Die Koalitionsverhandlungen in Berlin zwischen CDU und SPD standen unter schwierigen Vorzeichen. Neben der schon an sich problematischen Suche nach Kompromissen schwebte immer die Frage im Raum, ob die Mitglieder der SPD dem Ergebnis zustimmen werden. Am Ende wurde der Koalitionsvertrag von allen angenommen, und es gibt einen Machtwechsel in der Stadt. Aber wie wirkten sich diese Rahmenbedingungen auf die Inhalte des Vertrags aus, z. B. in den Themenfeldern Arbeit und Soziales? Unter anderem in diesem Bereich konnte das Unionhilfswerk seine Expertise einbringen.

Ringen um die Erhöhung des Landesmindestlohns

Wenn man sich den Koalitionsvertrag im Kapitel „Arbeit und Soziales“ näher anschaut, dann werden die schwierigen Rahmenbedingungen sehr deutlich. Vor allem bei den sozialdemokratischen Schwerpunktthemen finden sich Inhalte die deutlich machen, dass die Mitglieder überzeugt werden sollten. Die Erhöhung des Landesmindestlohns und damit weiterhin deutlich über den bundesdeutschen Mindestlohn ist sicherlich eine harte Nuss, die zu knacken war. Die Begrenzung auf 1,50 Euro über den bundeseinheitlichen Mindestlohn ist dann der Kompromiss, der beide Seiten befrieden konnte. Eine konsequente Umsetzung des Landesmindestlohnes und die Anerkennung von Tarifen und Betriebsvereinbarungen für alle Beschäftigten in der Eingliederungshilfe und der Zuwendungsprojekte wäre sehr zu begrüßen. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass darauf leider nicht Verlass ist. Auch diesmal finden sich im Vertrag dazu keine eindeutigen Aussagen, und es bleibt zu vermuten, dass in Zukunft darum weiter mühsam gerungen werden wird.

100 „Budgets für Ausbildung“ bis 2025

Was können die Menschen mit Beeinträchtigungen erwarten? Bis 2025 sollen 100 Budgets für Ausbildung vereinbart werden. Ein gutes Ziel, da dadurch Menschen mit dauerhafter Erwerbsminderung der Weg zu einer Berufsausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geebnet werden würde. Aber selbst Jahre nach Einführung des Instrumentes sind im Land Berlin noch nicht einmal die Strukturen und Prozesse zum Budget für Ausbildung abschließend und umfassend beschrieben, und die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen werden als Partner zur Umsetzung nicht einmal genannt, obwohl sie die Experten für den benannten Personenkreis sind.

Werkstätten weiterentwickeln

Erfreulich ist die zugesagte Unterstützung bei der Weiterentwicklung von Werkstätten für Menschen mit Behinderung, leider ohne irgendeine Richtung der Weiterentwicklung zu benennen. Im Kontext der Schaffung einer unabhängigen Beratungsstelle – wieder ohne die Expertise der Werkstätten – deutet vielleicht eine Richtung an. Wir werden das sehr genau beobachten und konstruktiv-kritisch begleiten.

Zuwendungsrecht entbürokratisieren

Eine insbesondere auch durch das Unionhilfswerk seit langem erhobene Forderung der Entbürokratisierung des Zuwendungsrechtes findet sich im Abschnitt „Soziales“ wieder. Zuwendungen sind staatliche Leistungen zur Umsetzung von sozialen Dienstleistungen. Es wäre für alle hilfreich, wenn es einen klaren Prozess gäbe und nicht 12 verschiedene Ideen von Zuwendungsanträgen und -abrechnungen. Das berührt natürlich grundsätzliche Fragen einer Verwaltungsreform in Berlin, und deshalb bleibt zu hoffen, dass dieser Punkt nicht vergessen wird.

Gemeinkostenpauschale prüfen

Es ist zu begrüßen, dass die Gemeinkostenpauschale wohlwollend geprüft werden soll. Zu den Gemeinkosten zählen Ausgaben und Sachkosten, die durch die Nutzung der Infrastruktur des Trägers, z.B. Buchhaltung, Personalverwaltung, Räume oder Büroausstattung, entstehen und nicht unmittelbar einzelnen geförderten Projekten zugeordnet werden können. Ohne die vorhandene Infrastruktur könnten die Projekte jedoch nicht durchgeführt werden.

Weitere Vorhaben

Bemerkenswert ist das Vorhaben, ein Altenhilfestrukturgesetz zu erarbeiten. Hier ist Berlin bundesweit Vorreiter und das Unionhilfswerk ganz vorne mit dabei. Auch die Themen Kälte- und Obdachlosenhilfe nehmen einen prominenten Rahmen ein, ohne wesentlich neue Akzente zu setzen.

Ein Fazit

So ist irgendwie von allem etwas dabei und vor allem so „verpackt“, dass vieles möglich scheint, ohne schon jetzt zu viel Verbindlichkeit herzustellen. Beim Lesen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass vor allem die Mitglieder der SPD gewonnen werden sollen, damit sie dem Vertrag letztendlich zustimmen. Das ist im Ergebnis letztlich gelungen. Hoffentlich ist nicht zu viel offen und unverbindlich geblieben, so dass sich die Koalition in den kommenden drei Jahren ständig über die Interpretation der Ausführungen im Koalitionsvertrag auseinandersetzen muss. Das wäre schlecht für die Stadt und die Menschen, die auf die in Aussicht gestellten Vorhaben hoffen.

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