Neurobiologe der UMM erhält Förderung des Europäischen Forschungsrats zur Entwicklung eines hyperspektralen Faserphotometriesystems, das flexibel für verschiedenste optische Messungen von Gehirnfunktion eingesetzt werden kann.

Die Förderpreise des Europäischen Forschungsrats (ERC) zählen zu den prestigeträchtigsten Auszeichnungen der Wissenschaftscommunity. Bereits zum zweiten Mal ist es Professor Dr. rer. nat. Simon Wiegert gelungen, eine der begehrten Förderungen einzuwerben: Auf einen ERC Starting Grant für das Projekt LIFE synapses im Jahr 2016 folgt nun ein ERC Proof of Concept Grant für HyFiPhotometry.

Der Grant dient dazu, ein im Projekt LIFE synapses entwickeltes System zur Erforschung von Hirnfunktionen weiterzuentwickeln. Mit der Förderung soll das volle Potenzial dieser Innovation erkundet und als kommerzielles Produkt auf den Markt gebracht werden. Das von Professor Wiegert und seinen Postdocs Alexander Dieter und Andrey Formozov entwickelte System der fusionierten Faserphotometrie (Fused Fiber Photometry, FFP) ist flexibel, vielseitig und kostengünstig. Und es hat das Potenzial, eine Reihe von neuen Anwendungen zu erschließen.

Das Prinzip des FFP-Systems basiert auf der Faserphotometrie mit einer verschmolzenen optischen Faser, und koppelt die Mehrfarben-Photometrie mit der Optogenetik. Im Rahmen von HyFiPhotometry soll daraus ein erschwingliches und vielseitiges kommerzielles System mit erweiterten spektralen Möglichkeiten entwickelt werden. Der ERC fördert das Projekt über einen Zeitraum von anderthalb Jahren mit 150.000 Euro.

Simon Wiegert leitet die Abteilung Neurophysiologie der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und ist Mitglied des Mannheim Center for Translational Neuroscience (MCTN). Sein Interessensgebiet erstreckt sich von der synaptisch-zellulären Neurobiologie bis hin zur Netzwerk- und Systemneurobiologie.

Hauptziel des Projektes LIFE synapses war es, die Struktur-Funktions-Beziehungen einzelner Synapsen im Gehirn zu untersuchen.

Die Forscher mussten dabei bald die Grenzen kommerzieller Systeme zur Messung neuronaler Aktivitäten erkennen, die aufgrund einer festen Anordnung von Filtern und dichroitischen Spiegeln nicht flexibel und bezüglich des Spektrums des erfassten Lichts sehr eingeschränkt sind. Sie beschlossen daher, ein flexibles Photometrie-System zu entwickeln, das eine einfache und schnelle Neukonfiguration des Geräts für unterschiedliche experimentelle Anforderungen ermöglicht.

Die Faserphotometrie ist eine einfache Methode zur Messung der Aktivität bestimmter Gehirnzellenpopulationen. Sie erlaubt sowohl die optische Manipulation als auch die Messung der Aktivität molekular definierter neuronaler Populationen in frei beweglichen Tieren. Die Methode basiert auf einer implantierten optischen Faser, durch die fluoreszierende, genetisch kodierte Indikatoren für zelluläre Aktivität, Metaboliten oder Signalmoleküle überwacht werden können. In der Regel ist die Faserphotometrie allerdings auf einen oder zwei Funktionskanäle beschränkt.

Den Einschränkungen herkömmlicher Faserphotometrie-Systeme begegneten die Forscher, indem sie das Konzept der Faserphotometrie radikal umgestalteten. Das Team entwickelte ein flexibles und vielseitiges System der fusionierten Faserphotometrie, bei dem faserphotometrische Aufzeichnungen leicht mit optogenetischen Manipulationen in einem einzigen Gerät kombiniert werden können. Kernstück ist ein optischer Multimode-Schmelzfaserkoppler, der sowohl die Lichtzufuhr, also das Anregungslicht zum Gehirn, als auch die Lichtsammlung, der Fluoreszenzsignale vom Gehirn, übernimmt.

Da das FFP-System Licht jeder Wellenlänge übertragen kann, können Fluoreszenzindikatoren mit beliebigen spektralen Eigenschaften zum Einsatz kommen. In Kombination mit einer mehrfarbigen Lichtquelle und geeigneten Emissionsfiltern bietet der Ansatz eine hohe Flexibilität bei der Versuchsplanung und erleichtert die Anwendung neuer molekularer Werkzeuge zu minimalen Kosten.

Im Rahmen des Proof of Concept Projektes soll nun aufbauend auf dem FFP-System ein kostengünstiges und vielseitiges kommerzielles System entwickelt werden, das die Messung eines breiten Lichtspektrums mit hoher Empfindlichkeit ermöglicht. Ziel ist es, ein ganzes Spektralkontinuum selbst stark überlappender fluoreszierender Biosensoren auflösen zu können. Das Paradigma diskreter Spektralkanäle der kommerziellen Systeme soll dabei überwunden werden.

Von der Fused Fiber Photometry hin zur HyFiPhotometry – mit der hyperspektralen Faserphotometrie, bei der die Signalübertragung nicht auf einen vordefinierten Funktionskanal beschränkt ist, sondern die gesamt spektrale Information zur Verfügung steht, kann ein bahnbrechendes Innovationspotenzial realisiert werden. Es wird die Zahl der möglichen Anwendungen in den Neurowissenschaften stark erhöhen und neue Forschungsmöglichkeiten in anderen Anwendungsbereichen eröffnen.

„Das System könnte die optische Erforschung der Gehirnfunktionen für viele Labore erschwinglich machen, da es einfach, flexibel und preiswert ist, und die Bandbreite der Faserphotometrie weit über die Möglichkeiten herkömmlicher Standardaufbauten hinaus erweitert“, sagt Simon Wiegert.

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