Das neue Zinsumfeld hat die Trendwende am Kaufmarkt für Immobilien eingeleitet. Angesichts der hohen Inflation haben sich die Bauzinsen vervierfacht. Dies schränkte die Finanzierungsmöglichkeiten der überwiegenden Mehrheit der potenziellen Käufer ein. Derzeit sind vor allem Kaufinteressenten mit einem hohen Eigenkapital am Wohneigentumsmarkt auf der Suche. Der Spielraum für Preisverhandlungen hat zugenommen, Käufer haben eine relativ große Auswahl, Preisrückgänge sind die Folge daraus. Die gestiegenen Anforderungen der Banken bei der Gewährung der Hypothekendarlehen, speziell im Hinblick auf das benötigte Eigenkapital, trugen ebenfalls wesentlich zu den Preisanpassungen am Wohneigentumsmarkt bei. „Vor dem Hintergrund der hohen Preisanstiege der Vergangenheit ist jetzt die Phase, in der ein Teil der Zuwächse durch Rückgänge egalisiert wird, weder eine überraschende noch ungesunde Entwicklung für den Immobilienmarkt“, so Prof. Stephan Kippes.
„Spielte die Energiebilanz der Immobilien früher kaum eine Rolle, so gewinnt der Wunsch der Käufer nach Objekten mit guten energetischen Kennwerten seit einiger Zeit immer mehr an Bedeutung, speziell seit der Debatte um das Heizungsgesetz“, so Stephan Prokschi, IVD-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der Prokschi Immobilien GmbH in Ravensburg.
In der aktuellen Halbjahresbetrachtung Frühjahr – Herbst 2023 ist der gesamte Wohneigentumsmarkt von Preisanpassungen nach unten betroffen. Im Durchschnitt der Großstädte Baden-Württembergs betrugen die Abschläge bei Einfamilienhäusern -3,1 %, bei Reihenmittelhäusern -3,4 % und bei Eigentumswohnungen -3,9 % (jeweils Bestandsobjekte mit gutem Wohnwert). In Stuttgart, Mannheim, Pforzheim und teilweise in Reutlingen wurden die höchsten Rückgänge registriert.
Trotz der aktuellen Preisminderungen verteuerten sich Kaufimmobilien in der 10-Jahresentwicklung enorm. Die stärksten nominalen – d.h. ohne Inflationsbereinigung ermittelten – Zuwächse von +68,4 % wurden im Segment der Eigentumswohnungen festgestellt, freistehende Einfamilienhäuser und Reihenmittelhäuser rangierten bei den Zuwachsraten mit einem Plus von 53,5 % bzw. 54,8 % dahinter. Die Anstiege beziehen sich jeweils auf den Durchschnitt Großstädte Baden-Württembergs und Bestandsobjekte mit gutem Wohnwert. Im Großstadtvergleich stiegen die Kaufpreise bei Eigentumswohnungen aus dem Bestand innerhalb der vergangenen 10 Jahre in Karlsruhe (+86,6 %) und Stuttgart (+85,7 %) am stärksten, gefolgt von Freiburg (+78,5 %) und Mannheim (+78,1 %).
Das Interesse der traditionellen Kaufinteressenten am Erwerb von Wohneigentum hat angesichts der rasant gestiegenen Hypothekenzinsen für die Finanzierung einer Kaufimmobilie deutlich nachgelassen. Es verlagerte sich immer mehr auf die Mietobjekte, während das Angebot am Wohneigentumsmarkt infolge der nachgelassenen Kaufbereitschaft zunahm, verringerte sich das Angebot an Mietwohnungen noch weiter.
Der Mietmarkt in Baden-Württemberg ist in der langfristigen Betrachtung durch moderate Mietsteigerungen geprägt, erst in jüngster Zeit wurden etwas höhere Zuwächse bei den Mieten ermittelt. Während Kaufimmobilien in der 10-Jahresentwicklung massive Preissprünge – mit der Ausnahme der Kaufpreise im Jahr 2023 – verbuchen konnten, wuchsen die Mieten deutlich langsamer. Die Schere zwischen den Kauf- und Mietpreisen ging bis 2022 immer weiter auseinander. Diese Entwicklung ist vorerst gestoppt.
Im aktuellen Halbjahresvergleich (Frühjahr – Herbst 2023) verzeichneten die Wohnungsmieten im Durchschnitt der Großstädte Baden-Württembergs ein Plus von 1,0 % im Bestand und 1,1 % im Neubau. In Ulm und Freiburg fielen die Mietanstiege für Bestandwohnungen mit +2,9 % bzw. +2,1 % am höchsten aus. Auch bei neuerrichteten Mietwohnungen stachen diese beiden Städte durch vergleichsweise hohe Zuwächse von bis zu +3,4 % hervor.
Im 10-Jahresvergleich betrug der Anstieg der Mieten für Bestandswohnungen im Durchschnitt der Großstädte ohne Inflationsbereinigung +36,0 %, der Mietzuwachs bei Neubauwohnungen lag mit +35,9 % auf einem ähnlichen Niveau. Die höchsten Mietsteigerungen bei Bestandswohnungen im Großstadtvergleich Baden-Württembergs wurden in Ulm (+47,6 %) und Freiburg (+45,9 %) festgestellt. Im Neubaubereich fielen Karlsruhe, Ulm und Freiburg mit hohen Wachstumsraten in der Spanne zwischen 45 % und 48 % im betreffenden Zeitraum auf.
Entwicklung in ausgewählten Großstädten Baden-Württembergs
Karlsruhe
Der zehn Jahre anhaltende Trend mit hohen Preissteigerungen erreichte 2022 seinen Zenit. Das Angebot an Kaufimmobilien nahm ab Mitte 2022 stetig zu. „Dabei ist festzustellen, dass die Verkäuferseite teilweise immer noch Preisvorstellungen wie zu Zeiten vor der Zinswende hat“, erklärt Christian Sturm, Regionalbeirat des IVD Süd, von Sturm Immobilien GmbH, „solche überzogenen Preise haben derzeit keine Aussicht auf einen erfolgreichen Kaufvertragsabschluss, denn für den klassischen Käufer ist die Immobilie aufgrund des Zinsanstieges vielfach nicht finanzierbar.“
Der Mietwohnungsmarkt in Karlsruhe ist durch Zuzüge bzw. das große Arbeitsplatzangebot der High-Tech- und IT-Firmen der Technologieregion stark geprägt. Auch die stetig steigende Zahl der Studenten an der Universität und den vier Hochschulen in Karlsruhe sorgt für eine extrem starke Mietwohnraumnachfrage.
Freiburg
Die Nachfrage nach Wohnimmobilien zum Kauf ist im Bestand höher ist im Neubau. Gesucht werden Wohnungen aller Größen, von 1- bis 4- Zimmerwohnungen. Die Nachfrage nach Reihen- und Doppelhäusern ist dagegen deutlich verhaltener. „Die Vermarktungsdauer der Bauträgerobjekte ist deutlich gestiegen“, beobachtet Charlotte Huhn, Inhaberin des gleichnamigen Immobilienunternehmens aus Freiburg. „Die Käufer, die sich für ein Neubauobjekt interessieren, verfügen in der Regel über ein hohes Eigenkapital.“ Oft sind es Eigentümer, die beispielsweise aus Altersgründen aus einem Haus in eine Wohnung umziehen.
Der Mietmarkt in Freiburg ist traditionell als Vermietermarkt zu klassifizieren. Nach der Zinswende hat sich die Nachfrage nach Mietobjekten weiter verstärkt. Angesichts des gestiegenen Zinsniveaus für Kaufimmobilien kann eine merkliche Verlagerung der Nachfrage in Richtung Miete beobachtet werden, die künftig weitere Engpässe und Mietsteigerungen am Mietwohnungsmarkt erzeugen könnte.
Ulm
Die Nachfrage nach Kaufobjekten in Ulm ist im Jahr 2023 deutlich gedämpft. Das Preisniveau geht seit Mitte 2022 in vielen Marktsegment spürbar zurück. „Besonders hoch sind derzeit die Preisanpassungen bei älteren Häusern mit einer schlechteren Energiebilanz“, bemerkt Volker Munk, IVD-Mitglied und Inhaber der Volker Munk Immobilien e.K.. Auch bei Neubauobjekten ist die Vermarktung aufgrund hoher Preise sehr schwierig. „Die jungen Familien, die in diesem Segment häufig als Käufer auftraten, haben sich sukzessive zurückgezogen.“
Stuttgart
Seit dem Herbst 2022 meldet das IVD-Institut einen deutlichen Abwärtstrend am Stuttgarter Wohneigentumsmarkt. Waren zu Beginn der Trendwende nur bestimmte Marktsegmente von Preisabschlägen betroffen, so erreichte der Veränderungsprozess im Frühjahr 2023 den gesamten Kaufmarkt in beträchtlichem Maße. Im Herbst 2023 setzt sich diese Entwicklung weiter fort.
Im Halbjahresvergleich Frühjahr – Herbst 2023 betrugen die Preisrückgänge am Häuser- und Eigentumswohnungsmarkt durchschnittlich rund -5 %, sowohl bei den Bestands- als auch bei den Neubauobjekten (jeweils bezogen auf den guten Wohnwert). Hierbei ist zu beachten, dass in den vergangenen Monaten nur vereinzelt Verkäufe – teilweise waren dies „Notverkäufe“ – stattfanden. Preislich fanden Verkäufer und Käufer in großem Umfang noch nicht zusammen. Die Preise bei Baugrundstücken für Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser blieben im Herbst 2023 konstant bzw. sind leicht gesunken, wobei die Preisanpassungen im Herbst 2022 und Frühjahr 2023 teilweise mit rd. -10 % sehr deutlich ausgefallen waren.
„Der Stuttgarter Mietmarkt erfuhr 2023 einen neuen Aufschwung, nachdem sich viele Kaufinteressenten zum gegenwärtigen Zeitpunkt ihren Traum von einem Eigenheim nicht erfüllen können“, so Ann-Cathrin Lunke, Inhaberin von ACL Immobilien. Die Wohnungsmieten legten im Halbjahresvergleich um rd. +2 % leicht zu.
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