Wie ist aktuell der Zustand der Bodenfeuchte in Deutschland?
Der UFZ-Dürremonitor zeigt aktuell, dass es im Oberboden, also in den obersten 25 Zentimetern, derzeit keine Dürre in Deutschland gibt. In Niedersachsen sind beispielsweise die Böden bis in eine Tiefe von 60 Zentimeter nass und vielerorts so hoch mit Wasser gesättigt, dass Niederschläge in den nächsten Tagen zu großen Teilen oberflächlich, das heißt schnell und direkt in die angrenzenden Gräben und Flüsse abfließen werden.
Bundesweit gibt es derzeit nur noch vereinzelte Bereiche mit Trockenheit im Gesamtboden (bis 1,80 Meter Tiefe), dazu zählen insbesondere kleine Areale im Osten Deutschlands, die aufgrund von starken, bodenartbedingten Wasserstaueffekten erklärt werden können. Vorbei ist die Dürre im Gesamtboden zum Beispiel in Niedersachsen. Dort sind die Böden auch bis in zwei Meter Tiefe nass. Nachdem es fünf Jahre lang wesentlich zu trocken war, sind die Böden jetzt sehr nass und teilweise mit Wasser überstaut. Das Ergebnis ist aber keine Normalisierung, sondern eine Entwicklung von einem Extrem ins andere: Von viel zu trocken in viel zu nass.
Die gesamte Bodenwasser- und Grundwassersituation kann im Moment allerdings nicht als gut bezeichnet werden, da zu nass genau wie zu trocken zu erheblichen Folgeschäden bei vielen Nutzungen führt. So wurden die extremwetterbedingten Schäden durch Hitze, Dürre und Hochwasser in einer aktuellen Studie für Deutschland von 2000 bis 2021 auf mindestens 6,6 Mrd. € jährlich geschätzt, mit einer direkten Schadenshöhe von über 114 Mrd. € und mehr als 30 Mrd. € indirekter Schäden.
Kann aufgrund der aktuellen Wassersituation davon ausgegangen werden, dass in diesem Jahr keine Dürresituation eintreten wird?
Durch die gefüllten Wasserspeicher ist die Dürregefahr in diesem Jahr als geringer als in den Vorjahren einzuschätzen. Eine konkretere Vorhersage ist aber nicht möglich. Im Februar 2018 waren die Böden ebenfalls außergewöhnlich nass, ab März folgte dann eine beispiellose Dürre mit Milliardenschäden in unterschiedlichen Sektoren.
Welche Probleme bringt der nasse Boden mit sich?
Die sogenannte nutzbare Feldkapazität, also die Kapazität des Bodens zur Aufnahme von Wasser (detailliertere Erläuterungen zum Begriff "Feldkapazität" finden Sie auf den Webseiten des UFZ-Dürremonitor unter der Überschrift "Was ist das pflanzenverfügbare Bodenwasser?"), liegt aktuell bei mehr als 100 Prozent. Die Böden sind also an der Oberfläche übervoll, das Wasser kann nicht mehr schnell genug nach unten versickern. In der Folge läuft das Niederschlagswasser nicht in den Bodenspeicher, sondern oberflächennah und damit schnell ab, das heißt direkt in Gräben und Flüsse – und verschlimmert die Hochwasserlage.
Ein weiteres Problem ist die Bodenerosion. Das Wasser in den Flüssen ist braun gefärbt, weil dort Schwebstoffe mitgetragen werden. Sie werden vor allem von fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen in den Einzugsgebieten der Flüsse abgetragen.
Auch für die Wälder haben die nassen Böden Folgen: Weil die Wurzeln der Bäume in einem nassen Boden nicht so gut Halt finden wie in trockenem Boden, drohen diese schon bei leichteren Stürmen schneller umzufallen.
Sind die Grundwasserspeicher in Deutschland wieder aufgefüllt?
Die Grundwasserstände haben sich erholt. Fast alle Grundwasserstände sind deutlich höher als normal, zum Teil wurden neue Grundwasserhöchststände gemessen. In Niedersachsen stehen zum Beispiel fast alle Grundwasserstände mindestens über dem Wert, der in 75 Prozent der Fälle erreicht wird.
Welche Rolle übernehmen die Talsperren bei einem solchen Hochwasser?
Die Talsperren erfüllen multiple Funktionen, bei der Rappbodetalsperre im Harz kommen beispielsweise Hochwasserschutz und Trinkwasserversorgung zusammen. Beide Nutzungen sind gegenläufig und im Talsperrenmanagement nicht einfach unter einen Hut zu bringen – der Hochwasserschutz will leere Becken, die Trinkwasserversorgung volle Becken. In den Dürrejahren war am Ende des Sommers das Wasser knapp. Seitdem sind die Talsperrenbetreiber dafür sensibilisiert, in der feuchten Jahreszeit die Talsperren zu füllen, um deren Speicherfunktion zu nutzen. Für den Hochwasserschutz wird dafür ein sogenannter Hochwasserschutzraum ausgewiesen, der im Falle von Starkniederschlägen zur Hochwasserminderung im Unterlauf genutzt wird. Genau das ist im Harz erfolgt. Dementsprechend und richtigerweise steigt dann der Pegel der Talsperre.
Die Hochwasserprobleme gibt es im Flachland derzeit nicht nur in den großen Fließgewässern, wo alles zusammenfließt, sondern auch in vielen kleineren und mittelgroßen Flüssen. Die Einzugsgebiete, die durch die Talsperren kontrollierbar sind, sind klein im Vergleich zu den Gesamt-Einzugsgebieten, z. B. von Haase, Oker, Leine oder gar Weser, wo es derzeit die großen Überschwemmungen gibt. Die Talsperren haben deshalb hier nur geringen Einfluss, selbst wenn sie ganz leer wären wie zu Beginn des Regens. Sie schützen vor allem die direkt unterliegenden Fließgewässer vor Überschwemmungen.
Wird der erwartete Wintereinbruch zu einer Entlastung der Hochwassersituation führen?
Wenn die bevorstehenden Niederschläge als Schnee fallen, könnte dies die Hochwassersituation verbessern. Der Schnee speichert die Niederschläge in der Schneedecke und führt nicht sofort zu einem Anstieg unserer Flüsse. Gefrorene Böden können auch zur Stabilität der Deiche beitragen, aber sehr kalte Temperaturen erschweren die Hochwasserschutzarbeiten vor Ort. Entscheidend wird jedoch sein, wie lange die Kälteperiode anhält und ob nach ihrem Ende Tauwetter mit weiterem Regen einsetzt. Solche Regen-auf-Schnee-Ereignisse können, besonders wenn die Flüsse bereits viel Wasser führen, sehr schnell zu einer sehr kritischen Hochwassersituation führen.
Wie kann die aktuelle Hochwassersituation hydrologisch eingeordnet werden?
Durch die erheblichen Niederschlagsmengen im Herbst, insbesondere im November 2023, waren die Böden gegen Ende des Jahres kaum noch in der Lage, zusätzlichen Niederschlag aufzunehmen. Die Kombination von Niederschlägen und der Schneeschmelze um die Weihnachtszeit führte dann zu erheblichen Abflussmengen in vielen deutschen Flüssen und resultierte in der aktuellen Hochwasserlage.
Obwohl in zahlreichen Flüssen die historischen Höchststände noch nicht erreicht wurden und Hochwasserschutzdämme bisher kaum überflutet wurden, stellen die anhaltend hohen Wasserstände in vielen Flüssen eine erhebliche Gefahr dar. Einerseits besteht die Gefahr, dass Hochwasserschutzdämme durchnässt und erodiert werden, wodurch ein Bruch droht. Daher sind eine kontinuierliche Überwachung und Stabilisierung oder die Schaffung von Entlastungs- bzw. neuen Retentionsräumen unerlässlich. Andererseits können stark steigende Grundwasserstände zu feuchten Kellern und Stabilitätsproblemen feuchter und nasser Wände und Holzkonstruktionen führen.
Historisch betrachtet haben solche Bedingungen bereits häufig zu Hochwasserereignissen geführt – gerade auch in den aktuell betroffenen Regionen in der Mitte Deutschlands in den letzten 50 Jahren. Im Gegensatz dazu wurde das Ahrhochwasser 2021 durch sehr intensive Starkregenereignisse innerhalb weniger Tage ausgelöst und zeichnete sich durch einen rapiden Anstieg des Wasserstandes und extrem hohe Abflüsse in der Ahr aus.
Besonders bemerkenswert an der aktuellen Hochwassersituation ist die enorme räumliche Ausdehnung mit Hochwasserwarnungen in nahezu allen Bundesländern. Eine vergleichbar großflächige Hochwassersituation ereignete sich beispielsweise im Februar 1970, mit Hochwasserereignissen von Bayern bis zur Nordseeküste.
Was kann vorausschauend für einen besseren Hochwasserschutz getan werden?
Hochwasserschutz sollte stets eine Kombination verschiedener Maßnahmen darstellen. Zunächst müssen betroffene Bürger umfassend informiert sein und wissen, wie sie sich im Ernstfall schützen können. Hierzu gehören zuverlässige Hochwasservorhersagen und effektive Hochwasserwarnungen, die die betroffene Bevölkerung auch erreichen, und gut ausgebildete Entscheidungsträger, die die richtigen Maßnahmen treffen. Dass dies auch in Deutschland nicht immer funktioniert, wurde beim Ahrhochwasser deutlich.
Des Weiteren bedarf es einer Neubewertung technischer Hochwasserschutzmaßnahmen. Aufgrund des Klimawandels ist mit einer Zunahme von Hochwasserereignissen und dem Auftreten von Hochwässern in Flussgebieten zu rechnen, die in den vergangenen Jahrzehnten von größeren Hochwässern verschont blieben. Auch werden Hochwässer auftreten, die sich in Dauer, Geschwindigkeit und Höhe des Wasseranstiegs deutlich von ihren historischen Vorgängern unterscheiden. Erfahrungen aus der Vergangenheit werden nicht immer reichen, um auf die zukünftig veränderte Hochwasserbedingungen gut vorbereitet zu sein. Angesichts der Tatsache, dass mehr als zwei Drittel der natürlichen Retentionsräume verlorenen gegangen sind, sind insbesondere identifizierte Potenziale für einen naturnahen Hochwasserschutz zu nutzen (siehe auch: https://www.bfn.de/publikationen/bfn-schriften/bfn-schriften-489-potenziale-zur-naturnahen-auenentwicklung). So zeigte sich in Studien des Umweltbundesamts (UBA) und der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) zum Nationalen Hochwasserschutzprogramm, dass solche Maßnahmen einen maßgeblichen Beitrag zur Absenkung des Scheitels von Hochwassern an den großen Flüssen leisten. Er liegt für viele der modellierten Hochwasserereignisse in den Einzugsgebieten von Elbe, Donau und Rhein zwischen 10 und 50 cm (siehe auch: https://www.umweltbundesamt.de/node/87251/ oder https://www.bafg.de/DE/Service/presse/2021-05-26_NHWSP.html).
In letzter Konsequenz muss auch geprüft werden, ob alle Siedlungen ausreichenden Hochwasserschutz bieten, ob in gefährdeten Gebieten noch weiter gebaut werden darf oder langfristig sogar eine Rücknahme von Bebauungen bei extremem Hochwasserrisiko in Betracht zu ziehen ist.
Ein weiterer Schwerpunkt sollte darauf liegen, den Hochwasserschutz im Kontext des Landschaftswasserhaushaltes neu zu überdenken. Die Begradigung und Kanalisierung von Flüssen und Bächen, der Verlust von zwei Dritteln unserer ursprünglichen Flussauen und Überflutungsflächen an deutschen Flüssen sowie die Trockenlegung von Feldern und Mooren durch Drainagen führen dazu, dass Niederschläge schnell durch unsere Gewässer abfließen. Um nicht nur Hochwasser effektiver zu bekämpfen, sondern auch besser auf Perioden von Wassermangel vorbereitet zu sein, müssen wir Wasser länger in der Landschaft halten. Hierfür sind mehr multifunktionale Retentionsflächen, ausgedehntere Flussauenräume, intakte Auwälder und Moore, angepasste landwirtschaftliche Praktiken und innovative Konzepte zum Umgang mit Wasser in unseren Städten erforderlich.
Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz wird es nicht geben. Das ist finanziell und technisch nicht machbar und von der Landschaft nicht umrüstbar.
UFZ-Expert:innen
Prof. Dietrich Borchardt, Hydrobiologe, UFZ Magdeburg,
Expertise: Wasserressourcen: Qualität, Quantität und Management, politische Prozesse
Dr. Andreas Marx, Klimawissenschaftler, UFZ Leipzig
Expertise: Klimafolgen, Wasserhaushalt und Extremereignisse, UFZ-Dürremonitor
Prof. Ralf Merz, Hydrologe, UFZ Halle
Expertise: Hydrologische Extremereignisse (Hochwasser, Dürre), Wasserverfügbarkeit
Prof. Sabine Attinger, Theoretische Physikerin, UFZ Leipzig
Expertise: Umweltsystemmodell
Dr. Karsten Rinke, Gewässerbiologe, UFZ Magdeburg
Expertise: Seen, Wasserressourcen, politische Prozesse
Dr. Mathias Scholz, Auenökologe, UFZ Leipzig
Expertise: Auenökologie, Renaturierung, Bioindikation und Monitoring in Flussauen
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
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Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.
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