Vorstandschef Dr. Karsten Braun sagte am Mittwoch im Vorfeld der Veranstaltung: „Die Politik sollte es ernst nehmen, wenn die Ärzteschaft quer durch die Berufsverbände zu einer zentralen Protestaktion aufruft.“ Braun weiter: „Die Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten stellen das Rückgrat der medizinischen Versorgung dar. Wenn hier die Versorgung als gefährdet angesehen wird, ist das mehr als ein Alarmzeichen.“ Braun kritisierte, dass die Rahmenbedingungen für die ärztliche und psychotherapeutische Tätigkeit immer schwieriger werden. „Der Druck auf die Praxen steigt. Die Wartezimmer sind voll, immer häufiger müssen Patientinnen und Patienten lange Wartezeiten auf Termine auf sich nehmen. Viel zu spät wurde reagiert und beispielsweise die Zahl der Studienplätze erhöht. Anstatt aber für mehr Arztzeit zu sorgen, wird sie immer weiter beschränkt. Das fängt bei der Vergütung an. Nach wie vor unterliegen die Ärzte und Psychotherapeuten einer Budgetierung. Das passt überhaupt nicht mehr in die heutige Zeit des Ärztemangels. Und entlastendes angestelltes Personal, sei es ärztlich oder nicht-ärztlich, wird in der Vergütung nicht angemessen abgebildet. Genauso absurd sind die ewigen Forderungen nach Nullrunden für die Praxen durch den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen. Insbesondere im Bereich der grundversorgenden Fachärzte muss es endlich einmal wieder zu deutlichen Honorarsteigerungen, nicht nur zu Inflationsausgleich, kommen.
Es liegt nun in der Verantwortung von Politik und Krankenkassen, die ambulante, wohnortnahe fachärztliche Versorgung zu erhalten und den weiteren Weg in die Staatsmedizin zu verhindern. Und weiter geht es mit immer neuen Anforderungen an die Tätigkeit, Stichwort Bürokratie. Die Praxen kommen immer mehr in den Modus, sich zunehmend selbst zu verwalten, anstatt mehr Zeit für die Versorgung zur Verfügung stellen zu können.“ Für Braun ist daher klar: „Wir müssen mindestens die Grund- und Versichertenpauschalen aus den Budgets herausnehmen. Wenn die Vergütungssystematik schon vorsieht, dass ein Arzt für einen Patienten nur einmal im Quartal eine Vergütung abrechnen kann, egal, wie oft er kommt, dann kann das nicht budgetiert sein. Die Ärzte haben keinen Einfluss darauf, wie viele Patienten wie oft kommen. Mit der Neupatientenregelung ist hier ein erster, durchaus erfolgreicher Schritt unternommen worden, der leider wieder eingestellt wurde.“
Seine Vorstandskollegin Dr. Doris Reinhardt fordert denn auch ein Umdenken in der Versorgung. „Es ist mehr als nachvollziehbar, dass die Kolleginnen und Kollegen frustriert sind und das Gefühl haben, mit ihren Anliegen nicht ernst genommen zu werden. Wir müssen den Praxen mehr Freiheit einräumen, auch bei telemedizinischen Beratungsangeboten. Unsere große Sorge ist, dass wir immer weniger Mitglieder haben, die bereit sind, die Verantwortung für eine Praxis zu übernehmen und damit die betriebswirtschaftliche Verantwortung für ein Unternehmen mit ärztlichen und nichtärztlichen Angestellten. Entscheidend ist es daher, die Attraktivität für die selbständige Tätigkeit zu erhöhen.“ Reinhardt sieht daher Handlungsbedarf in mehreren Bereichen: „Tausende Einzelfallprüfungen für Verordnungen sorgen beispielsweise für Frust. Und wir brauchen dringend endlich gut funktionierende und die Arztpraxen entlastende digitale Anwendungen. Grundvoraussetzung und ganz entscheidend ist die planungssichere gute Vergütung der Versorgungsleistung der Praxis, nur dann können attraktive Arbeitsplätze ermöglicht werden, damit diese Praxisteams die Versorgung sicherstellen und gewährleisten können.
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