Wirtschaftskraft soll eigentlich große Rolle für Berechnung des Königsteiner Schlüssels spielen, wird letztlich aber kaum berücksichtigt – Zuweisung etwa von Geflüchteten und Bildungsinvestitionen in vielen Fällen nicht angemessen – Diskussion über bedarfsgerechte Lastenverteilung nötig

Der sogenannte Königsteiner Schlüssel verteilt Gelder und Aufgaben zwischen den Bundesländern. Dabei ist eigentlich beabsichtigt, dass die Wirtschaftskraft eines Landes den größten Einfluss hat. In der Realität ist das aber fast gar nicht der Fall, wie eine aktuelle Analyse von Ökonomen um Felix Weinhardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Public Economics an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), zeigt. Demnach entspricht der Königsteiner Schlüssel letztlich weitgehend den Bevölkerungsanteilen der Länder – diese fließen zwar ebenfalls in die Berechnung des Schlüssels ein, eigentlich aber nur zu einem Drittel, die Wirtschaftskraft hingegen zu zwei Dritteln.

Des Rätsels Lösung: Als Wirtschaftskraft wird das Steueraufkommen pro Kopf herangezogen, allerdings erst nach dem Finanzausgleich zwischen wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Bundesländern. Da das Steueraufkommen dann zwischen den Ländern angeglichen ist, hat es für den Königsteiner Schlüssel so gut wie keine Relevanz und reduziert dessen Berechnung mehr oder weniger auf die Bevölkerungsanteile: Die Abweichung des Schlüssels vom Bevölkerungsanteil liegt in keinem einzigen Flächenland bei mehr als drei Prozent. Würde man alternativ das Steueraufkommen vor dem Finanzausgleich für die Berechnung des Schlüssels verwenden, würde dieser beispielsweise Bayern als wirtschaftsstarkem Flächenland einen um gut 20 Prozent höheren Anteil zuweisen. In den ostdeutschen Ländern wäre er hingegen um 20 bis 30 Prozent geringer.

„Dass der aktuelle Königsteiner Schlüssel die Wirtschaftskraft der Bundesländer mehr oder weniger ausklammert, steht in krassem Widerspruch zur medialen und politischen Zuschreibung des Schlüssels als Verteilmechanismus, der die regionale wirtschaftliche Stärke berücksichtigt und somit vermeintlich fair ist“, sagt Studienautor Weinhardt. „Der Königsteiner Schlüssel ist eher ein PR-Stunt, der Fairness nur suggeriert.“

Ein Schlüssel für alle Fälle kann bedarfsgerechte Verteilungen kaum erreichen

Aus Sicht der Studienautoren ist eine einfache Lösung zur Überarbeitung des Königsteiner Schlüssels jedoch nicht möglich. „Bei der großen Bandbreite an Verwendungen wäre es auch nicht der Weisheit letzter Schluss, einfach zum Königsteiner Schlüssel mit dem Steueraufkommen der Länder vor dem Finanzausgleich zu wechseln“, so Co-Autor Constantin Tielkes von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Sicher wäre es zwar wünschenswert, dass wirtschaftsstarke Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg beispielsweise mehr Geflüchtete aufnehmen. Aber wichtiger sei, dass gerade Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive Orten zugeteilt werden, wo sie sich am ehesten integrieren können, also beispielsweise Arbeit, Sprachkurse und eine angemessene Unterkunft finden oder über soziale Kontakte verfügen. Noch anders sähe die Sache bei der Verteilung von Geldern aus Bildungsprogrammen des Bundes aus, ergänzt Marco Schmandt von der Technischen Universität Berlin: „Es wäre nicht angebracht, dass finanzkräftige Länder bei der Verteilung von Bildungsinvestitionen stärker profitieren als finanzschwache.“ In diesem und anderen Bereichen müsse der konkrete Bedarf den Studienautoren zufolge das einzige Kriterium sein. Der Königsteiner Schlüssel kann diese diversen Anforderungen nicht erfüllen.

„Das Problem ist nicht der Königsteiner Schlüssel an sich, sondern dass er in vielen Fällen herangezogen wird, für die er ursprünglich nicht gedacht war.“ Felix Weinhardt

Wenn es um die Verteilung finanzieller Lasten geht, ist der aktuelle Königsteiner Schlüssel hingegen durchaus geeignet: Er verhindert, dass wirtschaftsstarke Länder doppelt zur Kasse gebeten werden, nämlich erst im Rahmen des Finanzausgleichs und dann noch einmal bei der Finanzierung von Maßnahmen. Für eine solche Lastenverteilung wurde der Schlüssel ursprünglich konzipiert, genauer gesagt für die gemeinsame Finanzierung überregionaler Forschungseinrichtungen. „Das Problem ist also nicht der Königsteiner Schlüssel an sich“, so Weinhardt, „sondern die Tatsache, dass er heute in vielen Fällen herangezogen wird, für die er ursprünglich gar nicht gedacht war. Stattdessen brauchen wir je nach konkretem Anwendungsfall verschiedene Schlüssel, die eine wirklich bedarfsgerechte Verteilung von Geldern und Aufgaben zwischen den Bundesländern ermöglichen.“

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