Die deutschen Versicherer warnen vor den finanziellen Folgen einer alleinigen verpflichtenden Elementarschadenabsicherung für Verbraucher. „Wenn wir Prävention und Klimafolgenanpassung nicht konsequent umsetzen, könnte es in Deutschland nach unseren Schätzungen allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, am Mittwoch in Berlin.
Betroffen wären laut Asmussen alle Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, anteilig über die Miete auch alle Mieterinnen und Mieter. „Mancherorts könnten Gebäudeversicherungen gar so teuer werden, dass sich das Kunden nicht mehr leisten können“, so der GDV-Hauptgeschäftsführer. Der Verband äußerte sich am Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz, auf der im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz auch über das Thema Pflichtversicherung gesprochen werden dürfte.
Der Grund für diese mögliche Entwicklung: Jeder Versicherer muss prüfen, ob er die steigenden Extremwetterschäden langfristig weiter versichern kann. Das hat auch aufsichtsrechtliche Gründe, denn Versicherer müssen die Stabilität ihres Unternehmens sicherstellen. „Ohne Prävention könnte das breite Versicherungsangebot, wie wir es heute kennen, in Zukunft schrumpfen“, sagte Mathias Kleuker, Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses Risikoschutz in Gesellschaft und Wirtschaft. Einige Versicherer könnten früher oder später dazu gezwungen sein, das Geschäft aufzugeben, weil sie die entsprechenden Risiken nicht mehr tragen können.
Um die Dringlichkeit des Handelns zu unterstreichen, verwies der GDV-Hauptgeschäftsführer auf den aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarats, wonach der Klimawandel schon jetzt zu häufigeren und schwereren Extremwetterereignissen geführt habe. Auch in Deutschland müsse man sich daher auf weitere Naturkatastrophen wie Überflutungen, Stürme, Hagel, Tornados und Dürre einstellen.
„Ohne Gegenmaßnahmen, ohne Prävention wird sich diese Entwicklung unmittelbar in den Versicherungsprämien widerspiegeln“, erklärte Asmussen. Betroffen sei nicht nur die Elementarschadenversicherung, mit der unter anderem Starkregen und Hochwasser versichert sind. „Sondern die gesamte Wohngebäudeversicherung, die für Sturm- und Hagelschäden aufkommt.“
Asmussen warb vor diesem Hintergrund erneut für das von der Versicherungswirtschaft erarbeitete Gesamtkonzept aus Prävention und Klimafolgenanpassung, Vorsorge für den Katastrophenfall und Versicherungsschutz. „Denn noch haben wir es als Gesellschaft in der Hand, die Schäden infolge des Klimawandels und damit die Versicherungsprämien positiv zu beeinflussen“, so Asmussen.
Um das zu erreichen, sollten aus Sicht der Versicherer folgende Änderungen rasch umgesetzt werden:
- Klimaangepasstes Planen, Bauen und Sanieren. Prävention sollte fester Bestandteil der Landesbauordnungen werden.
- Baustopp in Überschwemmungsgebieten. Denn jedes Jahr entstehen rund 1.500 neue Gebäude in hochwassergefährdeten Gebieten.
- Stopp der Flächenversiegelung. Bei Baugenehmigungen sollte künftig eine Klima-Gefährdungsbeurteilung verpflichtend sein.
- Bundesweites Naturgefahrenportal. Damit soll das Risikobewusstsein der Bevölkerung erhöht werden.
Mit Blick auf extreme Naturkatastrophen und damit auf mögliche Grenzen privater Versicherungskapazitäten sprachen sich Asmussen und Kleuker für eine sogenannte Stop-Loss-Regelung aus. Bei dieser Form einer öffentlich privaten Partnerschaft würde der Staat ab einer vorher definierten Grenze die Schäden übernehmen.
„Wir sprechen hier von Ausnahme-Katastrophen mit einem Schadenvolumen deutlich über 30 Milliarden Euro“, sagte Kleuker. Die Ahrtal-Flut von 2021, mit Schäden von 8,5 Milliarden Euro die bislang schwerste und teuerste Naturkatastrophe für die deutschen Versicherer, wäre also kein Fall für die Stop-Loss-Regelung gewesen. „Andere Länder in Europa und der Welt haben solche Partnerschaften, etwa Frankreich, Belgien und Großbritannien“, so Asmussen. „Wir halten das für eine gute Lösung auch für Deutschland.“
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit Sitz in Berlin ist die Dachorganisation der privaten Versicherer in Deutschland. Die rund 460 Mitgliedsunternehmen sorgen durch 454 Millionen Versicherungsverträge für umfassenden Risikoschutz und Vorsorge sowohl für die privaten Haushalte wie für Industrie, Gewerbe und öffentliche Einrichtungen. Als Risikoträger und bedeutender Kapitalgeber mit Kapitalanlagen in Höhe von 1,8 Billionen Euro haben die privaten Versicherungsunternehmen auch eine herausragende Bedeutung für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung in der deutschen Volkswirtschaft. 487.500 Menschen sind für die Versicherungswirtschaft in Deutschland tätig.
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