Ein Krug am Ochsenweg, im Norden Nordfrieslands auf der stark frequentierten Route nach Tondern; mit preisgünstigen Pfannkuchen und einem legendären Wirt: Peter Matthiessens Gasthof im Langenberger Forst steht schon lange nicht mehr. Aber das Gästebuch ist erhalten, von 1834 bis 1888 lag es dort aus. Viele der Gäste waren junge Männer, auf dem Weg zum dortigen Lehrerseminar, voller Hoffnung auf die Aufnahmeprüfung, auf der Heimreise für die Ferien und manchmal auch enttäuscht nach gescheitertem Examen. Darunter später berühmte Namen wie der Dichter Klaus Groth. Reiserouten, angeheitert aufgeschriebene Witze, Liedzeilen und kurze Gedichte, Spitznamen und zunehmend auch politische Parolen prägen das Buch, auch der erste Nachweis des bekannten friesischen Mottos „Livre düed as Slaav!“ findet sich in recht eigenwilliger Schreibweise hier.

Was auf den ersten Blick ein willkürliches Sammelsurium auf Hoch- und Plattdeutsch, Friesisch, Dänisch und sogar Griechisch und Hebräisch darstellen könnte, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als spannendes Dokument, vergleichbar heutigen sozialen Netzwerken: Wie setzen sich die jungen Menschen selber in Szene? Womit ziehen sie sich gegenseitig auf? Was sind ihre Anliegen und Themen? Welche Parolen schreiben sie auf, welche oft burschenschaftlichen Lieder kennen und zitieren sie? Wie verändert sich der Blick auf die Gesellschaft? In einer Region, die zuerst noch wie selbstverständlich zum dänischen Gesamtstaat gehörte, dann zwischen die nationalen Fronten geriet, durch mehrere Kriege geschunden wurde, um schließlich von Preußen annektiert und damit „deutsch“ zu werden? Und überhaupt: Welche Sprachen werden genutzt? Von wem und warum?

Das „Ranzelberger Gästebuch“ mit seinen 428 Seiten wurde bis 2018 in der Friedrich-Paulsen-Schule in Niebüll verwahrt; seither befindet es sich klimatisch gut geschützt im Archiv des Nordfriisk Instituut. Inzwischen wurden Wissenschaftler und Studierende der Europa-Universität-Flensburg auf dieses Manuskript aufmerksam; mit finanzieller Unterstützung durch die Friesenstiftung entzifferten sie die aberhunderte verschiedenen Handschriften und begannen mit der Auswertung. Am Mittwoch, 28. Juni, präsentiert das Team unter Leitung der US-amerikanischen Sprachwissenschaftlerin Dr. Samantha Litty erste Ergebnisse in der Reihe „Sommerinstitut“. Die Nord-Ostsee Sparkasse unterstützt diese Reihe, in welcher aktuelle Forschung öffentlich vorgestellt wird. Der Eintritt ist frei, es wird um eine Spende gebeten. Beginn ist um 19 Uhr 30 im Nordfriisk Instituut, Süderstr. 30 in Bredstedt.

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