Andrea Genest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück: „Bathseva wird uns fehlen! Sie war eine kluge und einfühlsame Person, die viele Kolleginnen und Kollegen wie auch Teilnehmende in den Zeitzeugengesprächen und gemeinsamen Seminaren tief beeindruckt hat. Durch sie fühlten sich viele motiviert, sich intensiver mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Wir sprechen viel über Batsheva, denn sie hatte viele Freundinnen und Freunde in Deutschland gefunden.“
Die 1925 als Isabella Rubinstein in Łódź geborene Batsheva Dagan floh nach dem deutschen Überfall auf Polen mit ihren Eltern und zweien ihrer acht Geschwister nach Radom, wo die Nationalsozialisten 1941 ein Ghetto einrichteten. Sie schloss sich der illegalen Jugendbewegung „Hashomer Hazaír“ an und unternahm Botengänge in das Warschauer Getto, wo sie mit den Führern des dortigen Widerstands zusammentraf. Als ihre Eltern und eine Schwester bei der Auflösung des Ghettos 1942 nach Treblinka deportiert und ermordet wurden, konnte sie mit gefälschten „arischen“ Papieren nach Deutschland gelangen, wo sie als zwangsverpflichtetes Dienstmädchen in Schwerin arbeiten musste. Infolge einer Denunziation wurde sie als Jüdin enttarnt und über verschiedene Haftstationen im Mai 1943 in das KZ Auschwitz-Birkenau verschleppt. Bei der Auflösung des Lagers gelangte sie im Januar 1945 in das KZ Ravensbrück und anschließend in das Außenlager Malchow. Am 2. Mai 1945 erlebte sie in Lübz ihre Befreiung durch britische Soldaten.
Batsheva Dagan ging zunächst nach Belgien und anschließend in das damalige Palästina, wo sie 1946 Paul Kornzweiz heiratete. Das Paar nahm den Namen Dagan an, das hebräische Wort für Weizen. Nach dem frühen Tod ihres Mannes, mit dem sie zwei Söhne bekam, arbeitete sie als Kindergärtnerin und studierte Psychologie. Sie wurde Kinderpsychologin und schrieb wegweisende Bücher zur Vermittlung der Geschichte des Holocaust an Kinder. Sie begleitete Jugendgruppen bei Gedenkstättenbesuchen und bildete zu diesem Thema Lehrer und Psychologen weiter. Als Gastdozentin war sie in den USA, Europa und vor allem in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem tätig. Viele Jahre begleitete sie die alljährlich in der Gedenkstätte Ravensbrück stattfindende Jugendbegegnung der Landtagspräsidenten aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie das „Ravensbrücker Generationenforum“ als Zeitzeugin.
Als sie wenige Wochen nach der Eröffnung der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in den ehemaligen Wohnhäusern der SS-Aufseherinnen im Juni 2002 die Gedenkstätte Ravensbrück besuchte, schrieb sie in einem an ihre ehemaligen Peinigerinnen gerichteten Brief: „Omnipotente Aufseherinnen! Heute wie damals seid ihr verabscheut, weil ihr die Menschlichkeit verloren habt. Gibt es denn Rache für eure Taten? Ja, meine Rache ist die – ich lebe gegen euer Verdikt! Ich lebe und dies in meinem eigenen Land! Als Zeitzeugin enthülle ich euer schreckliches Geheimnis, damit dies nie wieder geschieht!“
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