Zwischen 2019 und 2022 konnten dank der Neupatientenregelung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) die Wartezeiten auf einen Facharzttermin deutlich verkürzt und zusätzliche Behandlungskapazitäten von den Praxen aufgebaut werden. Die Regelung sah vor, dass Patienten, die mehr als zwei Jahre nicht in einer Praxis vorstellig waren, im Rahmen der extrabudgetären Vergütung behandelt werden konnten. Dabei handelte es sich nicht etwa um eine „zusätzliche Vergütung“, wie fälschlicherweise von den Gesetzlichen Krankenkassen oft behauptet wurde. Mit der Regelung konnten lediglich alle Behandlungen eines neuen Patienten zu der eigentlich mit den Kassen vereinbarten Vergütung, ohne budgetbedingte Abzüge, erbracht werden. Die Streichung der vergleichsweise unbürokratischen Regelung hatte zu massiven Protesten der Ärzteschaft geführt. Ärztevertreter hatten vor einer Leistungskürzung in der vertragsärztlichen Versorgung gewarnt.
Diese Prognose bestätige sich beim Blick auf die Umsatzverluste in Hamburg und Berlin, konstatiert Verbandspräsident Löhler: „Durch die enorme Infektwelle im Januar und Februar ist es zu einer erheblichen Fallzahlsteigerung in der HNO-Heilkunde gekommen. Dadurch wurde zwar der finanzielle Schaden kleiner, aber die Infektpatienten wurden quasi ohne jede Vergütung behandelt. Verschärft wird die Situation zudem durch die völlig verkorkste dringende Terminvermittlung vom Hausarzt zum Facharzt mit fehlgeleiteten Patienten und entnervten Praxisteams. Hier wurde ein Bürokratiemonster erschaffen, das nicht funktioniert und zu zahlreichen neuen Problemen führt.“ In den Augen vieler niedergelassener HNO-Ärzte sei dies Zeugnis einer Gesundheitspolitik ohne Sinn und Verstand, so Löhler weiter.
Die Absurdität der gesetzlichen Vorgaben zeige sich tagtäglich in der Versorgung, berichtet der im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt niedergelassene HNO-Arzt: „Bei einem dringenden Behandlungsgrund, zum Beispiel einer akuten Mittelohrentzündung, konnte ein Patient früher entweder in der offenen Sprechstunde der Praxis oder eben als neuer Patient direkt vom HNO-Facharzt und in der Regel sehr kurzfristig behandelt werden. Dank der Neupatientenregelung konnten hierfür die nötigen Investitionen beim Personal und bei der Ausstattung der Praxen vorgehalten werden. Heute soll ein Patient zuerst zum Hausarzt gehen oder bei der Terminservicestelle der KV anrufen und sich dort einen dringenden Behandlungstermin beim Facharzt vermitteln lassen. Dieser Weg ist weder für die Patienten noch für die beteiligten Praxen sinnvoll.“
Zusätzlich verschärft werde die wirtschaftliche Lage durch die nur minimale Erhöhung des Orientierungspunktwertes für ärztliche Leistungen bei den Honorarabschlüssen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten in den letzten Jahren. „Es kann nicht sein, dass weder die Inflation, noch die höheren Tarifabschlüsse für Medizinische Fachangestellte oder die steigenden Hygieneanforderungen bei der Vergütung berücksichtigt werden. Das unwürdige Preisdumping der Krankenkassen muss bei der Honorarrunde für das kommende Jahr ein Ende haben“, fordert HNO-Präsident Löhler. Die jüngsten Ärzteproteste, wie Ende vergangener Woche bei der Krisensitzung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Berlin, bezeugen die Notlage vieler Praxen. „Es braucht nicht viel Fantasie, dass die ambulant tätigen Ärzte bald an einem Punkt ankommen werden, an dem es entweder heißt, die Praxis aufzugeben oder Personal zu entlassen und das Leistungsangebot einzuschränken. Der bundesweite Protesttag am 2. Oktober 2023 der Kampagne ‚Praxis in Not‘ ist hierfür ein erster Vorgeschmack“, so Löhler.
Der HNO-Berufsverband unterstützt den Ärzteprotest und nimmt als Verband aktiv an der Kampagne teil. Mehr Informationen unter: www.praxisinnot.de.
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