Die Begründung der Jury:
„Mehr Authentizität geht wohl kaum: Mutig und entschlossen legt ‚My doctor’s life – Tagebuch einer Ärztin, die aussteigt‘ die Missstände und personellen Überforderungen im Klinikalltag ungeschminkt offen. Stefanie Minkley zieht die Konsequenz, den Beruf an den Nagel zu hängen – nach sechs Jahren Facharztausbildung. Es ist die Geschichte einer jungen Ärztin, die mit vielen Hoffnungen und Anstrengungen ihren Traumberuf ergreift und dann an der Realität scheitert. Der Film zeigt einmal mehr, wie sehr die medizinische und pflegerische Versorgung in Deutschlands Krankenhäusern auf Kante genäht ist.
Die ständige Ausbeutung eigener Kraft – wir erfahren unmittelbar anhand ihrer selbst gefilmten Handybilder, was es heißt als Krankenhausärztin im Einsatz zu sein, immer in Bereitschaft. Minkleys Atemlosigkeit ist deutlich spürbar, wenn Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und der Gang zur Toilette zu einem kostbaren Gut im klinischen Alltag werden. Dabei zeigt sie sich überaus ehrlich in ihren Selbstzweifeln und Wünschen. Ihr mangelt es nicht an Motivation und Leistungsbereitschaft, den ärztlichen Beruf auszufüllen. Es ist ein Systemversagen, das sich für sie ganz konkret in stetigem Zeitdruck, einer zu hohen Arbeitsbelastung und fehlender Wertschätzung zeigt und fast schon zwangsläufig zum Ausstieg führt. Sie benennt klar die Mängel und klammert dabei auch unbequeme Themen wie dominierende patriarchale Strukturen und Profitorientierung nicht aus.
Autorin Antonella Berta hat trotz abgelehnter Drehgenehmigungen daran festgehalten, dass es diese Perspektive wert ist, erzählt zu werden. Sie gibt ihrer Protagonistin den Freiraum, eine unverstellte Innenansicht des Gesundheitssystems zu teilen, die sonst der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Die rohe Machart zieht den Zusehenden schnell ins Geschehen. Die visuelle Umsetzung tritt hinter dem Inhalt zurück. Echt und uneitel: Das Wackeln der subjektiven Handykamera wird zum Stilmittel. Die Bilder, die die Anmutung von Rohmaterial – ungeschnittenem Filmmaterial – haben, brechen mit den Sehgewohnheiten auf Hochglanz polierter Dokumentationen und vermitteln Authentizität und Nähe. Die Bilder sprechen für sich, wenn die sichtlich erschöpfte Ärztin darüber spricht, mit wie wenig Schlaf sie Patientinnen und Patienten versorgen muss.
Der Film zeigt zudem, dass sich junge Menschen nicht auf das Thema Work-Life-Balance reduzieren lassen. Im Gegenteil: Die Protagonistin steigt aus, um einzusteigen und in erster Reihe dort mitzustreiten, wo es darum geht, die Zustände zu verändern. Minkley wendet sich am Ende nicht ab, sondern wechselt mit ihrer Mission auf die Seite der Politik. Das ist glaubwürdig und könnte dazu führen, vom Reden ins Machen zu kommen. Es wäre dem System zu wünschen. Das ‚Tagebuch einer Ärztin, die aussteigt‘ empowert die Zusehenden gegen Widerstände mit vermeintlich unveränderbaren Gewissheiten zu brechen und sich aktiv für Veränderung einzusetzen. Ein Film mit Nachhall, der den Respekt für die medizinischen und pflegerischen Berufe stärkt!“
Der Film- und Fernsehpreis des Hartmannbundes wurde 1966 als ideeller Preis gestiftet. Er soll einen Ansporn setzen, dass die großen, mit dem lebenden Bild arbeitenden Massenmedien in ihrer Darstellung der Wirklichkeit ärztlichen Handelns Rechnung tragen. Der Jury gehören an: Renate Werner – Filmemacherin und Journalistin, Mareike Müller – Filmautorin und Grimme-Preisträgerin, Wolfgang van den Bergh – ehemaliger Herausgeber und Chefredakteur der Ärzte Zeitung, Claudia Seiring – Journalistin beim Tagesspiegel und Prof. Dr. Markus Lehmkuhl – Experte für Wissenschaftskommunikation in digitalen Medien
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