Eine Vertragsbeziehung mit einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft schließt eine Sozialversicherungspflicht nicht direkt aus, entschied das Bundessozialgericht am 20. Juli 2023. Und das hat Folgen für viele bestehende Auftragsverhältnisse zwischen Unternehmen und Ein-Personen-Kapitalgesellschaften. Ecovis-Rechtsanwältin Adelheid Holme in Landshut erklärt und kommentiert die gerichtliche Entscheidung.

Was lag der aktuellen Entscheidung zugrunde?

Oft war es der Fall, dass natürliche Personen alleinige Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften in der Form einer UG oder GmbH waren. Mit diesen Kapitalgesellschaften schlossen Dritte dann Dienstleistungsverträge ab. Dabei waren es jedoch die natürlichen Personen selbst, die die Tätigkeiten tatsächlich erbrachten.

Ein Beispiel aus der Praxis

Person A gründete eine Unternehmergesellschaft mit beschränkter Haftung (B-UG) und ernannte sich zugleich zum alleinigen Geschäftsführer. Das Unternehmen vertrieb und bewarb unter anderem Konsumgüter, speziell aus dem Bereich Fotografie, und betrieb zugleich eine Full-Service-Werbeagentur. Die B-UG und die Auftraggeberin, die C-GmbH, schlossen einen zunächst befristeten Vertrag über eine freie Mitarbeit. Unternehmensgegenstand der C-GmbH waren Produktion, Marketing und Vertrieb von Fotoprodukten. Die B-UG als Auftragnehmerin sollte die C-GmbH bei der Optimierung vertrieblicher Strukturen sowie im Vertrieb der Produkte unterstützen. Person A führte als Geschäftsführer der B-UG die vereinbarten Tätigkeiten persönlich aus. Er pflegte Kontakte zu bestehenden Händlern, baute Kontakte zu neuen Händlern auf, betreute in- und ausländische Messen vor Ort, warb Aufträge ein und schulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er stand im ständigen Dialog mit dem Geschäftsführer der C-GmbH, der seine Tätigkeit kontrollierte und die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen auf Plausibilität und Wirtschaftlichkeit prüfte.

Die Deutsche Rentenversicherung unterstellte Person A Versicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung. Die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber der C-GmbH wurde durch das Bundessozialgericht (BSG) nun als rechtmäßig bestätigt. Als Begründung nannte es, dass der Geschäftsinhalt der Vereinbarungen zwischen der B-UG und der klagenden C-GmbH eine weisungsgebundene, unternehmensberatende und unternehmensfördernde Tätigkeit war, unter Eingliederung der Person A in deren Organisation.

Das BSG hat in drei Verfahren festgestellt, dass die jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände der Tätigkeit über das Vorliegen von Beschäftigung entscheiden (Aktenzeichen: B 12 BA 1/23 RB 12 R 15/21 R sowie B 12 BA 4/22 R). Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass Verträge nur zwischen den Auftraggebern und den Kapitalgesellschaften geschlossen wurden. Die Abgrenzung richtet sich vielmehr nach dem Geschäftsinhalt, der sich aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien und der praktischen Durchführung des Vertrags ergibt, nicht aber nach der von den Parteien gewählten Bezeichnung oder gewünschten Rechtsfolge.

Stellt sich somit die Tätigkeit einer natürlichen Person als abhängige Beschäftigung heraus, ist ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht automatisch ausgeschlossen, nur weil Verträge zwischen dem Auftraggeber und einer Kapitalgesellschaft bestehen, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter die natürliche Person ist.

Welche Folgen hat das Urteil des Bundessozialgerichts?

Mit dem Urteil stellt das BSG die tatsächlichen Umstände über die Trennung einer juristischen Person zu seinem grundsätzlich selbstständigen Gesellschafter oder Geschäftsführer. Außerdem kann ein direktes Beschäftigungsverhältnis zwischen Auftraggeber und Gesellschafter/Geschäftsführer bestehen, obwohl das Vertragsverhältnis zwischen Auftragnehmer und der juristischen Person vereinbart wurde.

Mit diesen Urteilen schließt das BSG auch das Hintertürchen, mit dem manche Auftraggeber versuchten, die Sozialversicherungspflicht einer natürlichen Person zu umgehen, indem diese eine GmbH gründete, um als deren alleiniger Gesellschafter/Geschäftsführer einen Auftrag als vermeintlich Selbstständiger annehmen zu können.

Was bedeutet das für Unternehmerinnen und Unternehmer?

Für die Praxis hat dies zur Folge, dass Auftraggeber ihre Auftragsverhältnisse mit UGs oder GmbHs dringend überprüfen müssen für den Fall, dass der allein tätige Gesellschafter oder Geschäftsführer dieser UG oder GmbH weisungsgebunden und in die betriebliche Organisation des Auftraggebers eingegliedert sowie als Beschäftigter des Auftraggebers anzusehen ist. In diesem Fall sollte der Auftraggeber das Auftragsverhältnis kündigen und den Gesellschafter oder Geschäftsführer der UG beziehungsweise GmbH offiziell beschäftigen.

„Die Regelungen sind komplex und wir raten Unternehmerinnen und Unternehmern dringend, sich im Zweifelsfall an einen Experten zu wenden, um sicherzugehen, dass sie gesetzeskonform handeln. Beim Erstellen eines Vertrags unterstützen wir Sie gerne“, sagt Adelheid Holme, Rechtsanwältin bei Ecovis in Landshut.

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