Anlässlich des Welternährungstages am Montag weist die Menschenrechtsorganisation FIAN auf eine Schieflage in der Debatte zur Hungerbekämpfung hin. „Die strukturellen Ursachen von Hunger und Mangelernährung verschärfen sich, anstatt von der Politik angegangen zu werden: Landkonzentration, die Industrialisierung der Agrar- und Ernährungssysteme sowie der wachsende Einfluss von Finanzinvestoren. Dies geht einher mit der systematischen Ausgrenzung und Diskriminierung von kleinen und handwerklichen Nahrungsmittelproduzent*innen im globalen Süden“, beschreibt Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland die aktuelle Situation. Aktuell leiden über 735 Millionen Menschen an chronischem, also anhaltendem Hunger. 2,4 Milliarden Menschen – rund 30 Prozent der Weltbevölkerung – sind von mittlerer bis schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen.

Seit der Jahrtausendwende wird ländlichen Gemeinden durch Landgrabbing regelrecht der Boden unter den Füßen weggezogen. 100 bis 214 Millionen Hektar Land wurden nach aktuellen Schätzungen seitdem an Investoren transferiert. Die damit einhergehende gewaltige – und oft gewaltsame – Expansion einer agrarindustriellen Landwirtschaft produziert entgegen der landläufigen Meinung nur wenig Nahrungsmittel. Seit 2000 ist die Anbaufläche von Palmöl, Zuckerrohr, Soja und Mais um 150 Millionen Hektar – eine Fläche etwa anderthalb mal so groß wie die Ackerfläche der EU – gewachsen (1,2). Dies sind alles keine Grundnahrungsmittel. Die Anbaufläche von Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln, Hirse, Roggen und Sorghum ging im gleichen Zeitraum um 24 Millionen Hektar zurück. Roman Herre, Agrarreferent von FIAN dazu: „Die globale Landwirtschaft ist immer weniger darauf ausgerichtet, die Menschen zu ernähren. Diese grundlegende Fehlentwicklung ist weitgehend abwesend in den Debatten zum Thema Welternährung“. Herre kritisiert zudem, dass die steigenden Hungerzahlen instrumentalisiert werden, um ökologischen Fortschritt auszuhebeln, etwa bei der Diskussion um die EU-Pestizidverordnung.

Der Welternährungsrat CFS kommt übernächste Woche in Rom zusammen. Nach drei Jahren Blockade – gerade seitens der reichen Länder – soll dort endlich ein Mechanismus etabliert werden, der reaktionsfähig auf Krisen und Schocks wie Nahrungsmittelpreisexplosionen oder die Auswirkungen der COVID-Pandemie sein soll. Die im CFS organisierten Betroffenenorganisationen haben sich vehement für einen solchen Mechanismus eingesetzt. „Das ist ein echter Durchbruch und auch ein Lichtblick. Wir hoffen, dass sich die Bundesregierung beim Welternährungsrat für einen starken und handlungsfähigen Mechanismus einsetzt,“ erklärt Philipp Mimkes.

(1) nur 13 Prozent der weltweiten Maisernte werden für die menschliche Ernährung verwendet(2) Zahlen beruhen auf offiziellen Statistiken der Welternährungsorganisation FAO: https://www.fao.org/faostat/en/#compare 

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