Noch bis zum 24. Juni 2023 ermöglicht eine Einzelausstellung in der Galerie Scheffel Einblick in das unverkennbare Werk des Bildhauers Sebastian Kuhn. Zu sehen sind zahlreiche seiner frei stehenden Plastiken und dreidimensionalen Wandarbeiten, die durch ungewöhnliche Objekt- und Materialkombination je eigene Imaginationsräume und Wahrnehmungswelten erzeugen.

Als Ausgangspunkt für seine komplexen Kompositionen arbeitet Sebastian Kuhn mit Objekten des Alltags, die er zerlegt, mit den unterschiedlichsten, aus unserem Lebensumfeld geläufigen Materialien kombiniert und in neue Beziehungsgefüge und Zusammenhänge überführt. Transformationsprozesse, Materialität und Farbigkeit spielen dabei eine ebenso große Rolle wie Rhythmik und Raumerfahrung. Kuhn gibt keine definierte Grundhaltung, keine festgelegten Botschaften vor. Vielmehr inszeniert er mit seinen Neukonstruktionen ästhetische und metaphorische Erfahrungsräume. Sein künstlerisches Leitmotiv beschreibt er mit einem Zitat des französischen Philosophen Gilles Deleuze: „Wahrnehmen heißt die Welt zu pulverisieren, aber auch ihren Staub zu spiritualisieren.“

Für die Bad Homburger Ausstellung hat Sebastian Kuhn das englische Wort „conundrum“ (Rätsel) als Titel gewählt: Dessen rhythmischer Klang suggeriert Bewegung und zugleich verweist es auf die Vielschichtigkeit seiner Arbeiten, die stets dazu auffordern, das Sichtbare zu hinterfragen. In ähnlicher Weise bietet Kuhn dem Betrachter seine Werktitel als Anknüpfungspunkte für eine persönliche Beziehung zu den Objekten an, als Impulse für die individuelle Betrachtung und Reflexion.

So erweckt etwa die Arbeit „Transcendental Device“ mit ihrem pinkfarbenen Gestänge, den daran angebrachten Handgriffen und gusseisernen Gewichten den Eindruck eines gefundenen Geräts, während der Titel darauf hinweist, dass die Erkenntnis des Gegenstands, des gebauten Kunstwerks, noch vor der subjektiven Erfahrung liegt. „On a Turtle’s Back“ deutet auf den aus der indischen Kosmologie stammenden Mythos der die Welt tragenden Schildkröte hin. Als Bindeglied zwischen Alltagswelt und Kunstobjekt (und als Bild für den Schildkrötenrücken? Oder für die Welt als Scheibe?) dient hier eine Art Hocker mit weicher, runder Sitzfläche. Doch die kantigen und wie durch Drehung und Fliehkraft weit in den Raum ausgreifenden Elemente aus Stahl und Acrylglas verhindern den Gebrauch des einstigen Möbels. Wie ein zweckdienliches Möbel auf einem Teppich erscheint zuerst auch „Satellite“. Formal erinnert das Objekt an einen klassischen Sockel mit Fußgesims, der zur Erhöhung eines Kunstwerks dient. Ohne sichtbaren Bodenkontakt scheint es aber – mittels eines von unten heraus leuchtenden Antriebs – selbst zu schweben, gar abzuheben. So präsentiert es sich selbst als künstlerisches Objekt, trägt aber doch eine schwarze Acrylglasplatte, die wiederum beim Umrunden verschiedene Spiegelbilder der Umgebung auf dem Sockel präsentiert.

Licht, Spiegelung und Farbe erzeugen bei „Hangover Constructivism III“ die Illusion einer Erweiterung und Dynamisierung des Raums. Auch hier wird der Betrachter als Akteur mit einbezogen. Während er die Konstruktion aus Neonröhre, Stegplatte, Spiegel, Glas und Acrylglas aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und versucht, das Zusammenspiel der Einzelteile zu erkunden, eröffnen sich immer neue Perspektiven, Durchsichten, Lichtkorridore und Spiegelungen. Gleichzeitig variieren je nach Betrachterstandpunkt die Farben auf der mit einer Spezialfolie beklebten äußeren Scheibe. Beim langsamen Umschreiten verändern sie sich in stufenlosen Verläufen.

Auch zahlreiche neue, teils für die Ausstellung angefertigte Arbeiten der Werkserien „Display Devices“ und „Anchor Pieces“ von Sebastian Kuhn sind in Bad Homburg zu sehen.

Bei den „Display Devices“ geht Kuhn stets von einer zur Aufhängung oder Ablage vorgesehenen Vorrichtung aus, wie wir sie aus Baumärkten, Werkstätten und anderen Kontexten kennen: Das können Schlauch-, Waschbecken- oder Auspuffhalter sein, eine Hobelmesserklemme oder eine Telefonzellenablage, auch ein Bügelbrett oder Gummitürstopper. Diese kombiniert er mit Elementen aus Werkstoffen wie Edelstahl, Schichtholz, Nadelfilz oder Teppichboden – und immer auch Acrylglas. Durch den Wiedererkennungswert der entfunktionalisierten Gebrauchsformen und Materialien ebenso wie durch die fein ausbalancierte Gegenüberstellung des Eindrucks von Statik und Dynamik, von Material-, Form- und Farbkontrasten eröffnet jedes dieser hybriden Kunstobjekte ein ganz eigenes Feld von Lektüremöglichkeiten und Wahrnehmungserfahrungen.

Wie eine Klammer scheint bei den kleineren Wandarbeiten der Serie „Anchor Pieces“ jeweils ein Wannenanker – eigentlich zur Fixierung von Badewannen vorgesehen – ein Bündel scheinbar zufällig zusammengelegter oder -gerollter Streifen eines geschmeidigen Materials daran zu hindern, sich eigenständig wieder auseinanderzufalten. Bei den Streifen handelt es sich jedoch um Acrylglasplatten, die der Künstler mithilfe der Anker gebogen und in räumlichen Schichtungen angeordnet hat – der Gebrauchsgegenstand erhält hier eine neue Funktion bei der Herstellung des Kunstwerks. Kuhn lotet in seinen „Anchor Pieces“ die materiellen und ästhetischen Eigenschaften von Acrylglas aus: Unterschiedliche Grade an Lichtdurchlässigkeit, Transparenz und lichtsammelnder Fähigkeit der mal matten, mal spiegelnden Elemente ebenso wie ihre überraschenden Schwünge und die ungewöhnlichen Farbzusammenstellungen erzeugen auch hier eine eindrückliche Wirkungskraft.

Sebastian Kuhn, 1977 in Krumbach geboren, war Meisterschüler in der Bildhauerklasse von Tim Scott an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg (1999-2002), absolvierte dort zusätzlich ein Studium der Bildhauerei und Kunsterziehung bei Claus Bury (2003-2006) und anschließend ein MA-Studium der Bildhauerei am Wimbledon College of Art in London (2006-2007). Seitdem wurden die Werke des vielfach ausgezeichneten Künstlers in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland ebenso wie in Österreich, Großbritannien, Japan und China gewürdigt und befinden sich international in privaten und öffentlichen Kunstsammlungen – in Deutschland u.a. in den Sammlungen des Museums Biedermann, des Neuen Museums Nürnberg oder der Kunsthalle Mannheim.

Die Ausstellung „Sebastian Kuhn – Conundrum“ in der Galerie Scheffel ist dienstags bis freitags von 14 bis 19 Uhr und samstags von 11 bis 15 Uhr geöffnet (Ferdinandstraße 19, 61348 Bad Homburg v.d.Höhe, www.galerie-scheffel.de).

Pressefotos stellen wir gerne honorarfrei zur Verfügung.

Ausstellung „Sebastian Kuhn – Conundrum“
Ort: Galerie Scheffel, Ferdinandstraße 19, 61348 Bad Homburg v.d.Höhe
Dauer der Ausstellung: 24. März – 24. Juni 2023
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr, Samstag 11-15 Uhr
www.galerie-scheffel.de

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