Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (SBG) hat heute auf Einladung von SBG-Direktor Prof. Dr. Axel Drecoll in einem gemeinsamen Festakt mit Dr. Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Am Festakt nahmen neben Ministerpräsident Woidke und der Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Dr. Andrea Genestin Vertretung von Prof. Dr. Axel Drecoll, unter anderen auch Kultur- und Wissenschaftsministerin Dr. Manja Schüle, Aaron Sagui, Gesandter des Staates Israel, Ib Katznelson, Überlebender des KZ Ravensbrück, sowie Leonore Bellotti, ehemalige Inhaftierte des sowjetischen Speziallagers in Sachsenhausen, teil. Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, sprach ein Video-Grußwort.

Dr. Andrea Genest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, in Vertretung von Prof. Dr. Axel Drecoll: „Die Gründung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten im Jahr 1993 war wegweisend für die künftige Ausrichtung der Gedenkstätten in der gesamten Bundesrepublik, die sich in der Folge zu modernen zeithistorischen Museen entwickelt haben. Wir sind nun bald in der Situation, dass die politische und moralische Stimme der Überlebenden schwindet. Diese schmerzliche Leerstelle zu besetzen, kann nur mit einer gemeinsamen Anstrengung gelingen, die kritisches Geschichtsbewusstsein mit der klaren Absage an Antisemitismus, Rassismus und gesellschaftlicher Ausgrenzung verbindet. Die Gebäude und Relikte der historischen Tatorte sind die Fixpunkte der Erinnerung. Sie müssen dauerhaft erhalten werden. Die Gedenkstätten benötigen die personellen und finanziellen Möglichkeiten, um den neuen Herausforderungen etwa im Bereich des digitalen Wandels und der Bildungsarbeit gewachsen zu sein.

Dr. Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg: „Die unfassbaren Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wird man vielleicht nie begreifen. Doch es gibt Orte in Brandenburg, die diese Taten, die Verbrechen und das Leid greifbarer machen. Orte, die erschüttern und beklemmen. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten kümmert sich mit viel Empathie, Klarsicht und herausragender historischer Expertise um diese Orte, die den politischen Terror des letzten Jahrhunderts verdeutlichen. Sie hält die Erinnerung wach und mahnt, dass die Vergangenheit sich so nicht wiederholen darf. Genau zu diesem Zweck haben das damals noch junge Land Brandenburg und die Bundesrepublik Deutschland vor 30 Jahren die Stiftung gegründet. Es war bei weitem keine leichte Aufgabe, der sich die Stiftung angenommen hat. Dennoch sind Sachsenhausen, Ravensbrück, Brandenburg an der Havel und der Belower Wald heute pluralistische, offene Gedenkorte und bedeutsame zeithistorische Museen, zu denen jüngst Jamlitz und die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam hinzukamen. Mein herzlichster Dank und meine größte Anerkennung gehen an Direktor Axel Drecoll und alle, die sich haupt- und ehrenamtlich in der Stiftung engagieren. Ich versichere, dass die Landesregierung auch weiterhin diese unersetzliche Arbeit unterstützen wird.“

Kulturstaatsministerin Claudia Roth„Ein würdiges Erinnern und die Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit der Geschichte der NS-Verbrechen zu fördern, diese Aufgaben sind seit 30 Jahren Kompass und Richtschnur der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Mit fundierter Expertise, mit Herz und Verstand hat das Team um Axel Drecoll lebendige Gedenk- und Lernorte geschaffen, die sich mit ihren zeitgemäßen Vermittlungsangeboten auch an junge Menschen und an zunehmend diversere Zielgruppen richten. Damit trägt die Stiftung maßgeblich dazu bei, dass die Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes sowie die Opfer des kommunistischen Unrechts in der Sowjetisch Besetzten Zone und in der DDR nicht in Vergessenheit geraten. Mit dieser wertvollen Arbeit genießen die Gedenkstätten der Stiftung als Institutionen der Erinnerungskultur national wie international ein hohes Ansehen. Umso mehr gilt mein Dank all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich mit großem Einsatz in der Stiftung für die Erinnerungskultur in Deutschland engagieren.“

Dr. Manja Schüle, Kultur- und Wissenschaftsministerin des Landes Brandenburg: „Die Geschichte der NS-Lager ist und bleibt verstörend: Menschen wurden verschleppt, gedemütigt, gefoltert, ermordet. Noch erzählen die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen davon – eindrücklich, engagiert, einprägsam, trotz ihres hohen Alters. Damit wir begreifen, dass das, was geschehen ist, wieder geschehen kann – aber nie wieder geschehen darf. Damit insbesondere junge Menschen mit Geschichte in Berührung kommen. Um Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus der Gegenwart den Spiegel vorzuhalten. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten erinnert seit 30 Jahren an Terror, Krieg und Gewalt. Bald müssen wir die Geschichte des Holocausts und der NS-Verbrechen aber ohne die Überlebenden erzählen. Die Gedenkstätten als authentische Orte werden also noch wichtiger werden. Ich wünsche der Stiftung weitere mutige und erfolgreiche Jahrzehnte!“

Ib Katznelson, Überlebender des KZ Ravensbrück: „Wir stehen heute an einem Scheideweg, an dem sich die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten vor Herausforderungen sieht, die ähnlich wichtig sind wie die vor 30 Jahren. Wir erleben mit zunehmender Beschleunigung den Übergang von der Weitergabe der lebendigen Erinnerungen zur Überlieferung historischer Berichte. Weitere Herausforderungen sind die Digitalisierung und der Vormarsch rechtspopulistischer Parteien in Europa. Angesichts dessen müssen wir uns fragen, ob historische Ausstellungen in Zukunft ausreichen, um die Herausforderungen in unserer digitalisierten Gesellschaft zu bewältigen. Wie erreichen wir, dass die junge Generation, die zukünftigen Wähler – die hoffentlich nicht für radikale Bewegungen stimmen – in der Tiefe ihres Herzens bewegt werden, auch wenn sie gewohnt sind, in den sozialen Medien die entsetzlichsten Dinge zu sehen? Ich beneide die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätten nicht um diese Transformationsaufgabe hinein in eine veränderte Zukunft.“

Leonore Bellotti, ehemalige Inhaftierte des sowjetischen Speziallagers in Sachsenhausen: „Ich finde es außerordentlich wichtig, dass die Stiftung und ihre Gedenkstätten, die ein großer Anziehungspunkt für nationale und internationale Gäste sind, in ihrer vielfältigen Erinnerungsarbeit unterstützt werden. Weil ich die Arbeit der Gedenkstätte ebenfalls unterstützen wollte, habe ich vor einigen Jahren meine wertvollen Erinnerungsstücke aus dem Speziallager, wo ich mit meiner Mutter inhaftiert war und meinen späteren Mann kennenlernte, der Gedenkstätte Sachsenhausen übergeben. Aus dem Wenigen, was wir hatten, haben wir kleine Handarbeiten angefertigt, die uns damals viel bedeuteten. Diese wenigen persönlichen Gegenstände aus dem Speziallager haben wir in der Familie über Jahrzehnte sorgfältig aufbewahrt, da sie uns an die schwerste Zeit unseres Lebens erinnert haben. Ich bin froh, dass sie jetzt am Ort ihrer Entstehung dauerhaft aufbewahrt werden und von unserem Schicksal erzählen.“

Die 1993 gegründete Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (SBG) betreut als rechtlich selbständige Stiftung des öffentlichen Rechts mit ihren mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, die Gedenkstätten Zuchthaus Brandenburg-Görden und Opfer der Euthanasie-Morde in Brandenburg an der Havel, die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam sowie die Gedenkstätte Lieberose-Jamlitz und die Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald als Außenstellen von Sachsenhausen. Aufgabe der Stiftung ist es, an Terror, Krieg und Gewaltherrschaft zu erinnern, die Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit diesem Thema zu fördern und ein würdiges Gedenken an die Opfer der Verbrechen der Gewaltherrschaft des NS-Regimes sowie der sowjetischen Besatzungsmacht und der DDR zu ermöglichen. Das Land fördert die Arbeit der SBG in diesem Jahr mit rund 4,03 Millionen Euro, weitere rund 3,56 Millionen Euro kommen vom Bund.

Weitere Informationen: www.stiftung-sbg.de

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