"Wir haben herausgefunden, dass in weniger privilegierten Gegenden von New York City – anders als in anderen Teilen der Stadt – die U-Bahn bei heißem Wetter weiterhin viel genutzt wird. Das bedeutet, dass in Nachbarschaften, in denen Menschen mit geringerem Einkommen, kleineren Wohnungen, kaum Krankenversicherungen und weniger Klimaanlagen leben, auch an heißen Tagen die U-Bahn Nutzung nicht vermieden wird", betont Annika Stechemesser, Forscherin am PIK und Hauptautorin der Studie. "Dies gilt sogar für die Wochenenden, an denen Menschen überwiegend mehr Entscheidungsfreiheit haben als an Arbeitstagen. Es sind also vor allem Menschen, die bereits ein höheres Hitzerisiko tragen, die offenbar die wenigsten Möglichkeiten haben, ihre Mobilität anzupassen, um Hitze zu vermeiden."
Extreme Hitzeperioden sind in den letzten Jahrzehnten häufiger geworden und werden aufgrund des menschengemachten Klimawandels voraussichtlich weiter zunehmen. Dies wirkt sich vor allem in dicht besiedelten Städten negativ aus. Die U-Bahn-Stationen in New York haben bereits ein ernsthaftes Hitzeproblem: Dort herrschen häufig bis zu 6°C höhere Temperaturen als an der Oberfläche. Häufige Verspätungen im U-Bahn-System können zu langen Wartezeiten in überhitzten und überfüllten Stationen führen.
Daten von 438 U-Bahn-Stationen in New York zeigen: Menschen, die bereits höherem Hitzerisiko ausgesetzt sind, haben am wenigsten Möglichkeiten, sich anzupassen
Täglicher Hitzestress wird nicht nur dadurch bestimmt, wie stark man der Hitze ausgesetzt ist, sondern auch durch die Fähigkeit, Hitze zu vermeiden. Konkret kann dies beispielsweise bedeuten, die U-Bahn weniger zu nutzen. Die Möglichkeit, das eigene Mobilitätsverhaltens an hohe Temperaturen anzupassen ist jedoch ein Privileg, das oft mit anderen Privilegien wie einer guten Krankenversicherung einhergeht, betonen die Forscherinnen.
Für ihre Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift The Lancet Planetary Health veröffentlicht wurde, analysierten die Wissenschaftlerinnen mit statistischen Methoden Mobilitätsdaten von 438 New Yorker U-Bahn Stationen in verschiedenen Stadtvierteln im Zeitraum vor der Covid19-Pandemie von 2014 bis 2019. Sie fanden heraus, dass an heißen Tagen insgesamt weniger Menschen die U-Bahn nutzten, selbst dann, wenn man andere Faktoren wie Tourismus und Feiertage berücksichtigt. Es wurde allerdings deutlich, dass es vor allem die reicheren, privilegierteren Viertel waren, in denen die Nutzung der U-Bahn bei Hitze zurückging.
Als mögliche Gründe für die eingeschränkte Anpassungsfähigkeit in weniger privilegierten Stadtvierteln nennen die Autorinnen, dass Menschen mit geringer bezahlten Jobs seltener Homeoffice in Anspruch nehmen können. Zusätzlich müssen sie häufiger am Wochenende arbeiten oder sogar einen zweiten Job annehmen, um über die Runden zu kommen. Dies kann zu mehr U-Bahn Nutzung führen. Mit einem kleinen Budget zu leben verringert auch die Möglichkeit, bei Hitze die Stadt zu verlassen und in den Urlaub zu fahren. Zudem sind Menschen in hitzeexponierten, einkommensschwachen Vierteln wahrscheinlich auf die U-Bahn angewiesen, um kühlere Ecken der Stadt zu erreichen.
"Nicht nur die Auswirkungen des Klimawandels sind sehr ungleich verteilt und treffen oft die Ärmsten am härtesten. Es geht auch um die Möglichkeiten der Anpassung. Selbst innerhalb ein und derselben Stadt haben weniger privilegierte Menschen geringere Möglichkeiten sich zu schützen, indem sie zum Beispiel ihr Mobilitätsverhalten anpassen. Wir müssen diese Ungleichheiten berücksichtigen, um zu vermeiden, dass sich Hitze- und Gesundheitsrisiken verstärken", sagt Leonie Wenz, Mitautorin der Studie und stellvertretende Leiterin der Forschungsabteilung "Komplexitätsforschung" am PIK.
Artikel: Annika Stechemesser, Leonie Wenz (2023): Inequality in behavioural heat adaptation: an empirical study using mobility data from the New York City transport system. The Lancet Planetary Health. [DOI: 10.1016/S2542-5196(23)00195-X]Weblink zum Artikel: https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(23)00195-X/fulltext
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