Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) hat in einem aktuellen Urteil einen klaren Unterschied zwischen den Begriffen "Untersuchung" und "Behandlung" im Zusammenhang mit Versicherungsanträgen festgestellt. Der Fall drehte sich um eine Frau, die im Jahr 2013 eine Lebensversicherung in Verbindung mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BU) abgeschlossen hatte.

Im Jahr 2016 wurde sie aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung berufsunfähig und stellte einen Leistungsantrag bei ihrer BU-Versicherung. Der Versicherer lehnte die Zahlungen jedoch ab, nachdem er festgestellt hatte, dass die Kundin einige Jahre zuvor mehrere Sitzungen bei einem Psychotherapeuten absolviert hatte, die sie in ihrem Antrag nicht angegeben hatte. Der Versicherer argumentierte, dass sie damit ihre vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt habe.

Es stellte sich jedoch heraus, dass es sich bei den Sitzungen lediglich um probatorische Sitzungen handelte, die dazu dienen sollten festzustellen, ob eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt und eine Psychotherapie sinnvoll wäre. In diesem Fall litt die Frau lediglich unter Lampenfieber, das ihre Lebensqualität beeinträchtigte, jedoch vom Psychotherapeuten nicht als behandlungsbedürftige Krankheit eingestuft wurde.

Sowohl die Vorinstanz als auch das OLG Dresden schlossen sich der Argumentation der Klägerin an und entschieden zugunsten der Frau. Das OLG betonte, dass die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers ihre Grenzen bei Gesundheitsbeeinträchtigungen finde, die offenkundig belanglos sind oder schnell vergehen. In den Antragsfragen der Berufsunfähigkeitsversicherung wurde konkret nach "Behandlungen" gefragt, während Untersuchungen nicht abgefragt wurden. Die Richter stellten fest, dass eine Behandlung erst dann vorliegt, wenn eine Therapie eingeleitet wird, beispielsweise durch Medikation oder einen Eingriff. Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch lediglich um eine Untersuchung ohne Befund, somit lag keine Behandlung vor.

Das OLG Dresden ließ keine Revision gegen diese Entscheidung zu.

Dieses Urteil des OLG Dresden verdeutlicht die Notwendigkeit präziser Formulierungen in Versicherungsanträgen und klärt den Unterschied zwischen Untersuchungen und Behandlungen im Zusammenhang mit der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Versicherungsnehmer sollten bei der Beantwortung von Gesundheitsfragen sorgfältig abwägen und darauf achten, relevante Informationen anzugeben, die im Einklang mit den spezifischen Antragsfragen stehen.

Versicherungsunternehmen sind aufgefordert, dieses Urteil zum Anlass zu nehmen, ihre Antragsfragen zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie präzise und verständlich formuliert sind, um mögliche Missverständnisse und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

von Oliver Ponleroy, Fachjournalist

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