Seit 2021 bietet die Frauenklinik des Universitätskrankenhauses Leipzig (UKL) unter der Leitung von Klinikdirektorin Prof. Dr. med. Bahriye Aktas eine komplementärmedizinische Spezialsprechstunde an. Einmal die Woche werden hier Patient:innen individuell beraten, wie sie ihre bisherige Behandlung mit Hilfe wissenschaftlich bewiesener Naturheilverfahren unterstützen können.
Die Sprechstunde ist die einzige ihrer Art am UKL und auf gynäkologische Erkrankungen fokussiert, vereinzelt lassen sich aber auch Frauen und Männer mit anderen Erkrankungen beraten. Nach einer Pause über die Sommermonate geht es nun im September wieder los. Ein Besuch in einer besonderen Einrichtung.

Donnerstagnachmittag in Haus 6 des UKL. In der komplementärmedizinischen Sprechstunde der Gynäkologie sitzt eine junge Frau und spielt nervös mit ihrer Kette. Sie trägt Turnschuhe, eine schwarze Hose und ein Top mit einer etwas zu groß wirkenden Jeansjacke darüber. Ihr gegenüber sitzt die Leiterin der Sprechstunde, die Gynäkologin Dr. Reinhild Georgieff. Aufmerksam hört sie der jungen Frau zu, die mit leiser, teils brüchiger Stimme von fünf Jahren wiederkehrenden Infektionen, Schmerzen und Hautproblemen im Intimbereich berichtet, einer Odyssee durch verschiedenste Arztpraxen in Leipzig und darüber hinaus, diversen Operationen und den Einschränkungen, die all das für ihr Privatleben bedeutet. 

Die Gynäkologin lässt die Patientin reden, weinen, Fotos zeigen. Hier und da macht sie sich Notizen oder hakt mit einer Zwischenfrage nach. Die junge Frau antwortet und offenbart dabei jede Menge Fachwissen. Das sei typisch für Patient:innen mit einem langen Leidensweg, sagt Dr. Reinhild Georgieff. "Erst wenn viele schulmedizinische Ansätze fehlschlagen, wird an die Komplementärmedizin gedacht." 

Tatsächlich ist das Anliegen der Komplementärmedizin, die Schulmedizin durch nachweislich sichere und wirksame Angebote aus der Naturheilkunde zu ergänzen. Das können Behandlungen mit Akupunktur, pflanzlichen Medikamenten oder bestimmte Diäten sein, für die es mittlerweile wissenschaftlich fundierte Leitlinien gibt. Zur richtigen Zeit in der richtigen Dosis angewendet, das haben Studien bewiesen, können sie etwa dazu beitragen, unerwünschte Nebenwirkungen einer Therapie zu lindern. Das spiele für viele Krebspatient:innen eine Rolle, sagt Dr. Reinhild Georgieff, die neben ihrem Doktor- und ihrem Facharzttitel in Gynäkologie und Geburtshilfe auch eine Zusatzausbildung in Naturheilverfahren und einen Master in Akupunktur vorweisen kann. "80 Prozent meiner Patient:innen – meist Frauen zwischen 20 und 70 – sind onkologische, die wir dahingehend beraten, wie sie mit Hilfe der wissenschaftlich belegten komplementärmedizinischen Methoden ihre Krebstherapien verträglicher gestalten können. Dahinter steckt der Wunsch, den Erfolg der Behandlung steigern zu können, und manchmal auch der, sich etwas Gutes zu tun."

Für eine solche Beratung braucht es neben einem umfangreichen Wissen um die Schul- und die Komplementärmedizin sowie den Wechselwirkungen zwischen beiden vor allem eines: jede Menge Zeit – für Anamnese, Diagnosestellung und Therapieplanentwicklung. Viele Patient:innen hätten darüber hinaus auch großen Aufklärungsbedarf, sagt Dr. Reinhild Georgieff: "Manchen geht es nur darum, sich eine zweite Meinung einzuholen oder abzuklären, ob ein bestimmtes Nahrungsergänzungsmittel zu ihrer Behandlung passt. In anderen Fällen haben wir es mitunter mit Menschen zu tun, die ihre Symptome im Internet recherchiert und sich ein scheinbar dazu passendes Präparat bestellt haben. Da müssen wir dann sehr viel genauer hinschauen. Damit sind "normale" Sprechstunden in der Regel überfordert." 

Das erklärt, warum die Komplementärmedizin trotz ihrer Erfolge ein immer noch rar gestreutes Angebot ist. Hinzukommt die Finanzierung von Sprechstunden wie der der Frauenklinik: Da sie keine Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung hat, kann das UKL sie nur im Selbstzahlerbereich anbieten. Für die Patient:innen heißt das, dass sie keine Kassenrezepte oder Überweisungen ausgestellt bekommen. "Wir haben noch viele Stellschrauben zu drehen," sagt Dr. Reinhild Georgieff dazu, die nach 25 Jahren in ihrer eigenen Praxis die Komplementärmedizin nun im UKL voranbringt. Nach dem Aufbau der Sprechstunde konzentriert sie sich nun auf die Ausbildung ihrer Kolleg:innen vor Ort. Ihr Wunsch sei, "dass sich zunehmend mehr Ärzt:innen an die wissenschaftlich fundierte Beratung auf dem Gebiet der Komplementärmedizin herantrauen, um ihre Patient:innen gut zu begleiten. Dass sie sich zu mir in die Sprechstunde setzen und ich mein Wissen aus mehr als 30 Jahren praktischer Arbeit weitergeben kann." 

Wie wichtig Angebote wie diese sind, beweist das Beispiel der jungen Frau in der zu groß wirkenden Jeansjacke. Aus ihrer bisherigen Erfahrung heraus kam sie ohne große Erwartungen in die komplementärmedizinische Spezialsprechstunde. Am Ende verlässt sie sie mit einem Bündel an Informationen: Dr. Reinhild Georgieff hat ihr eine Darmsanierung ans Herz gelegt und ihr etwas gegen Schmerzen und ihre Neigung zu Entzündungen empfohlen. Darüber hinaus hat sie ihr geraten, etwas zur Stabilisierung ihres Nerven- und Immunsystem zu tun. Viele der Ratschläge seien tatsächlich neu für sie gewesen, sagt die junge Frau im Gehen. Das mache ihr ein wenig Hoffnung.

Komplementärmedizinische Spezialsprechstunde
Sprechzeiten: Donnerstag 14 – 18 Uhr
UKL, Haus 6
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde
Liebigstr. 20a, 04103 Leipzig
Telefon: 0341-9723433

Über Universitätsklinikum Leipzig AöR

Das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) versorgt als Klinikum der Maximalversorgung mit 1451 Betten jährlich mehr als 400.000 Patienten ambulant und stationär. Das UKL verfügt über eine der modernsten baulichen und technischen Infrastrukturen in Europa. Mehr als 6000 Beschäftigten arbeiten hier und sorgen dafür, dass die Patienten Zuwendung und eine exzellente medizinische Versorgung auf höchstem Niveau erhalten. Damit ist das UKL einer der größten Arbeitgeber der Stadt Leipzig und der Region und Garant für Spitzenmedizin für Leipzig und ganz Sachsen.

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