Ein Software-Update sollte die Lösung im VW-Abgasskandal sein. Tatsächlich wurde mit dem Update nicht nur eine unzulässige Abschalteinrichtung entfernt, sondern auch eine andere Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters bei der Abgasreinigung aufgespielt. Das Landgericht Braunschweig hat daher dem Käufer eines VW Tiguan aus Österreich mit Urteil vom 27. Juni 2023 Schadensersatz zugesprochen. Das Urteil hat CLLB Rechtsanwälte erstritten.

„Die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig zeigt zwei wesentliche Dinge. Auch nach dem Software-Update liegt bei Fahrzeugen des VW-Konzerns mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 noch eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, und die Käufer haben dementsprechend Anspruch auf Schadensersatz. Zudem lassen sich auch die Schadensersatzansprüche österreichischer Käufer in Deutschland durchsetzen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Henning Leitz, CLLB Rechtsanwälte.

Der Kläger in dem zugrundeliegenden Fall stammt aus Österreich und hatte 2010 einen VW Tiguan als Gebrauchtwagen bei einem Händler in Österreich gekauft. 2015 flog der VW-Abgasskandal um Fahrzeuge des VW-Konzerns mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 auf. Auch in dem VW Tiguan des Klägers war eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Der Kläger ließ das folgende Software-Update durchführen. Er machte nun Schadensersatzansprüche geltend, weil mit dem Update eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters aufgespielt wurde. Dieses sorgt dafür, dass die Abgasrückführung zwar in einem Temperaturbereich zwischen 10 und 33 Grad vollständig arbeitet, bei niedrigeren oder höheren Außentemperaturen jedoch reduziert wird und der Stickoxid-Ausstoß dadurch steigt.

Das LG Braunschweig gab der Klage statt. Der Kläger hat nach österreichischem Recht Anspruch auf Schadensersatz. Österreichisches Recht ist anzuwenden, da der Kläger in Österreich wohnt und dementsprechend dort der Schaden eingetreten ist, stellte das Gericht klar.

Auch nach der österreichischen Rechtsprechung hat der Käufer Anspruch darauf, ein Fahrzeug ohne eine unzulässige Abschalteinrichtung zu erwerben, führte das LG Braunschweig aus. VW hat das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht und somit schuldhaft gehandelt. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die illegale Abschalteinrichtung weder vorsätzlich noch fahrlässig verwendet wurde. Zudem machte das Gericht deutlich, dass es vom Vorsatz überzeugt ist.

Dem Kläger ist schon mit Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden, so das LG Braunschweig. Denn er durfte davon ausgehen, ein uneingeschränkt nutzbares Fahrzeug zu erwerben und erhielt stattdessen ein Auto, dessen Typengenehmigung und somit Nutzungsmöglichkeit nur durch eine arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) erschlichen wurde. Es liegt auf der Hand, dass der Kläger ein solches Fahrzeug nicht kaufen wollte, führte das Gericht weiter aus. Den Einwand von VW, dass das österreichische Recht einen Vertragsabschlussschaden nicht kennt, ließ es nicht gelten.

Der Schaden ist auch durch das Software-Update nicht beseitigt worden. Zumal das bei der Installation des Updates eingesetzte Thermofenster einer vollständigen Schadensbeseitigung entgegensteht. Denn auch das Thermofenster ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Österreich (OGH) als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehen, wenn dadurch die Abgasrückführung nach den vorherrschenden Temperaturverhältnissen nicht im überwiegenden Teil des Jahres aktiv ist, führte das LG Braunschweig weiter aus.

In Deutschland hat das Verwaltungsgericht Schleswig mit Urteil vom 20. Februar 2023 entschieden, dass das Software-Update rechtswidrig ist, weil es ein Thermofenster beinhaltet und es sich dabei nach der Rechtsprechung des EuGH um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Konkret ging es um das Update bei einem VW Golf mit dem Motor EA 189.

Auf dieser Grundlage ist der VW Tiguan des Käufers auch nach dem Software-Update noch mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Der Kläger hat daher Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, so das LG Braunschweig. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs hat der Kläger Anspruch auf die Erstattung des Kaufpreises von 29.400 Euro abzüglich eines Benutzungsentgelts von knapp 16.400 Euro für die gefahrenen rund 122.000 Kilometer. Somit bleibt ein Schadensersatzanspruch in Höhe von ca. 13.000 Euro.

„Schadensersatzansprüche lassen sich im VW-Abgasskandal weiterhin durchsetzen. Das gilt umso mehr, nachdem der BGH am 26. Juni 2023 entschieden hat, dass Schadensersatzansprüche schon bei Fahrlässigkeit des Autoherstellers bestehen. Das erleichtert insbesondere bei Fahrzeugen mit dem weit verbreiteten Thermofenster die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen“, so Rechtsanwalt Dr. Henning Leitz.

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