Irgendwer erzählt dir, Handtaschenabschneider lauerten in allen südlichen Ländern hinter jeder nur erdenklichen Ecke und klauten dir deine paar Devisen vom Motorrad aus, und rät dir, dein Geld im Brustbeutel zu verstauen. – Überhaupt: eine allein reisende Frau! Freiwild, meine Dame!“ Aber, wie war es wirklich? Alles weitere wird man sehen oder lesen …
In dem Kinderbuch für das Erstlesealter oder zum Vorlesen „Die Flöte mit dem Wunderton“ von Martin Meißner geht es um Sebastian, der klein ist, rundlich, wasserscheu und ziemlich ängstlich. Schleifen kann er auch noch nicht binden. Und wenn es unangenehm wird, verdrückt er sich gern und wartet ab, bis alles vorüber ist. Es geht aber auch um einen riesenhaften Hund und um eine kleine Igelfamilie, die Sebastian schon seit langem beschützt, und natürlich um seine Flöte mit dem Wunderton.
„Jenseits des Stromes“ von Heinz Kruschel spielt in einer lange vergangenen Zeit, als die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften das Leben im Dorf der DDR bestimmten. Der Rinderzüchter Karl Röske wird Mitte der 1960er Jahre in eine LPG im Norden geschickt, in der die Feldbaubrigadierin, alleinstehende Mutter von zwei Kindern, gerade mal 180 Mark im Monat nach Hause bringt. Erst beobachtet er nur, doch dann mischt er sich mit klugen Ratschlägen ein.
In der erstmals 1971 im Verlag Neues Leben Berlin erschienenen Erzählung „Arzt im Atlantik. Ein Brief von Bord“ von Dietmar Beetz versucht ein junger Arzt, der auf dem Fang- und Verarbeitungsschiff ROS 321 „Anna Seghers“ aus Rostock mitfährt, seine Frau davon zu überzeugen, dass es für ihn richtig und wichtig war, zur See zu fahren. Und auch die Leser versucht er davon zu überzeugen. Was meinen Sie?
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Auch heute präsentiert EDITION digital noch einmal einen Blick zurück in die Zeit kurz vor und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wiederum gesehen aus der Perspektive eines Kindes. Der Junge, über den der Autor schreibt, dieser Junge war der Autor selbst, der über seine eigenen Erlebnisse in Krieg und Nachkriegszeit schreibt. Und selbst in sehr schwierigen Zeiten gibt es Fünkchen von Hoffnung.
Erstmals 2006 erschien in der Edition Erata im Leipziger Literaturverlag „Fluchtkind oder Die langen Schatten der toten Lokomotiven. Roman in Folgen“ von Reinhard Bernhof: In 29 Kurzgeschichten beschreibt der Autor seine Erlebnisse als Kind bei der langen gefährlichen Flucht aus Breslau, den ersten Kontakt mit Amerikanern und Russen, die Ausgrenzung in der neuen Heimat, aber auch die Begegnung mit hilfsbereiten Menschen. Der ewige Hunger des Heranwachsenden in der Nachkriegszeit und die teilweise krummen Wege, um ihn etwas zu stillen, und das erste aus Schrott zusammengebaute Fahrrad sowie sich langsam entwickelnde Freundschaften lassen ihn in der neuen Heimat ankommen. Das Buch richtet sich an Kinder ab 12 Jahren und weckt ihr Interesse für Geschichte, Abenteuer und die Bedeutung von Freundschaft und Mitgefühl in schwierigen Zeiten.
Lesen Sie, welche Rolle das Essen damals spielte:
Das Festessen
Ich arbeitete schon seit Tagen bei einem Bauern, band Garben und stellte sie zu Puppen zusammen. Endlos das Feld, endlos bis zum Eisenbahndamm. In der Mittagspause, wenn ich die Suppe und das Brot verschlungen hatte, streckte ich mich auf der Stelle lang aus, dämmerte dahin und vernahm nur noch schwach die Stimmen der Dorfbewohner und Flüchtlinge, die ebenfalls für den Bauern arbeiteten, und dass dieser zur Hochzeit seiner Tochter ein Schwein schlachten wolle. Als ich erwachte, leckte ich mir unwillkürlich die Lippen, denn ich war im Traum auf einer Hochzeit gewesen und hatte mich dort satt essen können und zwischendurch mit den vielen Mädchen getanzt, die in Gruppen zusammenstanden und nur darauf warteten, von mir zum Tanz geholt zu werden … Langsam wurde ich missmutig, weil mir alle Einzelheiten und ein bestimmtes Mädchen, in das ich mich verliebt hatte, wieder entfallen waren. Ich wusste weder genau, wo dieser Ort gewesen war noch was ich gegessen hatte. Wenn ich doch nur nicht so schnell aufgewacht wäre. Aber ich war es ja gewohnt als Flüchtlingsjunge, auf alles zu verzichten, und so bemitleidete ich mich nicht lange. Ich drehte mich auf die andere Seite und fuhr plötzlich schmerzgekrümmt auf, denn ich hatte meinen Furunkel am Arm gedrückt.
Das reinste Hundeeuter, hatte der Apotheker gesagt, als ich mit dem Vorwand, ein bestimmtes Mittel gegen Zimmerfliegen zu verlangen, gestern die Apotheke betrat. Der alte Apotheker hatte mir sofort schwarze Zugsalbe auf die Wunde gedrückt und darauf Gaze, über die er Heftpflaster karierte. Dein Organismus ist entkräftet, deine Mutter soll dir mehr zu essen geben, hatte er noch gesagt.
Vorsichtig umstreichelte ich mit dem Finger meine Wunde, bis der Schmerz nachließ.
Ich dachte wieder an den Bauern Wadewitz. Er könnte mich doch zur Hochzeit seiner Tochter einladen. Einmal sich so richtig satt essen können …
An die Arbeit, Leute! rief der Bauer.
Ich rappelte mich auf. Trotz der Graupensuppe mit den gewürfelten Speckschwarten, die ich gegessen hatte, war ich noch hungrig und stieß mit dem Fuß den leeren Behälter um.
Abends, als ich mit den Leuten nach Hause ging, überholte uns der Bauer Wadewitz auf dem Fahrrad und rief: Leute, am Sonnabend kann jeder zur Hochzeit meiner Tochter kommen. Da könnt ihr reinhauen, so viel ihr ins Scheunentor kriegt!
Mir wurde es beinah schwarz vor Augen, als ich hörte, dass mein Traum in Erfüllung gehen sollte. Die anderen jauchzten und brachen in Hochrufe aus. Ich aber schwieg und stand hinter den anderen. Unscheinbar kam ich mir auf einmal vor, weil ich der Jüngste von allen war und nicht beachtet wurde.
Zu Hause beim Abendbrot aß ich Pellkartoffeln mit Quark.
Iss dich richtig satt, bevor du ins Bett gehst, sagte meine Mutter. Bist bestimmt sehr müde.
Werde bis Sonnabend nicht mehr viel essen, sagte ich und erzählte von dem bevorstehenden Hochzeitsfest beim Bauern Wadewitz, dass wir alle eingeladen worden seien, und dass ich mit einem Riesenkohldampf dort hingehen würde, um mir den Bauch so richtig vollzuschlagen.
Das hätte ich dem Bauern Wadewitz nicht zugetraut, sagte meine Mutter. Die Leute im Dorf erzählen doch, dass er ein tüchtiger Geizkragen sei.
Deswegen esse ich bis Sonnabend nichts mehr, sagte ich.
Das hältst du doch nicht aus, sagte meine Mutter.
Bis Sonnabend esse ich keinen Bissen mehr, sagte ich entschlossen.
Das sind ja noch zwei lange Tage! rief meine Mutter.
Bis Sonnabend esse ich keinen Bissen mehr, wiederholte ich energisch.
Die Katze der Wirtsleute, die sich miauend an meine Beine schmiegte, stieß ich beiseite. Sie setzte sich auf den sauber gescheuerten Fußboden und streckte die Hinterpfote wie eine Pistole heraus und beleckte mich mit zusammengekniffenen Augen. Ich hatte plötzlich keinen Sinn für sie, dachte nur noch an die bevorstehende Hochzeit – und dabei war mir sonderbar zumute; es kam mir vor, als wüchse vor mir eine immer größer werdende Aufgabe. Die ganze Nacht konnte ich nicht richtig schlafen. Wieder und wieder wachte ich auf und wälzte mich im Bett herum. Unentwegt dachte ich daran, was mir der Sonnabend bringen würde, und geriet in große Unruhe. Als erstes gibt es Wurstsuppe, dachte ich, davon esse ich einen halben Eimer voll. – Ich überlegte, dass die vielen Reibselsuppen, Holundersuppen, Rübensuppen und all das andere angerührte Zeug, das ich bisher in meinem Leben gegessen hatte, dass all diese Suppen, in eine Wanne gegossen … Ojemine, eine so große Wanne gab es auf der ganzen Welt nicht. Wollte man dagegen alle guten Speisen und Gerichte zusammenschütten, die ich bisher gegessen hatte, so würde vielleicht nicht einmal der Behälter voll, den ich auf dem Feld mit dem Fuß umgestoßen hatte …
Als ich zwei Tage kaum was gegessen hatte und am Sonnabend erwachte, fühlte ich mich mürrisch und dachte: Den Wadewitz werde ich aber heute tüchtig arm fressen. Habe oft genug für ihn geschuftet. Bei diesen Gedanken getraute ich mich nicht, mein Frühstück – Marmeladenbrot und eine Tasse Milch – zu mir zu nehmen, so wie meine Mutter an den zwei Tagen zuvor schon vergeblich den Tisch gedeckt hatte. Auch die Kartoffelsuppe, die es gestern gab, rührte ich nicht an, aus Angst, ich könnte heute nicht genügend Hunger haben. Meine Mutter räumte stillschweigend den Teller ab. Ich biss die Zähne zusammen, starrte vor mich hin und sagte: Heute Abend werde ich mich aber auf alle Speisen stürzen …
Ob sie dir dann auch alle bekommen werden, sagte meine Mutter.
Ich habe doch einen Magen wie eine Blechbüchse, der alles aushalten kann, sagte ich.
Endlich begann es, Abend zu werden. Ich hatte nachmittags noch einige Stunden mit den Schnittern auf dem Feld verbracht. Auf dem Rückweg bin ich gar nicht erst nach Hause gegangen, um mich frisch zu machen, sondern beeilte mich, schnurstracks an die Festtafel zu gelangen. Die Feuerwehrkapelle spielte bereits, und die Resonanz der Blasmusik hatte das ganze Dorf in eine festliche Stimmung versetzt. Als ich ankam, platzierten mich einige Leute an einen der vielen mit Girlanden und Lampions geschmückten langen Tische. Die Bäuerin brachte mir sofort einen schönen Steingutteller, den sie bis an den Rand füllte. Fingerdick stand das gelbe Hühnerfett auf der Suppe, es teilte sich nicht in Augen, sondern bildete eine einzige goldmatte Schicht.
Iss dich satt, mein Junge, sagte die Bäuerin und strich mir übern Kopf.
Ich nahm den frisch geputzten Silberlöffel und machte mich an die Arbeit. Meine Därme zitterten, ich vermochte meine Gier, trotz der Hitze, die noch in der Suppe steckte und die ich wegzupusten versuchte, kaum zu bändigen.
Als der Teller leer war, ließ ich mir noch einen zweiten, einen dritten Teller füllen; dazu frisches Brot. – Bald jedoch hatte ich eine schreckliche Vermutung, die in Bestürzung überging, plötzlich hatte ich das Gefühl, keinen Hunger mehr zu haben.
Blässe überzog mein Gesicht. Blitzartig ging mir der zweifelnde Gedanke durchs Gehirn, ich werde das, was ich mir vorgenommen hatte, wohl nicht schaffen; denn ich sah mich um und entdeckte auf allen Tischen große Schüsseln mit mir unbekannten Salaten und große Berge mit Hühnerkeulen … In diesem Augenblick servierte die Bäuerin eine Riesenplatte voll ockerfarben gebratenen Fleisches. Eine zweite Frau räumte meinen leeren Teller ab, stellte einen Unterteller vor mich hin und fragte: Na, hat dir die Hühnersuppe geschmeckt? Sogleich legte sie mir mehrere Fleischstücke auf den Teller, dazu gabs Kartoffelsalat.
Ich runzelte die Brauen, meine Kiefer schnappten zu, mir war, als verwandelte sich das Essen plötzlich zu einem Gegner, und ich musste ihm zu Leibe rücken. Ich aß die duftenden Fleischscheiben mit dem Salat, schön mit Essiggurken, Zwiebeln und ausgelassenem Speck versetzt, zusammengepappt mit Mayonnaise; dann gabelte ich noch Wiener Würstchen aus einer großen Porzellanschüssel. – Unterdessen hörte ich die Bäuerin von mir sprechen, dass dort, wo ich herkäme, Schlesisches Himmelreich gegessen werde, mit Backpflaumen, Birnen und Klößen, und dass ich herumgezogen sei, auf Pferdefuhrwerken, in Eisenbahnzügen, von Lager zu Lager, von Notquartier zu Notquartier, und ihre Augen glitzerten wie Quecksilberkügelchen.
Ein Lächeln trat auf meine Lippen, weil ich, der ich mir manchmal als unscheinbarer Junge vorkam, beachtet wurde. Ich sah doch aus, wie ein Mensch eben aussieht: mit zwei Augen und einer Nase … Aber an das „Schlesische Himmelreich", von dem die Bäuerin gesprochen hatte, konnte ich mich nicht erinnern, es je gegessen zu haben.
Die Druckausgabe von „Katakomben und Erdbeeren. Notizen einer italienischen Reise“ von Waldtraut Lewin erschien erstmals 1977 im Verlag Neues Leben Berlin.
Reisen in Italien – Versuch der Annäherung an ein Land, das zum Handlungsort bekannter Romane der Autorin wurde.
Die erste Reise führt nach Rom, Venedig und Mailand, zu den Weinbauern der Campagna, aber ebenfalls nach Pompeji. Faszination der Historie, beeindruckende Gegenwart – Altes und Neues durchdringen einander.
So liest sich die Ankunft in Mailand:
Meine abendliche Ankunft in Mailand ist von Schwierigkeiten begleitet, einem, wie sich dann erweist, unnötigen Umsteigen, der Qual des schweren Koffers, dem Kaufen eines U-Bahn-Fahrscheins, das sich zu einer Farce auswächst, weil ich kein Kleingeld habe. Schließlich lasse ich nach bewährter Manier den Koffer in der Gepäckaufbewahrung und ziehe mit leichter Bagage los, ein Hotel zu suchen. Vor Müdigkeit nehme ich das erste beste, es macht einen teuren Eindruck, aber wie wohltuend, wenn dir der Hausdiener mit sanfter Hand einen Taschenriemen von der Schulter nimmt, den Fahrstuhl mit dir besteigt und freundlich erklärt, das Zimmer liege zwar im sechsten Stock, sei dafür aber weniger laut.
Sechster Stock. Gegen neun Uhr abends. Ich dusche und mache mich für eine ausgiebige Nachtruhe zurecht. Während ich mir das Gesicht mit Creme einreibe, wundere ich mich, dass ein paar riesige Fliegen wie besessen durch das Zimmer sausen, und finde naserümpfend, dergleichen sei in der Luxusklasse eigentlich unerhört. Da geschieht es. Das Haus bebt. Mit metallischem Knirschen und dumpfem Donnern schlägt der Fahrstuhl in seinem Schacht hin und her. Die Gardinen wehen, der Fußboden schwankt wie das Deck eines Schiffs, meine Tasche kippt vom Tisch.
Ich bin starr vor Angst, sitze auf dem ächzenden Bett und halte mich fest. Nach einigen Sekunden ist es vorbei. Totenstille. Und keine Fliege mehr zu sehen.
Mit aufeinander schlagenden Zähnen raffe ich meine Tasche vom Fußboden, werfe meine Kleider über, zögere. Erdbeben gibt es doch in dieser Gegend nicht. Oder? Habe ich eine Halluzination gehabt? Mein Blick schweift noch einmal durch dies grässliche Zimmer. Die Jalousie, die vorhin gerade war, hängt jetzt schief in ihrer Führung. Da reiße ich die Tür auf und renne die Treppen hinunter, so wie ich als Kind beim Fliegerangriff in den Keller gerannt bin.
Die Hotelhalle ist voller Menschen. Ich kannte das Wort vorher nicht, aber verstehe es sogleich: il terremoto. Das Erdbeben. Also doch. Portiers und Geschäftsführer tun, was Portiers und Geschäftsführer in aller Welt gewöhnlich in solchen Situationen unternehmen: Sie beruhigen und beschwichtigen. Die Ausläufer eines ganz fernen winzigen Bebens, sicher. Das Hotel sei erdbebenfest gebaut, eine vorzügliche Konstruktion. Die Herrschaften sollten bitte auf ihre Zimmer zurückgehen, kein Grund zur Beunruhigung, alles sei vorbei …
Da ich es auf die Dauer zu dumm finde, in der Halle herumzustehen, gehe ich nach einer Viertelstunde wieder die sechs Treppen hinauf. Keine Macht der Welt wird mich bewegen, in diesen furchtbaren Fahrstuhl zu steigen. Ich schlafe unruhig, erwache kurz nach Mitternacht, wie ich glaube, vor Hysterie. Aber später erfahre ich dann, dass die Erde um diese Zeit in der Tat noch einmal leicht gebebt hat. Erst gegen Morgen schlafe ich ohne Angst ein. Meine erste Tat am nächsten Tag ist, mir ein anderes Hotel zu suchen.
Aus der Abendzeitung erfahre ich dann, was wirklich geschehen ist, was sich in Friuli und anderen Teilen Norditaliens ereignet hat. Ich fühle, wie mir eine Gänsehaut über den Rücken läuft. Eigentlich hatte ich gestern vor, noch weiter in den Norden zu fahren, zum Gardasee … Die Zeitung berichtet vorerst von sechshundertsechzig Toten. Halb Mailand, heißt es, sei aus den Häusern geflohen, vor allem die Bewohner der Hochhäuser im Neubauviertel.
Auf dem Domplatz ist eine fliegende Ambulanz eingerichtet, wo man für die Opfer der Katastrophe von Friaul Blut spenden kann. Die Leute stehen Schlange davor.
Und mit der törichten Beschwichtigung, dass ich nun mein Erdbeben erlebt habe und mir nichts mehr passieren könne, fahre ich zurück in mein neues Quartier. Die paar Tage bis zum Abflug meiner Maschine nach Haus werde ich schon überstehen.
Die Druckausgabe „Die Flöte mit dem Wunderton“ von Martin Meißner erschien erstmals 1987 in Der Kinderbuchverlag Berlin. Sebastian ist klein, rundlich, wasserscheu und ziemlich ängstlich. Schleifen kann er auch noch nicht binden. Wenn’s unangenehm wird, verdrückt er sich gern und wartet ab, bis alles vorüber ist.
Diesmal aber hat er Angst. Er bangt um seine kleine Igelfamilie, die er schon seit einiger Zeit beschützt. Ein riesenhafter Hund steht vor den fünf stachligen Kugeln und greift die merkwürdigen Gegner immer wütender an. Sebastian fürchtet um das Leben seiner Schützlinge, denn er weiß nicht, wie lange Igel sich auf diese Weise einrollen können. Und da besinnt er sich auf seine Flöte mit dem Wunderton …
Lernen Sie den kleinen Sebastian etwas näher kennen:
Sebastian war froh, dass er hier bei Hilda in der Küche sein konnte. Er schaute auf und betrachtete das Gesicht der großen Frau.
„Du siehst schön aus, Hilda!“, sagte er.
Die Frau drehte sich ihm zu und horchte einen Moment. Sie guckte ihn verwundert an. Dann trat sie vor den Küchenschrank und betrachtete in der Scheibe ihr Gesicht. Sie lächelte und strich sich mit der Hand die Haare aus der Stirn.
„Nein, Sebastian“, entgegnete sie dann. „Fräulein Lauschert ist schön. Und deine Mutti. Aber ich doch nicht. Sieh mal meine Nase an. Sie ist zu groß, wie meine Ohren zu groß sind. Vielleicht hast du es schon gemerkt, ich gehe etwas nach vom gebeugt. So sehen meine Arme länger aus, als sie in Wirklichkeit sind. Und sie baumeln beim Gehen ein bisschen herum.
Alles an mir ist zu grob. Wie bei einer Figur aus Holz, bei der ein Schnitzer die Geduld verlor und statt mit einem feinen Meißel zuletzt mit der Axt weitergearbeitet hat.“
Sebastian trat näher an Hilda heran. „Ich möchte dich mal streicheln“, sagte er. Er strich mit seiner Hand erst an ihrem Arm herunter, dann streichelte er ihre Wange.
„Du musst es glauben, Hilda“, sagte er. „Du siehst am schönsten aus.“
„Jenseits des Stromes“ von Heinz Kruschel war erstmals 1964 im Mitteldeutschen Verlag Halle/Saale erschienen. Der Rinderzüchter Karl Röske wird Mitte der 1960er Jahre in eine LPG im Norden geschickt, in der die Feldbaubrigadierin, alleinstehende Mutter von zwei Kindern, gerade mal 180 Mark im Monat nach Hause bringt. Erst beobachtet er nur, doch dann mischt er sich mit klugen Ratschlägen ein. Die Genossenschaftsbauern sehen sofort an ihrem Geldbeutel, dass sich gute Arbeit auch auszahlt. Er findet Freunde, Mitstreiter, aber auch hasserfüllten Klatsch. Eigentlich sollte Röske nur einige Monate bleiben, höchstens ein Jahr. Als aber der Vorsitzende der Genossenschaft und der Bürgermeister vom Kreis seine Abberufung verlangen, damit ihr geordnetes, ruhiges Leben nicht gefährdet ist, sträubt sich Röske.
Das spannend geschriebene Buch gibt einen interessanten Einblick in eine vergangene Zeit, als die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften das Leben im Dorf der DDR bestimmten.
Lesen Sie über erste Begegnungen mit Heinz Röske: Eine Frau wartete. Sie stand am Zaun und wusste nur, dass der Mann jeden Abend durchs Dorf ging, und sie wartete auf ihn und kam sich nicht vor wie ein junges Mädchen, das während der Tanzstunde das Herz flattern spürt, ob sie denn wohl aufgefordert wird. Die Frau war über das Alter hinaus, sie hatte weder Tanzstunde noch Eltern kennengelernt, sie war immer genommen worden, meist gegen ihren Willen. Sie hatte vom Leben nichts mehr wissen wollen. Nun war dieser Mann gekommen, der ihr harte Worte gesagt hatte, über die sie lange nachdenken musste. Der Mann hatte sie nicht geil angesehen, er hatte ihr geholfen, wie er vielen im Dorfe geholfen hat, auf eine einfache Art, ohne große Geste, ohne viel Worte.
Der Mann gefiel ihr. Darum wartete sie auf ihn. Darum hatte sie die weiße Bluse mit dem runden Ausschnitt an. Darum hatte sie sich in ihrem Zimmer die Lippen nachgezogen, sich verlacht ob ihrer Ungeschicklichkeit, denn sie hatte einen Fleck in das Handtuch gerieben. Trude Blechschmidt hätte nicht erklären können, was in ihr vorging. Sie hatte sich gesagt: Es ist lächerlich, was du denkst, was du dir wünschst. Was weißt du von dem Manne, und wie werden die Leute reden, und du wolltest dich nie wieder mit einem Kerl einlassen, geh sofort ins Haus zurück und wisch dir die Lippen ab und zieh das geschlossene Kleid an.
Aber sie ging nicht. Sie hatte vor zwei Stunden aus Fiete Bohnsacks Laden Bohnenkaffee und eine kleine Flasche Kognak gekauft.
Sie sagte sich, wie zur Entschuldigung: Ich muss ihm von dem Gespräch erzählen, das ich im Laden mit angehört habe, er soll davon erfahren, darum stehe ich hier. „Das muss man dem Röske lassen", hatte die Bohnsack gesagt, „der hat uns alle hier aufgemöbelt und seine Aufgabe erfüllt wie wohl kein anderer. Aber nun ist es wohl genug, wir sind nicht dumm und würden uns ein Armutszeugnis ausstellen, nein, niemand kann von ihm verlangen, dass er ewig hierbleiben soll."
Ilse Prager hatte einen neuen Fünfzigmarkschein aus der Tasche geholt und geantwortet: „Siehst du, Fiete, das ist mehr als ein Schein, das ist eine Prämie, frisch und eben auf dem Felde erhalten. Du staunst? Als ich früher bei dir sauber machte als Mädchen, habe ich mal zwei Mark gekriegt, wenn ich auf meinen Sonntag verzichtete, manchmal aber nur; Schwamm drüber, die Zeit ist vorbei. Aber der Röske wird bleiben, verlass dich drauf. Es sei denn, er will selber weg."
Fiete hatte mokiert die Lippen gespitzt. Sie ließ sich nicht gern daran erinnern, dass die Prager mal ihr Dienstmädchen gewesen war. „Was soll er noch hier", hatte sie gesagt, „den Rest schaffen unsere Männer, keiner wird ihn halten können, keiner." Dabei hatte die Alte mich angesehen, dachte Trude, oder bilde ich mir das nur ein, sehe ich schon Gespenster? Nein, sie wollen den Röske los sein, die Fiete und Kätelhöhn und Projahn und Freddrich.
Als Karl Röske kam, verschränkte sie die roten, rissigen Hände auf dem Rücken und blickte ihm entgegen, als wäre es selbstverständlich für sie und ihn, dass sie sich trafen, als hätten sie sich verabredet. So stellte sie es sich auch vor.
„Ärgerst du dich noch?", fragte sie ihn.
„Ich weiß nicht, worüber", sagte er und grinste, „aber wenn ich dich sehe, sowieso nicht, du hast Staat angelegt."
„Eine frische Bluse nach elf Stunden Feld", sagte sie schnippisch.
„Sie gefällt mir."
„Deine Hose ist wieder trocken, was?"
„Ich glaube", sagte Röske und schlenkerte mit einem Bein wie ein übermütiger Junge.
„Und kein Schnupfen?"
„Nein."
„Da hast du Glück gehabt."
„Ach Gott."
„Du hast überhaupt Glück, Instrukteur. Die Zeitung hat auch eine Berichtigung bringen müssen. Das hast du gut gedreht."
„Das war ich nicht mal, sondern Roost", sagte Karl. Der alte Urban kam aus dem Haus, eine Angelrute über der Schulter, und grüßte schalkhaft. Heute würden die Fische beißen, meinte er, auch die Aale, nicht wahr, Trude?
Sie sahen ihm nach. Dann ging die Frau einige Schritte in den Vorgarten hinein, pflückte einen Blumenstern und sagte: „Dann will ich hoch. Oder hast du Lust auf eine Tasse Kaffee?"
„Das Herz verträgt sie, auch am Abend. Wo ich ohnehin noch zur Nachtschicht will, gern."
Trude Blechschmidt zögerte einen Augenblick in der Tür, dann stiegen sie schnell die schmale Treppe empor. Er sah sich neugierig in dem Zimmer um, während sie mit dem Geschirr klapperte. Es war einfach und sauber. Sie hatte alles vorbereitet. Der Kaffee war gemahlen, und die Tassen standen bereit. Das machte ihn froh und verlegen.
Sie tranken schweigend. Der Kaffee war stark gekocht. Dann rauchte er, während sie hastig von dem Gespräch im Konsum erzählte.
Sie schenkte einen Kognak ein.
„Auf dein Wohl, Mirza Kviek", sagte er.
„Das war einmal."
„Es passt aber besser zu dir."
Sie musste daran denken, dass vor Jahren in der Kutscherwohnung ein Mann ihr auch so gegenübergesessen hatte, der Sohn des Schiffsbesitzers Projahn, der Paul, ein starker Kerl. Sie wollte die Bilder zurückdrängen, aber es gelang ihr nicht. Er hatte Kognak getrunken und gelacht dabei. Was, dein Mann, hatte er geprahlt, lächerlich, der Kutscher, der Speichellecker, der Säufer. Wir werden heiraten, du lässt dich scheiden, was ist das für ein Leben für eine Frau wie dich. Schöne Worte sind Weihrauch. Trude hatte sie geglaubt, diese Worte, die ihr Herz streichelten, und sie gab sich dem Manne hin, während der eigene mit dem Gutsherrn unterwegs war. Immer kam Paul zu ihr, er wusste, wann sie allein war. Bis zu dem Tage, da sie ihn hinausprügelte, weil sie von der Verlobung mit Stine Bohnsack erfahren hatte. Die Prügel hatte er ihr bis heute nicht verziehen.
„Du bist still geworden, ich glaube, du hörst auch nicht zu", sagte Röske leise. „Müde? Es ist wohl auch Zeit."
„Bleib nur, manchmal spazieren die Gedanken, und man kann sie nicht aufhalten und möchte es gern."
„Dein Fehler, denk an heute."
„Leicht gesagt, es ist schon zu spät."
Er nahm ihre Hand. „Siehst du", sagte er, „deine Lebenslinie läuft bis zum Handgelenk. Du wirst achtzig Jahre alt und mehr. Dann hast du Zeit, dir die Vergangenheit zurückzuholen."
„Hokuspokus. Trinken wir."
Ihre Augen glänzten. Sie füllte die Gläser. „Was denkst du eigentlich von mir?"
„Ist das wichtig?"
„Sehr."
Sie sah an ihm vorbei. Röske liebte keine schönen Worte, er kannte Frauen, die nur Süßholz haben wollten. Aber diese ist anders, das fühlte er, das wusste er. Wenn man das durchgemacht hat, ist man misstrauisch jedem schönen Worte gegenüber.
„Was möchtest du hören?"
„Nichts."
„Das ist besser." Er erzählte von sich und seinem Leben, obwohl sie ihn nicht danach gefragt hatte, und von Weißlose. Hier würde man einen Fehler beseitigen und gleich drei neue dabei kennenlernen oder auch selber machen, meinte er, und dabei seien die Menschen nicht anders als in seinem Dorfe. Aber kann man sich wohlfühlen, wenn Menschen unglücklich sind?
„Man spricht gut über dich", sagte die Frau, „wir haben hier dahingeschludert, es war jedem gleichgültig, was geschah …" Und nach einem Augenblick: Nun sei er gekommen …
Röske schüttelte den Kopf. Was ist das schon. Ein Mann kommt ins Dorf, und alles verändert sich? Wenn das so leicht wäre. Viele hätten das tun können, Hansi oder Urban oder die Prager, Hingst, der Schäfer, Roost. Sie auch, die doch immer gewartet hat auf ein Leben ohne Herren.
„Früher", sagte sie, „früher haben wir es noch versucht, ich auch. Aber ohne Nutzen. Man musste nachher rabiat werden, um existieren zu können."
„Wem gehört denn die Produktion? Euch."
„Ein schönes Wort. Das Gefühl kannten wir hier nicht." Röske dachte: Sie hat recht. Ist es jetzt schon anders? Kann nicht ein Windstoß viel wieder zum Einsturz bringen? Er hat es gemerkt, als der Artikel erschienen war. Manche sind sofort zurückhaltend geworden.
„Auch du musst mir helfen."
„Was ist das schon."
„Für mich viel, Mirza."
„Ja, wenn man ein zweites Mal leben könnte, ganz von vorn."
„Man muss richtig leben."
Erstmals 1971 erschien im Verlag Neues Leben Berlin die Erzählung „Arzt im Atlantik. Ein Brief von Bord“ von Dietmar Beetz.
Nordatlantik. Das bedeutet Kälte, Sturm, Nebel. Aber dort oben, zwischen Kanada und Grönland, treffen sich Schiffe aus allen Ländern Europas und aus Nordamerika: Fischfänger, Fischverarbeiter. Auf dem Fang- und Verarbeitungsschiff ROS 321 „Anna Seghers“ aus Rostock fährt ein junger Arzt. Es ist seine erste Seefahrt, sein großes Abenteuer. Der Aufbruch kam ziemlich rasch, überraschend sogar für die Frau, die selbst Ärztin ist und die die Seefahrtsträume ihres Mannes nicht so ernst genommen hat. Jetzt beginnt der Arzt einen langen Brief an sie. Er erzählt vom Leben an Bord, von seiner Arbeit, von „Hausbesuchen“ auf stürmischer See, von einer Fahrt nach Kanada mit einem lebensgefährlich verletzten Patienten, von der Kameradschaft der Seeleute. Er will die Frau überzeugen, dass es für ihn richtig und wichtig war, zur See zu fahren. Und dem Autor gelingt es, den Leser zu überzeugen.
Lesen Sie selbst: „Oho, der Doc! Und die wasserdichten Hosen an! Willst wohl im Graben baden?“
„Dir werd ich: von wegen Graben …“
Ausführlicher erwidere ich die Anspielung nicht; denn obzwar mir das bootsmännliche Mundwerk und zudem eine gewisse Diskrepanz zwischen angekündigten und tatsächlich ausgeführten Handlungen bekannt sind, bewegt mich die Aussicht, in der nächsten Minute zum ersten Mal die JAKOBSLEITER hinab- und ins Schlauchboot übersteigen zu müssen, einigermaßen: Immerhin soll’s vor nicht mal angegrauter Zeit hin und wieder üblich gewesen sein, bei dieser Gelegenheit einem unbeliebten Fahrgast zu einem unfreiwilligen Vollbad im GRABEN, dem variablen Spalt zwischen Schiffshaut und Schlauchbootwulst, zu verhelfen. Brillenträger, wissen Augenzeugen zu berichten, wurden dabei bevorzugt; und ich trag nun mal so ein Ding auf der Nase.
Plötzlich war es so weit. Fast unmerklich hatten wir an Fahrt verloren und schließlich gestoppt. In vielleicht hundert Meter Entfernung schob sich ein Trawler längsschiffs: die ILMENAU – hell erleuchtet. Der Bootsmann und drei Matrosen verschwanden hinter der Reling; zuvor hatten sie das Schlauchboot vollends zu Wasser gebracht.
So, und nun bin ja wohl ich an der Reihe.
„Na, denn man tau!“, sagt Karlheinz. Er friert augenfällig und hat noch was hinter den Stimmbändern; das will heraus; man merkt es ihm an.
„Und für alle Fälle: Wenn ihr nach Grönland müsst oder nach Kanada – dass du mir wiederkommst; du weißt ja …“
Wie reagiert ein staatsbewusster Bürger auf einen so massiven ANWURF? – Er nimmt erst mal den Fuß vom untersten Relingsstab herab, dreht sich um und schüttelt den Kopf. Und obwohl der nächste Blick erkennt, dass keine Antwort erwartet wird, kann eine möglichst scharfe Erwiderung nicht verkniffen werden.
„Spar dir wenigstens diesmal deinen Spruch! Kinder bleiben nachts im Bett; ich bin aufgestanden, um da drüben zu helfen – also bin ich anscheinend kein Kind mehr.“
„Gut gebellt; hast recht. Na dann: Hals- und Beinbruch!“
Und das werd ich so bald nicht vergessen: die schwankenden Sprossenbretter, die griffigen Zöpfe aus Hanf; den Windstoß, der mir unter die Jacke fuhr; die Schiffshaut vor meiner Nase und auf den Wellen unter mir die huschenden Lichtreflexe …
Ums noch ein bisschen dramatisch zu machen, sei Dir vor Augen geführt, dass ich den ganzen Abstieg über gewissermaßen zwischen Himmel und Wasser hing, natürlich mehr zum Wasser hin, auf den unteren Sprossen so zwei bis einen halben Meter darüber, je nachdem – an sich keine Positur für die Dauer; da fährst Du Deine Hausbesuche bequemer.
„SPRING!“, schrie der Bootsmann, als die Dünung das Boot in die Nähe meiner Stiefelsohlen gehoben hatte und einen Augenblick lang in dieser Höhe hielt.
Nun denn! Ich sprang, und meine – wie oben beschrieben – reichlich verpackten fünfundachtzig Kilo Lebendgewicht landeten – nicht im Graben, nein, sondern auf vorgesehener Stelle: dem freien Fleck im Zentrum eines Lattenrostes, der außer für meine schätzungsweise für noch drei Paar Sohlenflächen Größe vierundvierzig Platz geboten hätte – Dezimeterarbeit also.
Kaum saß ich, den Rücken krumm, auf dem Backbordwulst, traten die Paddel in Aktion – vergeblich, wie mir zunächst erschien: Noch sekundenlang stand hinter uns die Bordwand, haushoch, neigte sich über uns – eine stürzende Mauer, kippte hintenüber und zog uns, zog uns nach, wuchs erneut und blieb dann doch zurück: Wir hatten uns vom Mutterschiff gelöst, waren, wenn man so will, in den Atlantik hineingeboren: So, nun seht zu, wie ihr zurechtkommt!
Jetzt wären Vergleiche möglich, bei denen ein BALL, eine gewisse Rolle spielt, beziehungsweise mit sich spielen lässt; daraus könnte man aber lediglich wieder mal folgern, wozu Passivität Passagiere verleitet. Zuschauer, meine ich, sollten zuschaun und schweigen; für die Akteure sprechen ohnehin in diesem Fall der Schweiß auf der Stirn und hinterher ein gehöriger Muskelkater.
Rühren wir uns also nicht auf dem Gummiwulst; ziehn wir den Kopf zwischen die Schultern und genießen die Situation! Die ist immerhin für uns erst- und einmalig; heimwärts, schätz ich und weiß ich inzwischen, stehn wir bereits mit der See und dem Wind darüber auf du und du; dann haben wir zwar in uns einen Blickwinkel mehr, dafür aber vor uns ein Erlebnis weniger – c’ est la vie.
„Doc, wie schläft sich’s denn so?“
„Wie …“
Parier mal, wenn’s dir im selben Moment ins Gesicht sprüht und – hoppla! Das eben war aber taktlos; da hat wer gleich ein paar Zähne zugelegt; Fahrstuhl ist dagegen eine Kinderschaukel.
„Haut ran, ’s briest auf!“, rief der Bootsmann.
Auch wenn die Ferien und der Urlaub in den meisten Fällen und bei den meisten Leuten inzwischen wohl schon wieder zu Ende sind, lohnt sich ein Blick in Reisebücher und Reiseberichte fast immer – selbst wenn es inzwischen gleichsam historische Texte sind wie die italienischen Reisenotizen „Katakomben und Erdbeeren“ von Waldtraut Lewin aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Es kommt hinzu, dass dieses Buch zumindest indirekt auch einiges über das Land erzählt, aus dem die Autorin stammte, und was ihr als DDR-Bürgerin damals in Italien aufgefallen war. Und wer möchte, der kann seine eigenen Italien-Reiseerfahrungen mit denen von Waldtraut Lewin vergleichen. Wie sieht es eigentlich mit Ihrem Italienisch aus?
Waldtraut Lewin war als Opernexpertin und Übersetzerin von Händel-Opern aus dem Italienischen die sehr musikalische Sprache gut vertraut, wie ein paar kurze Episoden in ihrem Buch zeigen: „Eh, bella, vieni“, ruft mir ein Motorradjunge zu und umkreist mich ein paarmal und dann in einer italianisierten Variante klassischen Spruchgutes: „Vieni, vedi, vici.“ Und da gebe ich meine erste schlagfertige Antwort in der Landessprache, nämlich: „Cesare si, tu no“, und bin mächtig stolz, als er lachend abzieht.
Von diesem Erfolg ermutigt, trabe ich in den Bahnhof zurück, nehme meinen Mut zusammen und telefoniere mir ein Hotelzimmer herbei. Dann rufe ich unsere Botschaft an. Italienisch, versteht sich. Und nach einem kurzen Dialog sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung zögernd: „Sagen Sie, sprechen Sie auch deutsch? Es geht vielleicht doch einfacher.“
Viel Vergnügen beim Lesen sowie beim Erinnern an den diesjährigen Urlaub und beim Planen für die Reisen des nächsten Jahres, noch ein paar schöne Sommertage, bevor am nächsten Sonnabend, 23. September, 08.50 Uhr, also zum Frühstück, in Deutschland offiziell der Herbst beginnt, bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.
In der nächsten Woche steht unter anderem ein packender Text von Erik Neutsch im Sonderangebot. Der Autor hatte sich schon zu DDR-Zeiten nicht gescheut, Konflikte und Wiedersprüche im Sozialismus anzusprechen und auf Veränderung zu drängen. In „Akte Nora S.“ passiert Ungewöhnliches: Nora S. hat Einspruch gegen ihre fristlose Kündigung erhoben, will aber auch die Stelle im Geologischen Dienst, die ihr, ohne sie zu fragen, mit Ministergewalt verschafft wurde, antreten. Sie besteht darauf, sie selbst zu sein und jedenfalls nicht so, wie dieser und jener sie gern haben möchte, die Betriebsleitung und Betriebsgewerkschaftsleitung eingeschlossen.
EDITION digital war vor 28 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Inzwischen gibt der Verlag Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) sowie Kinderbücher gedruckt und als E-Book heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.300 Titel. E-Books sind barrierefrei und Bücher werden klimaneutral gedruckt.
EDITION digital Pekrul & Sohn GbR
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Pinnow
Telefon: +49 (3860) 505788
Telefax: +49 (3860) 505789
http://www.edition-digital.de
Verlagsleiterin
Telefon: +49 (3860) 505788
Fax: +49 (3860) 505789
E-Mail: editiondigital@arcor.de