Orthopäden und Unfallchirurgen weisen darauf hin, dass Patienten auch in Zukunft die Beratung und Untersuchung durch orthopädische Fachkräfte benötigen, um das für sie bestmöglich passende orthopädische Hilfsmittel zu erhalten. Denn Bandagen, Orthesen oder Prothesen erfüllen ihre Bestimmung nur, wenn sie perfekt sitzen. Anderenfalls können sie sonst zu Schäden führen. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) reagieren damit auf einen Vorstoß der Krankenkassen, die in Zukunft das Verfahren so vereinfachen wollen, dass jeder sein Rezept vom Arzt per Smartphone erhalten und bei einem Hersteller online bestellen kann.

„Aus Sicht der Orthopäden und Unfallchirurgen ist bei Hilfsmitteln eine durch Fachexperten erforderliche individuelle Verordnung, Beratung, Anpassung und Kontrolle des Hilfsmittels zwingend erforderlich, um den Behandlungs-Qualitätsstandard zu garantieren. Anderenfalls besteht ein hohes Risiko, dass teure Hilfsmittel ohne Erfolg zur Anwendung gebracht werden oder es gar zu Schäden bei den versorgten Patientinnen und Patienten kommen kann“, sagt DGOU-Präsident Prof. Dr. Maximilian Rudert, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus.

„Es ist sehr wichtig, dass Fachpersonal sieht und beurteilt, was der Patient für einen Körperbau hat, wie die Haut beschaffen ist, wie beweglich er ist und ob es individuelle Besonderheiten gibt. Nur so können perfekt passende Hilfsmittel verordnet werden. Schlechtsitzende Kompressionsstrümpfe oder Bandagen kneifen, rutschen oder schneiden ein und werden dann nicht getragen. Das ist wenig hilfreich und kann zur Verschlechterung führen,“ sagt BVOU-Präsident Dr. Burkhard Lembeck, Orthopädisch-Unfallchirurgische Praxis in Ostfildern.

„Mit der neuen Regelung würde ein Patient oder eine Patientin ein entsprechendes Hilfsmittel über eine elektronische Version des Hilfsmittelrezeptes selbständig ordern und nach einer Gebrauchsvorlage selbständig die Umfänge bei sich messen und damit die Größe des Hilfsmittels festlegen. Da er als Patient allerdings nicht in den Umgang mit entsprechend konkreten Messmethoden eingeführt ist, kann es hier schon zu Ungenauigkeiten und damit dann zu Passformproblemen kommen. Im schlimmsten Falle könnte es beispielsweise beim Vorhandensein von Krampfadern durch den Druck einer zu engen Kniebandage zu einem venösen Gefäßverschluss am Unterschenkel kommen“, sagt Prof. Dr. Bernhard Greitemann, Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Klinik Münsterland am Rehaklinikum Bad Rothenfelde.

Orthopäden und Unfallchirurgen fordern daher:

  1. Patienten und Patientinnen müssen weiterhin von einem Arzt oder einer Ärztin sowie Orthopädie(schuh)techniker untersucht und zu orthopädischen Hilfsmitteln beraten werden. Denn Hilfsmittel müssen durch Fachpersonal individuell am Patienten ausgemessen, angepasst und anschließend nach Anpassung kontrolliert werden.
  2. Die freie Wahl des Leistungsanbieters muss für den Patienten oder die Patientin weiterhin erhalten und transparent bleiben. Es besteht die Gefahr, dass durch eigenständige Prozessdefinitionen und Patientenlenkungen über elektronische Verfahren das freie Wahlrecht der Versicherten unterlaufen wird. 

Die Forderungen werden unterstützt von:

  • Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU)
  • Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)
  • Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC)
  • Beratungsausschuss der DGOOC für das Handwerk Orthopädieschuhtechnik
  • Deutsche Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung (DGIHV)

Referenzen:

  1. Gemeinsame Pressemitteilung vom 27. Juli 2023 von 7 Krankenkassen zur elektronischen Hilfsmittel-Verordnung: https://www.tk.de/presse/themen/digitale-gesundheit/digitaler-fortschritt/projektstart-zur-elektronischen-hilfsmittel-verordnung-2153722?tkcm=a
  2. Gemeinsame Stellungnahme von DGOOC, DGOU, BVOU, DGIHV und ZVOS zu Online Einlagen vom 23.03.2023 „Online-Einlagen“ | DGOU
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