Mehr als 300.000 Menschen bundesweit erleiden pro Jahr einen Herzinfarkt. Für die Überlebenden ist das Risiko für ein kurzfristiges weiteres Herz-Kreislauf-Ereignis sowie für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen einschließlich eines plötzlichen Herztods noch Jahre danach deutlich erhöht. Studien zeigen, dass jede/r fünfte Patient:in im Jahr nach dem Infarkt mit einem erneuten Herz-Kreislauf-Ereignis rechnen muss. Herzinfarktpatient:innen sind daher Hochrisikopatient:innen, die einer speziellen Nachsorge bedürfen. Zu dieser Gruppe der Hochrisikopatient:innen zählen auch all diejenigen, die unter der sogenannten Schaufensterkrankheit (med.: Periphere Arterielle Verschlusskrankheit, PAVK) leiden. Dabei bilden sich in den Becken- und Bein-versorgenden Blutgefäßen hochgradige Engstellen bzw. Verschlüsse, die zu einer kritischen Durchblutungsstörung der Extremitäten führen. Allein in Deutschland werden deshalb über 480.000 Menschen im Jahr in Kliniken eingewiesen. Zu betonen ist die hohe 5-Jahres-Sterblichkeit, die bei Patienten:innen mit einer PAVK und Diabetes bei bis zu 50 % liegt.
Einer der entscheidenden Faktoren, um das Risiko für den Herzinfarkt bzw. Gefäßleiden an sich und die daraus resultierenden Folgeerkrankungen gering zu halten, ist der Wert des LDL-Cholesterins im Blut. Für sogenannte kardiovaskuläre Hochrisikopatienten gilt, dass ihr LDL-Cholesterinwert um mindestens 50 % vom Ausgangswert gesenkt und im Zielbereich von weniger als 55 mg/dl (oder 1,4 mmol/l) liegen sollte.
Diesen Zielbereich bei allen Hochrisikopatienten zu erreichen, dem hat sich die bundesweite Kampagne „Auf Ziel“ der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e.V. verschrieben. Ärzt:innen in Goslar und Umgebung schließen sich dieser Initiative mit ‚Goslar auf Ziel‘ an. Mit einer Veranstaltung am 13. September bekräftigen sie ihr Vorhaben, sich gemeinsam für alle Betroffenen in Goslar und Umgebung stark zu machen, um das Risiko für erneute Herz-Kreislauf-Ereignisse zu senken.
„Weniger als 20 % der Risikopatientinnen und -patienten in Deutschland erreichen aktuell den LDL-Cholesterin-Zielwert“, so Privatdozent Dr. Daniel Kretzschmar, Praxis für Herz- und Gefäßmedizin HUGG Goslar, und wissenschaftlicher Leiter der ärztlichen Fortbildung. Es gibt zwar passende und sehr gut verträgliche Medikamente, die aber bislang nicht bei allen Risikopatient:innen zum Einsatz kommen. Auch meinen immer noch viele, dass Cholesterin mit entsprechender Ernährung in den Griff zu bekommen sei. „Eine gefäß- und herzgesunde Ernährung ist wichtig und Basis jeder Behandlung, damit aber kann stark erhöhtes LDL-Cholesterin bei einem Hochrisikopatienten meist nicht ausreichend und schnell genug gesenkt werden. Mit ‘Goslar auf Ziel‘ wollen wir daher in der Öffentlichkeit, bei Betroffenen und deren behandelnden Ärztinnen und Ärzten das Bewusstsein dafür erhöhen, wie wichtig ein niedriger LDL-Cholesterin-Wert ist, um das Risiko für atherosklerotische Erkrankungen zu senken“, führen die Initiatoren des Netzwerkes Privatdozent Dr. Daniel Kretzschmar, Praxis für Herz- und Gefäßmedizin Goslar, Dr. Manuela Kempkes-Koch, PHV-Dialysezentrum, Ralf Koch und Privatdozent Dr. Thomas Wittlinger, Chefärzte Asklepios Harzklinik Goslar, und Privatdozent Dr. Daniel Sinnecker, Asklepios MVZ Harz, weiter aus.
Aktives medizinisches Netzwerk zur Versorgung der Patient:innen
Auftakt der Kampagne in Goslar und Umgebung bildet eine ärztliche Fortbildungsveranstaltung am 13. September 2023 in Goslar, bei der niedergelassene Fachärzt:innen und Hausärzt:innen sowie in Kliniken tätige Mediziner:innen über die Kampagne informiert und in die Versorgung mit einbezogen werden sollen. „Um den Zielwert bei den Betroffenen in unserem Einzugsgebiet zu erreichen, sind wir auf die Zusammenarbeit innerhalb eines medizinischen Netzwerks angewiesen. Alle Beteiligten in der Primär- und Sekundärbehandlung müssen das gleiche Ziel verfolgen, um den Patientinnen und Patienten die optimale Versorgung zu ermöglichen“, so Privatdozent Dr. Kretzschmar.
Neben dem Aufbau eines aktiven Netzwerks sieht die Kampagne vor, jede/n Hochrisikopatient:in mit einem Lipidpass auszustatten. In diesem werden alle Werte und die Medikation erfasst und er soll zu allen Arztbesuchen mitgenommen werden. So sind alle Eintragungen und Entwicklungen bei jeder medizinischen Behandlung und für die Betroffenen selbst sichtbar. Denn jede/r soll motiviert werden, seine LDL-Cholesterinwerte im Blick zu behalten und gemeinsam mit behandelnden Ärzt:innen dafür zu sorgen, dass der Zielwert erreicht und eingehalten wird.
Ziel ist es, einen Herzinfarkt bzw. Gefäßleiden gar nicht erst entstehen zu lassen
Cholesterin ist lebenswichtig für den Menschen. Die fettähnliche Substanz erfüllt wichtige Funktionen im ganzen Körper. So ist sie beispielsweise Bestandteil aller Zellmembranen, aber auch Ausgangsstoff für die Produktion von Gallensäuren zur Fettverdauung sowie für die Bildung von Vitamin D und bestimmten Hormonen. Cholesterin wird hauptsächlich in der Leber hergestellt, aber auch aus der Nahrung aufgenommen. Um alle anderen Zellen des Körpers damit zu versorgen, wird Cholesterin über das Blut transportiert. Zuständig hierfür ist in erster Linie das Lipoprotein LDL (Low Density Lipoprotein). Der LDL-Cholesterinspiegel im Blut steigt an, wenn die Körperzellen kein Cholesterin mehr benötigen oder aufnehmen können. Ist dies dauerhaft der Fall, kommt es zur Ansammlung von LDL-Cholesterin im Blut und zu Ablagerungen an den Blutgefäßwänden (den sogenannten atherosklerotischen Plaques). Diese Ablagerungen können aufplatzen, der Körper reagiert darauf mit einem Blutgerinnsel und der Blutdurchfluss wird blockiert. Passiert das in der Nähe des Herzens oder des Gehirns kommt es zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, passiert es in den Beinen, wird das Laufen schmerzhaft, weil die Durchblutung gestört ist.
Das LDL-Cholesterin ist eine der entscheidenden Ursachen für Atherosklerose und ihre Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, koronare Herzerkrankung, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen in den Beinen. Bei der Kampagne ‚Goslar auf Ziel‘ stehen zunächst die Hochrisikogruppen der Herzinfarkt- und Patient:innen mit der Schaufensterkrankheit im Fokus. Ziel soll aber natürlich sein, den LDL-Cholesterinwert aller Betroffenen mit entsprechenden Erkrankungen zu senken. Dazu zählen Patient:innen mit Schlaganfall sowie langjährig an Diabetes Erkrankte und Patient:innen mit höhergradig eingeschränkter Nierenfunktion. Außerdem wollen die Ärzt:innen im Goslaer Netzwerk künftig schon bei der Primärprävention ansetzen und den LDL-Cholesterinspiegel bei möglichst vielen ihrer Patient:innen regelmäßig kontrollieren, um atherosklerotische Erkrankungen gar nicht erst entstehen zu lassen.
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