Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben in einer internationalen Studie eine Genvariante identifiziert, die vor Alzheimer schützen könnte. Gemeinsam mit Wissenschaftler:innen der Harvard Medical School, der Universität von Antioquia/Kolumbien und weiteren Einrichtungen konnten sie feststellen, dass eine Variante des so genannten Reelin-Gens zellbiologische Prozesse reguliert, die zur Entstehung von Alzheimer beitragen. Die Erkenntnisse könnten einen neuen Ansatzpunkt in der Alzheimer-Therapie darstellen. Ihre Studienergebnisse haben die Forschenden im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht.

Die Forschenden konnten bei einem Träger der so genannten Paisa-Mutation in Kolumbien einen für diese genetische Form von Alzheimer ungewöhnlichen Krankheitsverlauf feststellen: Der Patient entwickelte im Alter von 72 Jahren eine leichte Demenz und starb im Alter von 74 Jahren – Jahrzehnte, nachdem die meisten Menschen mit dieser Mutation typischerweise an Demenz erkranken. In genetischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass der Patient eine neuartige, seltene Variante des Reelin-Gens in sich trägt. Reelin ist ein Protein, das eine zentrale Rolle bei der Regulierung der Entwicklung und Funktion von Hirnzellen spielt. Die Forschenden fanden in weiteren Studien unter Leitung des UKE heraus, dass diese Reelin-Genvariante vor der Zerstörung von Hirnzellen schützt, indem sie einem zentralen Entstehungsmechanismus bei Alzheimer entgegenwirkt – der Ablagerung des so genannten Tau-Proteins in Nervenzellen. Besonders stark war diese Schutzwirkung zudem im entorhinalen Kortex, einer Schlüsselregion des Gehirns für Lernprozesse und das Gedächtnis, deren Nervenzellen im Zuge einer Alzheimer-Erkrankung meist als Erstes geschädigt werden.

„Die schützende Genvariante, die in dieser Studie beschrieben wird, eröffnet eine neue Sichtweise auf das Reelin-Protein und die Entstehung von Alzheimer. Die Tatsache, dass ein Gen der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit schützend entgegenwirkt, kann eine wichtige Grundlage für zukünftige Therapiestudien bilden“, sagt Dr. Diego Sepulveda-Falla vom Institut für Neuropathologie des UKE.

Ihre Studienergebnisse haben die Wissenschaftler:innen im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht. 2019 war ein ähnlicher Erkrankungsfall aus derselben Population untersucht worden. Hier wurde eine genetische Variante in einem anderen Protein identifiziert, die für den verlangsamten Krankheitsverlauf verantwortlich war. Beide Fälle weisen gleichwohl auf einen ähnlichen Erkrankungsmechanismus im entorhinalen Kortex hin.

Literatur

Lopera et al. Resilience to autosomal dominant Alzheimer’s disease in a Reelin-COLBOS heterozygous man. Nature Medicine. 2023. DOI: https://doi.org/10.1038/s41591-023-02318-3

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