Es ist ein globaler Trend: Viele Menschen zieht es aus den Großstädten ins Umland. Ein umfassender Forschungsbericht der International Workplace Group (IWG) in Zusammenarbeit mit der Nachhaltigkeitsberatung Arup bestätigt das am Beispiel der USA und des Vereinigten Königreichs. In beiden Ländern nimmt die Abwanderung zu, wobei 59 Prozent mehr die US-Städte verlassen als vor 2020. Auch in Deutschland ziehen so viele Menschen aus den Metropolen weg wie zuletzt vor 30 Jahren, teilt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) mit. Gleichzeitig werden hybride Arbeitsformen immer beliebter: Mehr als die Hälfte der britischen Arbeitnehmer (53 Prozent) und 40 Prozent der Arbeitnehmer weltweit arbeiten heute in einem hybriden Modell.

Eine neue Studie der IWG zeigt, dass Vororte, Kleinstädte und ländliche Gebiete in den USA und im Vereinigten Königreich durch die Abwanderung von Arbeitskräften aus den Städten höhere Aktivität verzeichnen. Die Studie, die der globale Anbieter von flexiblen Bürolösungen für hybrides Arbeiten in Zusammenarbeit mit der Nachhaltigkeitsberatung Arup durchgeführt hat, ergab, dass die Abwanderung aus den Großstädten (insbesondere aus Städten wie San Francisco, London und New York) seit der Zeit vor der Pandemie zugenommen hat, während weniger Menschen in diese Städte ziehen.

Der Bericht kommt zu dem Schluss: „Es gibt Anzeichen dafür, dass die Abwanderung in kleinere US-Städte und ländliche Gebiete auf höherem Niveau anhält. Es gibt auch einige Anzeichen dafür, dass Familien und Erwachsene mittleren Alters schneller aus London wegziehen als vor der Pandemie.“ Aus der Studie geht hervor, dass die Städte „weiterhin eine Schlüsselrolle in unserer Gesellschaft und Wirtschaft spielen werden. Unsere Regierungssysteme, Verkehrsnetze und die gesamte gebaute Umwelt stellen große, dichte Ballungsräume in den Mittelpunkt unserer Gesellschaftssysteme.“

Aber der Übergang zum hybriden Arbeiten bedeutet, dass die Menschen weniger Zeit in den Stadtzentren verbringen werden, was auch heißt, dass sich deren Rolle verändern wird und es „erhebliche Vorteile für die wohnortnahen Haupteinkaufsstraßen“ geben wird.

Der Bericht zitiert eine US-amerikanische Studie von Stephan D. Whitaker von der Federal Reserve Bank of Cleveland, die feststellt, dass die Nettoabwanderung aus US-Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern in der Anfangsphase der Pandemie 75.000 pro Monat betrug. Bis 2022 stabilisierte sich diese Zahl bei 39.000 pro Monat – das sind 59 Prozent mehr als vor der Pandemie (28.000).

Eine Analyse der von Whitaker angeführten Abwanderungszahlen durch die IWG zeigt, dass innerhalb eines Jahres fast 500.000 Menschen (468.000) diese städtischen Gebiete verlassen könnten.

Auch im Vereinigten Königreich setzt sich die Abwanderung schneller fort als vor der Pandemie und es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass Vorstädte und Kleinstädte ein höheres Maß an wirtschaftlicher Aktivität aufweisen als vor 2020.

Der häufigste Umzug während der Pandemie fand vom Stadtzentrum in die Vororte statt (Patino, Kessler and Holder 2021). Ungeachtet dieser Mehrheit verließ ein erheblicher Teil die Großstädte und zog in günstigere oder kleinere Städte oder aufs Land. Da die Hauspreise und Mieten weiter steigen, zitiert der Bericht außerdem Forschungen, nach denen die Menschen aus den zwölf teuersten US-Städten, darunter New York, San Francisco, Los Angeles, Washington DC und Chicago, fortziehen. Die Abwanderung nahm um über zehn Prozent zu – wobei New York die höchste Abwanderungsrate von allen verzeichnet. (Whitaker) Die auf die Verarbeitung, Analyse und Bereitstellung von Regionaldaten für die Immobilienwirtschaft spezialisierte empirica regio GmbH gab im Oktober 2022 bekannt, dass auch die sieben Top-Städte in Deutschland Berlin, München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und Hamburg Schrumpfungstendenzen zeigen. Besonders deutlich sind diese in Berlin und Hamburg zu beobachten: „2021 verließen im Saldo deutlich mehr als 10.000 Menschen die Stadtstaaten in das Umland.“

Neues Leben für Satellitenstädte und der Anstieg der lokalen Ausgaben

Eine von IWG und Arup erstellte Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen für das Jahr 2021 ergab, dass die Wirtschaft in ländlichen und vorstädtischen Gebieten bis zu 1,3 Milliarden Dollar in den USA und 327 Millionen Pfund pro Jahr im Vereinigten Königreich zusätzlich generieren könnte. Möglich wird dies aufgrund der prognostizierten Ausweitung flexibler Büro- und Co-Working-Spaces in Städten und Dörfern, um die wachsende Nachfrage nach hybrider Arbeit zu befriedigen. Der Bericht der IWG bestätigt, dass sich dieser Trend auf beiden Seiten des Atlantiks durchsetzt. Nachdem während der Pandemie viele Menschen aus Großstädten wie London und New York abgewandert sind, zeigt sich, dass die meisten von ihnen sich für Kleinstädte und Vororte entschieden haben, wo die Arbeitnehmer nun für einen finanziellen Aufschwung sorgen.

Das BiB bestätigt diesen Trend für Deutschland in einer Pressemitteilung vom Dezember 2022: „Die Zahl der Fortzüge aus den kreisfreien Großstädten in kleinere Städte und ländliche Regionen ist im Vergleich zu 2019 um 1,8 Prozent angestiegen, gleichzeitig sanken die Zuzüge in die Großstädte um 5,4 Prozent. Damit ist das Binnenwanderungssaldo der Großstädte auf einem so niedrigen Niveau wie seit 30 Jahren nicht mehr, als es eine deutliche Abwanderung in das Umland (Suburbanisierung) gab. (…) Vor allem das städtische Umland, aber auch kleinere Städte und sogar ländliche Gebiete scheinen von dieser Entwicklung zu profitieren: Sie alle gewinnen an Bevölkerung durch Zuzug. Auch der Wegzug jüngerer Menschen aus diesen Regionen in die Großstädte war geringer als in den Jahren vor der Pandemie.“

Wichtiger Grund Immobilienpreise

Hybride Arbeitsverhältnisse werden immer beliebter: Mehr als die Hälfte der britischen Arbeitnehmer (53 Prozent) und 40 Prozent der Arbeitnehmer weltweit arbeiten inzwischen auf diese Weise (AWA Associates), und die sich verändernden Kosten für Mieten und Hauspreise deuten darauf hin, dass die Menschen diesen Wechsel dauerhaft vollzogen haben. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Preise am schnellsten an Orten steigen, die früher als zu weit von den Stadtzentren entfernt für Pendler galten. Auch das BiB gibt an: „Veränderte Wohnpräferenzen, Wohnungsknappheit und anhaltend hohe Wohnungspreise in Großstädten sind mögliche Gründe für diese Entwicklung.“

Die Binnenmigration ist zwar seit der Pandemie zurückgegangen, liegt aber immer noch deutlich über dem Niveau vor der Pandemie. Auch die höhere Zahl bei Erwachsenen im Alter von 35 bis 64 Jahren und ihren Familien hat sich fortgesetzt, da hybride Arbeitsformen sowohl für Arbeitgeber als auch für deren Arbeitnehmer zum Standard werden. In Deutschland zogen laut BiB ebenfalls vor allem 30- bis 49-Jährige (plus 3,7 Prozent) sowie Minderjährige (plus 8,9 Prozent) aus den Großstädten weg.

Wachstum von hybriden Arbeitslösungen in Kleinstädten und Vorstädten

Infolgedessen ist die Nachfrage nach Arbeitsplätzen außerhalb der belebten Stadtzentren laut IWG-Nutzerzahlen aus dem letzten Jahr um 36 Prozent gestiegen. Tatsächlich verzeichneten Office Zentren in Vorstädten, Kleinstädten und auf dem Land die stärksten Zuwächse, da Arbeitnehmer zunehmend auf lange Anfahrtswege verzichten, um vor Ort zu arbeiten. Um diese Nachfrage zu befriedigen, wird IWG im nächsten Jahr weltweit 1.000 neue Standorte eröffnen, die meisten davon in Vorstädten und auf dem Land – auch in Städten mit weniger als 10.000 Einwohnern. In Deutschland stehen bis Ende dieses Jahres unter anderem Eröffnungen in Gelsenkirchen, Konstanz, Detmold und Monheim an.

Matthew Dillon, Associate Director bei Arup, kommentierte: „Wir beginnen jetzt, die Auswirkungen des hybriden Arbeitens in vielen Wirtschaftssektoren zu sehen. Bei guter Umsetzung können sich große Vorteile für Unternehmen ergeben, die ihren Arbeitsmarkt erweitern können, und für Arbeitnehmer, die von größerer Flexibilität, Wahlmöglichkeiten und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben profitieren können. Unsere Großstädte können dabei ihren Platz als Kommandozentralen der Wirtschaft behalten und gleichzeitig Kapazitäten frei machen, um zu wachsen, wenn die Wirtschaft weiterhin neue, hochwertige Büroarbeitsplätze schafft. Dies hat weitreichende Auswirkungen, auch darauf, wo und wie die Menschen leben und arbeiten. Gebiete außerhalb größerer Städte haben ebenfalls die Möglichkeit, von neuen Arbeitsmustern zu profitieren, da die Immobilienpreise in der Regel niedriger sind und die Pendlerentfernungen weniger ins Gewicht fallen, so dass es mehr Anreize gibt, in der Ferne zu leben und in Mischformen zu arbeiten. In diesen Gegenden teilen die Arbeitnehmer ihre Zeit häufig zwischen Büros, Arbeitsplätzen und dem eigenen Zuhause auf.“

Eine grünere Zukunft

Dieser Bericht folgt auf eine Erhebung der IWG und Arup, die eine Verringerung des Kohlenstoffausstoßes um bis zu 87 Prozent in den USA und 70 Prozent im Vereinigten Königreich als Folge des hybriden Arbeitens festgestellt haben. Dieses Ergebnis unterstreicht, dass die neuen Arbeitsformen auch positive Auswirkungen auf die Umwelt und die lokale Wirtschaft haben.

Letztlich bedeutet dieser Wandel, dass sich die Rolle der Stadtzentren weltweit verändert. Mit dem Aufkommen der 15-Minuten-Städte innerhalb der Grenzen großer Städte müssen sich die globalen Städte für die Zukunft wappnen, indem sie eine Kombination aus Dienstleistungen außerhalb der Arbeit, Unterhaltungsangeboten, Wohnmöglichkeiten und Arbeitsplätzen anbieten, um der neuen arbeitenden Bevölkerung gerecht zu werden.

Mark Dixon, CEO der IWG: „Die Ergebnisse des Berichts bestätigen, dass wir einen grundlegenden Wandel in der Geografie der Arbeit erleben, der erhebliche Chancen für die Wirtschaft und das Gemeinwesen von Städten und Gemeinden weltweit bietet. Früher sahen sich kleinere Städte und ländliche Gemeinden einer existenziellen Bedrohung gegenüber, da viele ihrer energiegeladensten und wirtschaftlich aktivsten Mitglieder fünf Tage in der Woche in eine Stadt geschickt wurden und nur zum Ausruhen zurückkehrten, bevor sie wieder aufbrachen. Jetzt ermöglicht das hybride Arbeiten einen leichteren Zugang zu den besten Talenten, belebt die lokale Wirtschaft und bereichert die Gemeinden. Und nicht nur das: Es wird auch die Rolle der Städte für immer verändern. Städte wie New York und London, deren Wirtschaft bisher auf die Bedürfnisse von Millionen von mobilen Büroangestellten ausgerichtet war, werden sich zu Zentren der Zusammenarbeit und Unterhaltung entwickeln müssen.“

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