Beim AGF Forum 2023, das am Mittwoch unter dem Motto ‚Mind the Gap – KI, Daten und Total Reach‘ in der Frankfurter Union Halle stattfand, konnte Kerstin Niederauer-Kopf, Vorsitzende der Geschäftsführung der AGF Videoforschung, mehr als 240 Besucher – und damit weit mehr als im vergangenen Jahr – begrüßen. Durch den Kongresstag führte die freie Journalistin und Autorin Juliane Paperlein. Das Tagesprogramm zentrierte sich gemäß dem Motto hauptsächlich um die Herausforderungen eines immer stärker konvergierenden Medienmarkts und den damit einhergehenden dynamischen Veränderungen. Neben Programmanbietern und Werbetreibenden stellen diese auch die Reichweitenforschung vor immer neue Herausforderungen, wenn ein gemeinsamer Standard das gesetzte Ziel sein soll.

In diesem Kontext konnte Kerstin Niederauer-Kopf vermelden, dass die für Juni 2023 angekündigten Weiterentwicklungen zum crossmedialen Testprojekt AGF X-REACH wie zugesagt mit einer Punktlandung geliefert werden konnten. Seit Mitte des Jahres befinde man sich mit AGF X-REACH in einer regelmäßigen Datenproduktion der unter AGF-Messung stehenden Angebote. Mit AGF X-REACH sind erstmals übergreifende Vergleiche ‚aus einem Guss‘ für TV-, Streaming- und Display möglich – inklusive der Ausweisung von Überschneidungen, Inkrementen, Exklusivkontakten und der Total Reach.

In einem Deep Dive wurde am Beispiel von N-TV eindrucksvoll gezeigt, dass neben der ganzheitlich crossmedialen Perspektive – inklusive TV –, auch der Blick in das rein digitale Angebot viele spannende Insights liefert, die dem Markt in dieser Form lange nicht zur Verfügung standen. So können die User, bzw. die Nettokontakte pro Monat, bereits auf Tagesbasis dargestellt werden. Daneben auch die Verteilung der Nutzung über die Endgeräte. So stellen die Nettoreichweiten, d.h. Personen, die im Betrachtungszeitraum mindestens einmal Kontakt zum Angebot hatten, die Basis dar, um die verbindende Brücke zwischen den Medien zu schlagen. „Diese Vergleichbarkeit auf Zielgruppenbasis mit einheitlicher Kontaktdefinition über alle Endgeräte hinweg ist ein hohes Gut, wenn man bedenkt, welche weitreichenden Entscheidungen auf Basis von Daten täglich bei Programmanbietern und Werbetreibenden getroffen werden müssen. Da sollte schon klar sein, wie hoch die Zielgruppendurchdringung im jeweiligen Verbreitungskanal ist,“ erläutert Niederauer-Kopf. So ordnet sie auch die Metrik ‚Nettoreichweite‘ zwar dahingehend ein, dass diese definitorisch mit dem bekannten ‚Unique User‘ gleichgesetzt werden könne, der methodische Ansatz aufgrund des hybriden Messansatzes jedoch ein unterschiedlicher sei.

Kerstin Niederauer-Kopf sieht auch am Beispiel von AGF X-REACH die Bedeutung von Standards belegt: „Die Entwicklung des Projekts AGF X-REACH zeigt eindrucksvoll, dass Standards grundsätzlich Fehlentscheidungen oder Risiken minimieren und darüber hinaus Innovationen befördern oder sogar beschleunigen können.“ Dass man nach einer Entwicklungszeit von 18 Monaten bereits diesen Projektstand vorweisen könne, liege zum einen am starken Engagement aller Projektbeteiligten und zum anderen daran, dass man das bestehende hybride methodische und messtechnische Fundament der AGF nutzen und ausbauen kann.

An der Messung nehmen derzeit vier Anbieter teil, die mehr als siebzig Angebote und über 100 Implementierungen in den Browsern und Apps unter die bewährte Nielsen-SDK-Messung gestellt haben. „Das ist in dieser Geschwindigkeit eine extreme Leistung der Anbieter, die uns aber auch zeigt, dass auf Publisherseite der Wille gegeben ist, den langanhaltenden Anforderungen des Werbemarkts zu entsprechen und die Leistungsfähigkeit der eigenen Angebote ganzheitlich, also crossmedial, unter Messung zu bringen,“ so Niederauer-Kopf. Somit sei die technische Voraussetzung gegeben, um weitere Anbieter oder auch Plattformen im Rahmen einer standardisierten Messung integrieren zu können. Dass zudem im hybriden Messansatz die Panels in gewohnter Qualität genutzt werden können, um personenbezogene Informationen für die Modellbildung ableiten zu können, erweist sich insbesondere vor dem Hintergrund der technologischen Herausforderungen im kommenden Jahr als gutes Fundament für zukünftige Weiterentwicklungen. Dass qualitativ hochwertige Panels als Source of Truth gelten, zeigt sich auch im internationalen Vergleich.

Dr. Martin Andree, Privatdozent für Digitale Medien an der Universität Köln und Gründer von AMP Digital Ventures, hat als erster Speaker in seiner Key Note „Quo vadis, freie Medien?“ die Digitalbranche ins Visier genommen: Er sieht das freie Internet durch die Dominanz einiger weniger Akteure gefährdet und zeigt mögliche Wege aus dieser Abhängigkeit auf.

Im anschließenden Talk mit Moderatorin Juliane Paperlein erklärte Haruka Gruber, Senior Vice President Media bei DAZN, dass er es für die Positionierung von DAZN am Werbemarkt für unerlässlich hält, die Angebote der Streaming-Plattform unter AGF-Messung zu bringen. Dass Streaming inzwischen in allen Zielgruppen gesetzt ist, bestätigte Andrea Geißlitz, Director Insights Division bei Kantar, in ihrer Präsentation „Trends in der Nutzung von Videoinhalten auf dem Big Screen“ – letzter hält sich laut den Ergebnissen aus der Plattformstudie 2023 I auch unangefochten auf Platz 1 für die Nutzung von Videoinhalten der TV-Mediatheken und Streaming-Plattformen.

Andrea Schombara, Direktorin Methode & Konventionen bei der AGF, und Martin Landgraf, Direktor Daten & Technologie, präsentierten den Stand der Dinge beim Bewegtbildstandard, der ab 2024 Default in den Auswertungssystemen der AGF wird, und zeigten unter anderem auf, welche Veränderungen bei den Empfangsebenen anstehen.

Andreas Gerhardt, Chief Distribution Officer bei Sport 1, und Siméon Mirzayantz, Regional Business Manager for CEEMEA & Southern Europe bei Glance – Médiamétrie, sprachen mit Juliane Paperlein über den „Einfluss von Verbreitungsstrategien und Bezahlschranken auf die Reichweiten“ in Deutschland und international. Die länderübergreifende Perspektive zeigte auch Caroline Servy von The Wit in ihrer Keynote „An overview of non scripted and scripted trends across the world“ mit Beispielen von erfolgreichen Formaten aus aller Welt, von denen einige zukünftig auch in Deutschland on-air gehen werden.

In der Talk-Runde „Der Kampf um den Big Screen“ waren sich Ute Biernat, Geschäftsführerin von UFA Show & Factual, Dr. Florian Kumb, Hauptabteilungsleiter Programmplanung beim ZDF, und Screenforce-Geschäftsführer Malte Hildebrandt einig, dass Produktionsfirmen und Sender gleichermaßen herausgefordert sind: zum einen durch veränderte Sehgewohnheiten insbesondere bei den jüngeren Publika und zum anderen durch die steigende Videonutzung auf dem Small Screen. Erfolgsfaktoren seien aber unverändert die inhaltliche und technologische Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten und die große Zugkraft des Big Screen.

Beim Thema „Datensilos – Zukunft oder Vergangenheit“ wurden die Ansichten von Kunden-, Agentur-, Sender- und AGF-Seite gespiegelt. Juliane Paperlein sprach mit Kerstin Niederauer-KopfThorsten Müller, Director Data Driven Marketing & Media DACH/NORDICS bei Reckitt Benckiser, Klaus-Peter Schulz, Geschäftsführer der Organisation der Mediaagenturen, Kai Ladwig, CMO Visoon Video Impact, und Manfred Kluge, Chairman DACH der Omnicom Media Group. Offen bekannten sich Kunden wie Sender und Agenturen dazu, eigene Systeme für Datenerhebung und -modelling zu nutzen, bzw. in Ermangelung eines crossmedialen Standards geradezu nutzen zu müssen. Sie sprachen sich dennoch einhellig für einheitliche Standards aus, die auch in der digitalen Welt für Orientierung, Effizienz und Vertrauen sorgen sollen.

Über die AGF Videoforschung GmbH

Die AGF Videoforschung GmbH ist ein Unternehmen für neutrale Bewegtbildforschung. Die AGF erfasst kontinuierlich und quantitativ die Nutzung von Bewegtbildinhalten in Deutschland und wertet die erhobenen Daten aus. Sie entwickelt ihr Instrumentarium mit einem mehrstelligen jährlichen Millionenbetrag kontinuierlich weiter, um dem Markt täglich verlässliche Daten über die Nutzung von Bewegtbildinhalten zu liefern. Dabei steht die AGF im engen Austausch mit allen Marktpartnern, darunter Lizenzsender, Werbungtreibende und Mediaagenturen.

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