadja Kirchner und die Raben aus der geheimnisvollen Senke" erleben wir mit Nadja ein unheimliches und gefährliches Abenteuer. Mysteriöse Vorgänge ereignen sich, als ein scheinbar führerloser Traktor sie und ihren Begleiter Takesch durch ein Maisfeld jagt. Dieser Abschnitt steckt voller Spannung und unerklärlicher Ereignisse, die Nadjas Mut und Entschlossenheit auf die Probe stellen.

Nadja ging einen Feldweg entlang nach Hause. Sie hatte einen abgelegenen Badesee aufgesucht. Seltsamerweise hatte der Großvater in diesem Sommer nichts dagegen, dass sie alleine baden ging. So hatte sie einen angenehmen Nachmittag mit Takesch und Minra verbracht. Sie lief ohne Begleitung, denn Takesch und Minra waren noch einmal zur Senke unterwegs. Die Maispflanzen überragten das Mädchen inzwischen um einiges. Nicht mehr lange und der Mais wurde abgeerntet. An einer Stelle des Weges bog ein weiterer Feldweg ab. Im Vorbeigehen registrierte das Mädchen, dass dort ein alter, giftgrüner Traktor stand. Er sah wie ein abgestellter Schrotthaufen aus. Nadja wunderte sich, denn sie bemerkte die alte Maschine erst jetzt auf dem Rückweg. Vom Gut konnte der Traktor unmöglich sein. Der Maschinenpark des Grafen war modern. Sie ging weiter und dachte nicht mehr an die Maschine. Dann hörte sie, wie der Motor des Traktors laut tuckernd ansprang.

Sie merkte, dass der Traktor mit einem Knattern losfuhr. Langsam ging sie weiter. Der Traktor kam immer näher. Plötzlich hörte sie hinter sich den Motor laut und knatternd aufheulen. Sie trat beiseite und schaute sich um. Der Traktor kam mit einem Höllenlärm und in enormer Geschwindigkeit auf sie zugerast. Das Mädchen hechtete erschrocken in das Maisfeld. Der Traktor flog an ihr vorbei.

Ihr Herz raste. Langsam erhob sie sich und klopfte den Schmutz von ihrer Kleidung ab. Ihre Badetasche hängte sie sich wieder um. Sie wunderte sich, warum der Traktorist sie nicht gesehen hatte. Dann ging sie wieder auf den Weg zurück. Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag wieder. Plötzlich erstarrte sie. Der Traktor kam wieder zurück. Sie blickte in das Fahrerhaus. Es war leer. Sofort sprang sie wieder in das Feld hinein. Gerade noch rechtzeitig, denn dieses Mal hatte der Traktor sie nur um Millimeter verfehlt. Offensichtlich hatte es das von selbst fahrende Fahrzeug auf sie abgesehen, auch wenn diese Vorstellung ungeheuerlich war.

Panisch sprang das Mädchen aus dem Feld heraus und rannte in Richtung Dorf. Das knatternde Motorengeräusch war wieder hinter ihr. Sie rannte schneller und begann zu schreien. Dann flog von der Seite her etwas auf sie zu und sie landete wieder im Maisfeld. Takesch stand über ihr. Der Traktor war erneut vorbeigeschossen.

„Was ist das?“ Hilfe suchend sah sie den großen über ihr stehenden Hund an.

„Ich weiß es nicht. Wir müssen weiter in das Feld.“ Takesch ging vorneweg und Nadja folgte. Takesch blieb auf einmal stehen. Der Traktor war wieder da und stand an der Stelle, an der Takesch das Mädchen in das Feld gestoßen hatte. Dann hörten sie, wie der Traktor in das Maisfeld fuhr. Takesch bog mit Nadja nach rechts ab. Dann duckten sie sich.

„Runter, das Ding kann uns sehen!“, zischte er. In drei Meter Entfernung fuhr der Traktor langsam an ihnen vorbei. Dann blieb er stehen. Der Motor tuckerte langsam, dann knatterte er zweimal auf.

„Schnell weg von hier! Das verdammte Ding weiß, wo wir stecken!“ Takesch machte einen Satz nach links und Nadja lief hinterher. Einen Moment später raste das Fahrzeug an der Stelle vorbei, an der sie eben noch in Deckung gehockt hatten. Dann tourte der Motor wieder ab. Der Traktor stand etwa fünfzig Meter entfernt im Feld. Der Motor tuckerte langsam vor sich hin.

„Wieso werden wir diese alte Mistkarre nicht los?“ Nadja keuchte. Der Motor des Traktors knatterte wieder los.

„Sei still! Das Schrottding kann uns offensichtlich auch hören.“ Wie zur Bestätigung heulte der Motor noch einmal auf und der Traktor fuhr rückwärts auf sie zu. Nadja duckte sich und das Monsterding jagte in fünf Meter Abstand durch den Mais wieder an ihnen vorbei. Dabei nutzte das Gefährt die Schneise im Mais, die es selbst geschlagen hatte. Dann blieb der Traktor wieder stehen. Der Motor ging aus. Nadja erhob sich. Dabei raschelten die Maispflanzen. Der Motor sprang daraufhin wieder an und knatterte erneut los. Nadja spürte, wie der Traktor direkt auf sie zukam. Im nächsten Moment hatte sich Takesch auf sie geworfen. Liegend sah sie das motorisierte Monstrum dicht an sich vorbeiknattern.

Takesch lief wieder los und Nadja hinterher. Dann waren sie wieder auf dem Feldweg.

„Wir dürfen keinen Lärm machen“, zischte Takesch. Sie hörten es wieder im Maisfeld knattern.

„Er kommt zurück auf den Weg. Wir müssen wieder in das Feld. Dieses Mal auf die andere Seite.“ Takesch und Nadja waren sofort wieder verschwunden. Wenige Meter vom Wegesrand legten sich Takesch und Nadja nieder. Ängstlich horchte das Mädchen auf das Motorengeräusch. Dann war es wieder ruhig. Sie hörten ein Auto kommen. Wenige Augenblicke später war es vorbeigefahren und der Traktor sprang wieder mit großem Lärm an.

„Bloß weg von hier!“ Takesch flüsterte nur und ging mit ihr weiter in das Maisfeld hinein. Als sie eine Weile durch das Feld geschlichen waren, entspannte sich Takesch.

„Jetzt sind wir im Vorwarnbereich des Sees angekommen. Wenn er jetzt auf uns zurast, kommt sofort Hilfe.“ Da hörte Nadja es in einiger Entfernung hinter sich wieder laut aufheulen. Das Fahrzeug raste wieder hinter ihnen her. Aber dann wurde es über ihnen dunkel. Unzählige Raben kreisten am Himmel.

„Geht weiter. Wir kümmern uns darum.“ Rontur hatte das gerufen. Dann hörte Nadja erneut das schneller werdende knatternde Geräusch und anschließend ging der Motor aus.

In dieser fesselnden Leseprobe aus Hardy Mantheys "Vom 22. Jahrhundert zurück in das antike Karthago" erlebt Aphrodite, die Protagonistin, dramatische und erschütternde Ereignisse. Konfrontiert mit den brutalen Realitäten eines Nomadenlebens und einer fremden Kultur, muss sie sich sowohl physischen als auch emotionalen Herausforderungen stellen, die ihre Anpassungsfähigkeit und ihren Überlebenswillen auf die Probe stellen.

Der Überfall

Die letzten Tage waren für Aphrodite sehr anstrengend und aufregend zugleich. Nur langsam gewöhnt sie sich an das belastende Nomadenleben. Ihre Powerspritzen gehen bald zur Neige. Wie sie dann das Laufen über viele Stunden durchhalten soll, weiß sie noch nicht. Nur wenn Frauen krank oder hochschwanger sind, dürfen sie auch auf ein Lasttier. Die Männer, nein die Krieger, schauen sie geringschätzig von oben herab, auf ihren Pferden reitend, wie eine Exotin an. Alle sind sie gekommen und haben ihr blondes Haar bewundert. Sie, die Frau, haben sie dabei aber nicht beachtet. sie ist für sie eben nur eine Frau. Dabei behandeln die Männer sie, wie sie beobachtet hat, wie eine Ware. Warum die anfängliche Begeisterung für sie so negativ umgeschlagen ist, weiß sie. Sie fügt sich nicht in ihr Männerbild.

Dem Jungen dagegen geht es jetzt prächtig. Gestern hat sie die letzten Fäden bei ihm gezogen. Stolz zeigt der junge Mann allen seine kleine Narbe. Die Narbe, das unbekannte Ding, wird wie ein Wunder bestaunt. Auf Grund des Erfolgs wurde sie lange mit viel Nachsicht behandelt. Aphrodite bemüht sich sehr, immer besser in die Rolle einer Nomadin zu schlüpfen, leider nur mit mäßigem Erfolg. Am mitleidigen Lächeln der Frauen merkt sie, dass ihr das nicht recht gelingen will. Bei allem ist sie zu langsam, zu ungeschickt. Aber aufgeben will sie dennoch nicht. Die Frauen fragen sie verwundert, warum sie denn nichts über den Haushalt gelernt hat. Etwas verlegen erklärt sie dann, dass dort, wo sie früher gelebt hat, solche Arbeiten unbekannt sind. Ein Feuer nach eurer Art zünden, kann dort niemand mehr. Niemand muss mühsam für Nahrung sorgen.

Die Frauen erwiderten ungläubig: "Das kann nur das Paradies sein."

Seit ihren Erfolgen als Heilerin besucht sie Mehmet öfter. So zumindest ging es bis vor zwei Tagen. Mehmet kam täglich mehrmals für einige Minuten zu ihr. Er nutzte die Zeit und berichtete munter von seinen früheren Abenteuern in der Ferne. Er will sie sicher beeindrucken. So erzählt er aus der Zeit, die er in Karthago verbracht hat. Er berichtet von schier unüberwindlichen Mauern, himmelhohen Türmen und riesigen goldenen Göttern, die in ihren Tempeln über diese prächtige Stadt wachen. Seine Schilderungen berichten von vielen Wundern. Aber sie erinnert sich an die Bilder des Professors, die Karthago vor der Zerstörung durch die Römer zeigten. Die Mauern waren dort kaum höher als zwölf, im höchsten Fall zwanzig Meter hoch. Die Türme ragten nur wenige Meter darüber. Nur die Hafenanlage war wirklich beeindruckend. Aber eine gewisse Neugier auf diese Stadt kann sie nicht leugnen. Lächelnd hört sie seinen Erzählungen zu. Oft geht er nur kurz ein Stück des Weges mit ihr zusammen. Sicher ist es ihm peinlich, neben einer Frau zu gehen. Aber seine Blicke und wie er etwas zu ihr sagt, lassen sie ahnen, dass er bald mehr als nur ein Lächeln von ihr erwartet. Auch die kleinen Aufmerksamkeiten sind ein untrügliches Zeichen dafür. Mal hat er ihr eine Handvoll Datteln geschenkt, mal reicht er ihr das Wasser. Auch die Andeutungen und Wortspiele der Frauen haben es in den letzten Tagen nicht an Deutlichkeit mangeln lassen. Bald wird Mehmet ihr die Frage aller Fragen stellen. Was wird sie ihm dann sagen? Verunsichert wollte sie mit Kasana vor drei Tagen in Andeutungen darüber sprechen. Kasana wurde sofort direkter und fragte, wann sie ihn denn heiraten wolle. Nein, es ging ihr nicht um das Ob, sondern um das Wann. Das war für sie ein Überfall. Sie war geschockt und sagte ganz aus dem Bauchgefühl heraus: "Natürlich nicht." Die Frau war entsetzt. Auf ihre vorsichtige Frage, was bei einem Nein geschähe, reagierte die Frau sehr aggressiv. Ihr Blick wirkte wie tödliche Pfeile auf sie. Eine bisher unbekannte feindliche Haltung bekam sie zu spüren. Statt einer Antwort fragte die Frau in sehr rauem Ton: "Bleibst du bei deinem Nein?"

Aphrodite hat damals einfach nur geschwiegen. Die Frau schien aber auf eine Antwort zu warten.

Nach Minuten gemeinsamen Schweigens sagte Kasana dann bedrohlich: "Also nein. Nur weil du dem Jungen das Leben gerettet hast, wird dich Mehmet für diese Schande nicht töten. Das Recht, dich zu töten, hätte er dazu. Aber der Fürst wird einen Wettkampf ausrichten lassen. Der Sieger wird dich dann zur Frau nehmen. Das ist für dich noch ein echter Glücksfall."

Auf Aphrodites erschrockenen und ablehnenden Blick spricht sie mit einem zynischen Bedauern weiter: "Lehnst du den Sieger ab, dann hast du unsere Gesetze endgültig verletzt, nein, mit den Füßen getreten. Verweigert der Fürst dir dann seinen persönlichen Schutz, kann jeder mit dir machen, was er will. Die Männer werden dich benutzen und die Frauen spucken auf dich und werfen mit Steinen nach dir. Mit etwas Glück wirst du vielleicht auch die Sklavin des Stammesfürsten und wirst nicht sterben. Denn er allein darf Sklaven haben und besitzen. Keine Frau der Welt darf einen Mann ungestraft beleidigen."

Aphtodite ist geschockt von der offenen Drohung der Frau und bleibt fassungslos stehen. Sie glaubt nicht an die Drohung und die Gefahr. Sie denkt, so schlimm kann es schon nicht werden. Beim nächsten Treffen mit Mehmet will sie mit ihm darüber offen sprechen. Eine Lösung wird es für alles geben. Doch von Mehmet hat sie seitdem nichts gesehen und auch nichts gehört. Das geht jetzt schon zwei Tage lang so. Entsetzt von solchen schrecklichen Aussichten denkt sie schon an Flucht. Zum Kurier oder gar zum Igel würde sie alleine aber nie wieder finden. Der Tod auf dem Weg dorthin wäre ihr sicher. Menschliche Siedlungen hat sie bisher auch noch nicht gesehen.

"Ich bin ja so blöd", beschimpft sie sich selber. "Warum bin ich nicht bis zum Meer gefahren und habe Kontakt zu den Griechen oder Römern gesucht?" So in Gedanken geht sie etwas abseits von den Frauen. Die schwatzhafte Kasana hat sicher den anderen Frauen ihre ablehnende Haltung zu Mehmet sofort verraten. So freundlich sind die Frauen seitdem nicht mehr zu ihr. Was heißt freundlich? Sie wird von den Weibern angefeindet. Niemand bringt ihr jetzt etwas zu essen. Alles muss sie sich nun erkämpfen. Es sind ohnehin nur klägliche Reste. Nur ihre geheimen Reserven verhindern, dass sie nicht hungern muss. Aphrodite wird aus ihren Gedanken gerissen, als ein junges Mädchen auf sie zukommt.

Das junge Mädchen fragt im spöttischen Ton: "Warum willst du Mehmet nicht heiraten, du hast doch seine Geschenke angenommen? Überlässt du mir jetzt Mehmet?"

Aphrodite erwidert vorsichtig: "Wer behauptet denn, dass ich Mehmet nicht heiraten will?"

"Alle Frauen behaupten das. Du bist zu Mehmet so abweisend wie das Wasser zum Feuer und hast ihm falsche Hoffnungen gemacht. Du sprichst mit gespaltener Zunge, wie eine Schlange. Wir verachten dich," spottet das Mädchen und geht lachend. Das Mädchen hatte gehört, was es hören wollte und verschwand wieder zwischen den anderen Frauen. Nur Gelächter hört sie noch.

Ganz wohl ist Aphrodite bei den Worten des Mädchens nicht, denn die Gefahr, im Stammesverband isoliert zu sein, ist greifbar. Oder doch nicht? Nur eines ist für sie jetzt klar: Sie kann mit den Werten des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts hier nicht weiterleben. Aber ist es für sie nicht schon längst zu spät? Seit zwei Tagen hat Mehmet sich nicht mehr bei ihr blicken lassen. Die anderen Frauen haben ihn sicher ihre ablehnende Haltung wissen lassen. "Ist jetzt noch etwas zu retten?", fragt sie sich besorgt. Vergebens sucht sie Mehmet bei den Männern zu entdecken. Es ist, als ob er sich jetzt vor ihr verstecken wollte. Doch dann taucht er gut zehn Meter vor ihr kurz auf. Freundlich lächelt sie jetzt zu ihm herüber. Doch er schaut durch sie hindurch, als wäre sie Luft. Sein Gesicht wirkt hart wie aus Stein.

Ist die Entscheidung längst gefallen? Wurde das Urteil über sie längst gesprochen worden? Panik kommt in ihr auf. Was soll sie nur machen?

Mit dem Mut der Verzweiflung kämpft sie sich jetzt zu Kasana durch und fragt sie laut, dass alle Frauen es hören können: "Ist das Urteil über mich schon gefällt? Wie konntest du nur so hinterhältig sein und meine vertraulichen Gedanken sofort allen kundtun? Habe ich nicht das Recht, einen Mann abzuweisen?"

Kasana baut sich mit verschränkten Armen vor ihr auf und giftet: "Ich bin zu dir als deine Freundin gekommen. Ich wollte dir nur helfen, das festzumachen, was ihr beide scheinbar stillschweigend längst vereinbart habt. So hatten wir es zumindest alle geglaubt. Natürlich hast du das Recht, einen Mann abzuweisen. Doch dann hättest du nicht seine Geschenke annehmen dürfen. Er musste, nein, er war sich deiner Liebe sicher, als du die Geschenke angenommen hast. Als du das tägliche Gespräch mit ihm genossen hast, war von Ablehnung nichts zu spüren. Du hast ihn schwer verletzt. Er hat sich deinetwegen vor den Männern lächerlich gemacht. Ich bin damals zu dir gekommen, um alles für eure Hochzeit vorzubereiten. Stattdessen hörte ich deine offene Ablehnung. Dabei habe ich dich sogar zweimal gefragt. Du hast beharrlich geschwiegen. Aus meiner Sicht hast du viel zu lange geschwiegen. Es war auch ein Schlag in mein Gesicht. Du hast uns alle beleidigt und zutiefst verletzt. Was für ein falsches Spiel treibst du nur mit uns allen?"

"Ich kann nicht glauben, was ich von dir höre. Was erwartet mich nun? Kann ich noch auf Mehmet hoffen?", fragt Aphrodite die Frau unsicher. Doch Aphrodite scheint es ins Gesicht geschrieben, dass sie diesen Mann in Wirklichkeit nicht will.

Kasana erklärt bitter lächelnd mit zynischem Unterton: "Mehmet wird dich nicht heiraten. Dafür ist es längst zu spät. Deine Worte haben ihn zu sehr verletzt. Denn ich sollte vor drei Tagen deine Hochzeit mit ihm für euch vorbereiten. Dein Nein hat alles zunichte gemacht. Für immer. Er selbst wollte dich sofort töten. Doch der Rat der Alten wird heute über dich Recht sprechen. Heute wirst du deine gerechte Strafe erhalten. Kein Mann will dich mehr haben!"

Geschockt lässt sie sich zurückfallen. Weitere Fragen braucht sie der Frau nicht zu stellen. Wenn sie ihr Nein vor drei Tagen sofort revidiert hätte, wäre noch alles gut gegangen. Jetzt ist nichts mehr zu retten. Voller Selbstzweifel geht sie alleine am Ende der Karawane weiter. Würde sie sich jetzt zurückfallen lassen, keiner würde ihr mehr helfen. Ist sie längst ausgestoßen? Voller Ängste folgt sie der Karawane weiter.

*

Die Mittagssonne brennt unbarmherzig, als die Tiere unruhig werden. Kommt ein Sandsturm auf? Nein, am östlichen Horizont wird zwar eine kleine Staubwolke sichtbar, aber was ist das?

Plötzlich Schreie, Kommandos, wild herumlaufende Menschen.

Sie hört ausgerechnet Mehmet laut rufen: "Räuber! Banditen! Sklavenjäger!"

Die schwarze Wolke kommt immer näher. Bald erkennt man viele Pferde, die Reiter mit blinkenden Helmen, Schwertern und Lanzen tragen.

Dicht gedrängt zu einem Kreis aufgestellt, werden die Reiter von den Beduinen erwartet. Nur zögernd darf sie auch in die Mitte zu den Frauen. Von allen wird sie wie eine Aussätzige behandelt.

Im Gegensatz zu den Frauen um sie herum blickt sie hoch und beobachtet die fremden Reiter aufgeregt. Ohne auch nur innezuhalten, stürmen die Reiter auf die Nomaden zu. Erste Pfeile lassen Getroffene zu Boden sinken. Die Übermacht der Angreifer ist gewaltig. Die meisten Männer, die sich der Horde entgegengestellt haben, sind längst tot. Es gibt keine Verteidigung mehr.

Entsetzt sucht Aphrodite jetzt zwischen den toten Tieren, tief am Boden liegend, verzweifelt Schutz. Dann geht plötzlich alles ganz schnell. Ein entsetzliches Gemetzel beginnt. Was sich jetzt vor ihren Augen abspielt, kann einfach keine Realität sein. Ihr Verstand weigert sich, den Augen zu glauben. Ein Abschlachten von alten Männern, Frauen und Kindern beginnt um sie herum. In panischer Angst versteckt sich Aphrodite noch tiefer in den wirr umherliegenden Gepäcksachen eines toten Kamels. Als sie von einem Mann entdeckt wird, suchte sie ihr Heil in der Flucht. Sie springt auf und rennt um ihr Leben. Doch ein heftiger Schmerz am Kopf bringt sie zu Fall und ein zweiter Schlag lässt sie bewusstlos werden.

*

Als sie wieder zu sich kommt, zerrt einer der bewaffneten Männer an ihren Sachen herum. Sie merkt, dass sie kaum noch Kleidung trägt. Neben ihr beginnt eine der Frauen des Stammesfürsten verzweifelt zu schreien. Einer der schwarzen Männer vergeht sich gerade brutal an der jungen Frau. Das gleiche Schicksal wird sie jetzt erwarten. Ein Mann zerrt sie an den Haaren vom toten Kamel weg. Er schleift sie an den Haaren über tote Kinder und Frauen. Die letzten Fetzen Stoff am Leib werden ihr heruntergerissen. Während der Mann sich brutal an ihr vergeht, muss sie zusehen, wie dem Jungen, ihrem kaum geheilten Jungen, einfach die Kehle durchgeschnitten wird. Seine starren, weit aufgerissenen Augen blicken sie während der Vergewaltigung unentwegt an. Der Anblick des toten Jungen hypnotisiert sie und lässt sie nur im Hintergrund spüren, dass sie vergewaltigt wird.

So sieht also die Hölle aus. So sieht die ewige Verdammnis aus, denkt Aphrodite. Der brutale Griff des Mannes und die Schmerzen im Unterleib werden jetzt unerträglich. Sie erwacht aus ihrer Starre. Wut und Verzweiflung kommen in ihr auf und mit allen Kräften wehrt sie sich jetzt gegen die brutale Vergewaltigung. Ein weiterer heftiger Schlag mit der blanken Faust des Mannes auf ihren Hinterkopf lässt sie erneut das Bewusstsein verlieren.

*

Als sie wieder aus der Ohnmacht erwacht, scheint alles um sie herum in Bewegung. Wahnsinnige Schmerzen im Kopf und vor allem im Unterleib quälen sie. Sie sieht alles nur durch einen Schleier aus Tränen und Blut. Das Blut einer heftig schmerzenden Wunde am Kopf macht aus ihrem Gesicht und aus dem Haar eine klebrige Masse. Sie spürt, dass sie an Händen und Füßen gefesselt auf einem Pferd liegt. Sie ist beinahe nackt. Mit kehligen Lauten versucht sie, aus Verzweiflung und Schmerz um Hilfe zu schreien. Sie wird an den Haaren hochgezogen und verschwommen sieht sie einem grinsenden, bärtigen Mann ins Gesicht. Nur kurz, dann wird ihr vom Reiter ein Knebel aus blutigen Lumpen in den Mund gesteckt. Sie ringt nach Luft, alles dreht sich vor Ihr, sie verliert wieder ihr Bewusstsein.

In dieser intensiven Leseprobe aus Hardy Mantheys "Rückkehr in das 23. Jahrhundert" erlebt Susan eine Situation voller Gefahr und Verzweiflung. Konfrontiert mit bedrohlichen Entführern, muss sie sich auf ihren Witz und ihre Entschlossenheit verlassen, um einer drohenden Gewalttat zu entkommen. Ihre verzweifelte Flucht verdeutlicht die Spannung und das Tempo dieser Geschichte, die sich um Themen von Überleben und Widerstand dreht.

„Ich will nicht weiter wissen, was ihr alles mit mir vorhabt. Ich muss auf Toilette. Bitte, das ist dringend“, fleht Susan die Frau an und quetscht sich auch eine kleine Träne ab. Bis der Boss da ist, muss sie weg sein.

Ein Mann betritt das Zimmer und hält eine langläufige Pistole in der Hand. Im ersten Moment ist Susan zu Tode erschrocken. Ist das der Boss? Ist er schon da? Geht jetzt schon ihr Martyrium los?

Die Frau fragt den Mann: „Marco, was soll ich tun, sie muss dringend auf Toilette?“

„Schieb ihr das Kleid hoch und zieh ihr das Höschen aus. Lass sie in einen Topf pinkeln. Ich schau ihr dabei zu und hoffe, dass ich dabei in die passende Stimmung komme“, schlägt der Mann breit grinsend vor und greift sich schon in den Schritt.

Die Frau schüttelt verständnislos den Kopf und erklärt: „Das funktioniert nicht so einfach bei uns Frauen, Marco. Sie muss sich schon hinhocken dürfen, um ihre Blase zu entspannen. Anders läuft es bei uns gar nicht.“

„Ihr Weiber seid echt kompliziert. Binde das Weib los und lass sie aufs Klo, aber lass sie nicht aus den Augen“, schlägt der Mann sichtlich genervt vor.

Die Frau bindet sie los. Susan steht auf und tut nur kurz so, als ob sie der Frau in Richtung Klo folgen wolle. Sie ist längst bereit für den Sprung durch das offene Fenster. Viel Zeit für die Flucht bleibt ihr nicht mehr. Doch um keinen Preis will sie noch einmal durch die Hölle gehen. Folter und Vergewaltigung will sie nie mehr erleben.

Der Mann ruft ihnen hinterher: „Halt, sie soll hier gleich ihr Höschen ausziehen. Ich will daran riechen und sie dann schon mal für den Boss zu Probe vorficken. Er hat es immer gerne, vorgebohrte Löcher zu ficken.“

„Okay“, sagt Susan und dreht sich zu dem Mann um. Sie greift unter ihr kurzes Kleid und zieht sich das Höschen aus. Für die Chance auf eine Flucht hätte sie sich sogar auf seinen Wunsch hin nackt ausgezogen. Das weit offene Fenster ist nur ein paar Schritte entfernt. Mit einem Lächeln wirft sie ihm den Slip zu.

Der Mann fängt den Slip lässig mit der freien Hand auf. Er legt die langläufige Pistole auf das Bett und hält sich mit beiden Händen das Höschen an die Nase. Hörbar atmet er tief durch und sagt: „Geile Fotze. Die Hure will mich und kann es kaum noch erwarten.“

Susan nutzt die Gunst des Momentes, greift im Vorbeilaufen ihre Handtasche, tritt ihm mit dem rechten Fuß mit aller Kraft zwischen die Beine und springt auf gut Glück aus dem offenen Fenster. Ihr Flug endet auf einem Berg prallvoller schwarzer Müllsäcke. Unten angekommen wird ihr klar, dass sie leichtfertig ihr Leben aufs Spiel gesetzt hat. Sie ist aus dem dritten Stock gesprungen. Ohne diese prallvollen Müllsäcke wäre sie jetzt tot. Doch viel Zeit für den Dank an die Götter für diese wundersame Rettung vor dem sicheren Tod bleibt ihr nicht. Oben schreit der Mann vor Schmerzen. Doch leider war der Tritt nicht hart genug, denn von oben schießt er auf sie, um doch noch ihren Tod zu erzwingend. Die Schüsse verfehlen zum Glück ihr Ziel. Barfuß flüchtet sie über den Innenhof durch den Hofgang auf die Straße. Schüsse hallen und plötzlich spürt sie einen brennenden Schmerz in der rechten Schulter.

In dieser packenden Leseprobe aus Ulrich Hinse’s "Die Extremen. Ein Staatsschutzroman aus Mecklenburg-Vorpommern " werden die Protagonisten mit einer erschreckenden neuen Realität konfrontiert. Gefangen und hilflos müssen sie sich den brutalen Bedingungen eines Arbeitslagers unterordnen, in dem sie zur Zwangsarbeit gezwungen werden. Diese Szene illustriert eindrucksvoll das bedrückende und hoffnungslose Szenario, in dem sich die Charaktere wiederfinden.

Sie hatten sich in ihr Schicksal ergeben. An Flucht war nicht zu denken. Sie wussten nicht einmal, wo sie sich befanden. Das Zeitgefühl ging ihnen verloren. Jeweils in der Nacht durften sie an der frischen Luft die Füße vertreten. Auch bei dieser Gelegenheit war eine Flucht unmöglich. Der LKW stand immer in einem geschlossenen Hinterhof ohne Licht, der von hohen Mauern begrenzt war. Bei diesen Aufenthalten wurde der LKW stets aufgetankt. Außer dem Mann, der Igor genannt wurde, was sie am Strand gehört hatten, sahen sie niemanden. Die Fahrt dauerte einige Tage. Endlich schienen sie am Ziel zu sein.

Sie wurden gemeinsam aus dem LKW gelassen, der vor einer Holzbaracke in einem weitläufigen Bergwerksgelände stand. Hinter der Baracke verhinderten hohe Palisadenwände den Einblick in ein gesondertes Areal. Ein Wachturm war nicht zu erkennen.

„Wir sind in einem Arbeitslager", stellte Dolph fest, nachdem er sich vorsichtig umgeblickt hatte. Er war bleich geworden.

„In einem Salzbergwerk, wenn ich mir die weißen Halden da hinten ansehe. Vermutlich im Süden Russlands oder in Kasachstan, sonst wäre es nicht so warm", widersprach Timo und ergänzte, nachdem er sich weiter umgesehen hatte, „das Bergwerk war aber längere Zeit nicht in Betrieb. Es sieht ziemlich verlassen aus. Auch die Bahngleise da vorne sehen nicht so aus, als ob ständig Züge fahren."

„Das sieht wirklich nur verlassen aus, ist es aber nicht", meldete sich nach einiger Zeit Wolf zu Wort, „die Gebäude sind zwar verfallen, aber es wird gearbeitet. Die Förderanlage ist in Betrieb. In den Werkshallen stehen Militär-LKW. Und ich habe auch einige Posten mit Gewehren gesehen."

Axel bestätigte seine Beobachtungen.

Jenny begann zu weinen. Bevor Timo sie trösten konnte, hatte Boomer sie schon in den Arm genommen. Die anderen sahen sich neugierig um. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, denn in diesem Moment kam Igor aus der Baracke.

„Kommen. Schnell, schnell", befahl er. Die Gruppe um Timo setzte sich wie in Trance in Bewegung. Hinter ihnen wurde die Tür abgeschlossen. Durch einen schmalen, muffig riechenden Flur mit mehreren Türen links und rechts, wurden sie von Igor in einen größeren Raum geführt; eine Art Büro. Sie mussten sich nebeneinander mit dem Rücken zur Wand aufstellen. Hinter Igor hatten sich noch drei kräftige Männer in uniformähnlicher Kleidung hereingedrängt, die Deutschen nicht eine Sekunde aus den Augen lassend.

Das einzige Möbelstück in dem schmucklosen Büroraum war ein alter Holzschreibtisch, hinter dem ein kahlköpfiger Mann saß. Neben ihm stand eine grimmig aussehende Mittvierzigerin, die ihr glattes schwarzes Haar streng nach hinten gekämmt und in einem Knoten zusammengesteckt hatte. Typ Gouvernante, dachte Timo, als er die Szene betrachtete.

Der Kahlköpfige sah die Gruppe mehrere Minuten schweigend an, wobei er jeden einzelnen fixierte. Auf Jenny blieb sein Blick länger haften als auf den Männern. Es war klar, er taxierte sie, wobei sein Gesicht keine Regung erkennen ließ. Timo und die anderen fühlten sich bei dieser Musterung unbehaglich. Sie verhieß nichts Gutes. Endlich brach der Kahlkopf das Schweigen. In russischer Sprache, die keiner von ihnen verstand, hielt er einen Vortrag. Als er geendet hatte, übersetzte die „Gouvernante" in fließendem Deutsch.

„Das ist der Chef", sagte sie, wobei sie mit einer Handbewegung auf den Kahlkopf wies, der behutsam eine Zigarette aus einer Packung fischte, sie umständlich entzündete und gelangweilt dem blauen Rauch nachsah. „Und er hat euch hier im Bergwerk begrüßt. Ihr werdet hier für ihn arbeiten. Die Männer in den Stollen; das Mädchen in der Küche, in der Wäscherei oder in der Krankenstation. Ihr werdet in einer geschlossenen Baracke schlafen. Gemeinsam als Gruppe morgens in die Stollen einfahren, arbeiten und dann wieder heraufkommen. So lange, bis es keine Arbeit mehr gibt. Wer fleißig arbeitet, bekommt zu essen. Wer nicht arbeitet, bekommt nichts zu essen. Wer krank wird, muss zum Arzt. Wer so krank ist, dass er nicht mehr arbeiten kann, kommt auf die Krankenstation. Flucht ist sinnlos. Das Bergwerk ist Sperrgebiet. Mit euch werden Gefangene aus russischen Straflagern arbeiten. In eigenen Gruppen. Mit ihnen habt ihr nichts zu tun. Haltet euch von ihnen fern. Die haben sich übrigens alle freiwillig gemeldet, weil sie den Straflagern entgehen wollen. Da sind die Verhältnisse noch schlechter als hier. Merkt euch das. Eure Arbeit besteht darin, Maschinenteile und Fässer in dem Salzstollen zu stapeln. Euer Vorarbeiter ist Iwan. Seinen Befehlen habt ihr zu gehorchen."

Als wenn er auf das Stichwort gewartet hätte, trat in diesem Moment ein breitschultriger, brutal aussehender stoppelhaariger Mann in den Raum, der sich devot vor dem Chef verneigte.

„Iwan der Schreckliche", murmelte fast unhörbar Dolph. Aber Iwan hatte es dennoch gehört. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte er Dolph. Sein Gesicht verzog sich zu einem hässlichen Grinsen. Die „Gouvernante" fuhr ohne Gemütsregung fort:

„Er spricht kein Deutsch, aber der Chef ist sicher, dass ihr Iwan in kürzester Zeit verstehen werdet. Er hat seine eigene Art, sich verständlich zu machen. Iwan wird euch jetzt mitnehmen. Euch werden die Haare geschnitten. Danach bekommt ihr eine einheitliche Kleidung. Morgen früh fängt für euch die Arbeit an. Dann kommt ein Transport, der ausgeladen werden muss. Wenn ihr Beschwerden habt, fragt nach Svetlana. Das bin ich. Ich werde alles regeln, wenn der Chef nicht hier ist. Und er ist kaum hier. Das Mädchen geht gleich mit mir, die anderen mit Iwan."

Und was meinen Sie zu der Geschichte von Aphrodite, der Zeitreisenden, die Hardy Manthey aufgeschrieben hat. Nach eigener Darstellung scheint er ihr sogar persönlich begegnet zu sein – in seinem Traumland:

„Nach der Wiedervereinigung stand mir nun endlich die ganze Welt offen“, schrieb der in Sternberg in Mecklenburg geborene Autor, der sich schon von früher Jugend an für Geschichte interessierte. „Meine Reisen folgten natürlich den Pfaden der Weltgeschichte. Die Erholung kam dabei aber auch nicht zu kurz. So war Kreta mit dem Palast von Kossos ein Muss. Aber auch die westliche Türkei mit den antiken griechischen Städten, wie zum Beispiel Pergamon, gehörte zu meinen vielen Zielen. Nach einem Urlaub in Tunesien folgte dann endlich mein Traumland Ägypten. Ägypten war mir dann auch gleich eine zweite Reise zu den Pyramiden wert. Dort an den Pyramiden wurde ich von der Geschichte der „Zeitreisenden“ heimgesucht. Zurück in der Heimat war es von nun an meine Bestimmung, ihre Geschichte niederzuschreiben. Eine schöne Aufgabe, die mich bis zum heutigen Tag fesselt.“ Und wie hat es Ihnen gefallen? Haben Sie die zwei, im heutigen Newsletter angebotenen, Teile auch gefesselt? Was würden Sie dem Autor sagen?

Besonders zu empfehlen ist heute aber auch die Geschichte, in der sich Dietmar Beetz mit dem kolonialen Erbe Europas auseinandersetzt. Viele aktuelle Konflikte haben dort ihren Ursprung.

Bleiben Sie ansonsten auch im dritten Monat des neuen Jahres vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Das neue Bücher-Paket ist schon gepackt.

Im letzten Februar-Newsletter wartet wieder einmal ein Auftritt des Berliner Frisörmeisters Kleinekorte auf die geneigte Leserschaft. Wie immer bei ihm beginnt auch der Band „Herrensalon W. Kleinekorte“ von C. U. Wiesner mit den beiden berühmten Eingangssätzen „Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt?“ Und dann legt er los, der Kleinekorte. Für den es laut Autor ein reales Vorbild gab. Aber dazu nächste Woche vielleicht mehr.

Über die EDITION digital Pekrul & Sohn GbR

EDITION digital war vor 29 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Der Verlag gibt Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) sowie Kinderbücher als barrierefreie E-Book heraus, einige auch als Hörbuch. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.300 Titel. Die Printsparte des Verlages war Ende vergangenen Jahres von Ralf Jordan vom Geschichtlichen Büchertisch als Imprint übernommen worden.
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