Ärzte und Apotheker werden mittlerweile mit einer solchen Menge an Arzneimitteln konfrontiert, dass es schlicht unmöglich ist, bei jedem die Wechselwirkungen und Interaktionen zu kennen. Das Bethanien Krankenhaus Moers unterstützt sie dabei mit ORBIS Medication – und erhöht zugleich die Patientensicherheit.

Die Patienten im Bethanien Krankenhaus Moers nehmen während des Klinikaufenthalts durchschnittlich rund ein Dutzend Medikamente ein, so die Schätzung der Stationsapothekerin Merle Weilandt. Dass das schwer zu bewerkstellen ist, liegt auf der Hand. Lange Zeit haben sie und die Ärzte das Medikationsmanagement im Krankenhaus-Informationssystem (KIS) ORBIS und den Wechselwirkungscheck in einem gesonderten Spezialsystem vorgenommen. „Dort mussten die Arzneimittel dann aber separat eingegeben werden. Die Mehrarbeit war im hektischen Klinikalltag kaum zu leisten“, weiß KIS-Administrator Thomas Schlienz. Ebenfalls entstand beim Wechsel der Patienten von der Intensiv- auf eine Normalstation zusätzlicher Aufwand. Dann mussten die Ärzte die eine Medikation absetzen und eine neue anordnen.

Diese Prozeduren sind beim herrschenden Ärzte- und Pflegekräftemangel nicht haltbar. Deshalb hat sich das Bethanien Krankenhaus entschlossen, die Medikation sehr eng mit dem KIS zu verzahnen. ORBIS ist bereits seit 2003 das patientenführende System und im medizinischen Bereich mittlerweile fast flächendeckend im Einsatz. „Wir verfolgen zwar keinen strikten holistischen Ansatz“, sagt IT-Leiter Michael Ziller, „bietet Dedalus HealthCare jedoch eine passende Lösung, ist das Unternehmen unser erster Ansprechpartner. Beim Medikationsmanagement stand jedoch nie eine andere Lösung als die aus Bonn zur Diskussion, weil zur Abbildung der Workflows und zum automatischen Datentransfer zwischen den Systemen eine tiefe Integration die Grundvoraussetzung darstellt.

Hausliste im Online-Zugriff

Die sorgt dann auch dafür, dass beispielsweise Stationsärzte durch den Zugriff auf einheitliche Hauslisten die Medikation eines Patienten sehr schnell und einfach anpassen können – auch unter Zeitdruck nachts im Notdienst. ORBIS Medication soll bis Anfang Mai auf allen Normalstationen eingeführt sein, danach folgen die Kinderklinik und die Intensivstation. „Die beiden Einrichtungen ziehen wir nach, da beide eigene Hauslisten mit rund 400 Medikamenten haben, die eingepflegt werden müssen“, erläutert Weilandt das Vorgehen.

Sie selbst ist bei der Aeskulap Apotheke in Moers angestellt und arbeitet drei Tage in der Woche als Stationsapothekerin im Bethanien Krankenhaus. In dieser Funktion kümmert sie sich um alles, was mit Arzneimitteln zu tun hat, auch um die Beratung der Ärzte und Pflegekräfte. Fragen der Medikamentenanordnungen, -gabe und -lieferung sind ihr täglich Brot. Aktuell brennen ihr die bestehenden Lieferengpässe unter den Nägeln. „Da muss ich die Mediziner häufig auch zu Alternativmedikamenten beraten, wenn etwas aus der Hausliste gerade nicht lieferbar ist“, so Weilandt.

Spezieller Arbeitsplatz für Apotheker

Dabei erleichtert ihr der Apothekenarbeitsplatz in ORBIS Medication die Arbeit. Früher hat sie die Medikation einzelner Patienten auf Zuruf der Stationsärzte geprüft. Heute kann sie proaktiv tätig werden und beispielsweise auf einen Blick etwaige Risikomedikamente identifizieren und prüfen. Auch das Projekt Antibiotic Stewardship, bei dem Weilandt Teil des interdisziplinären Teams ist, profitiert vom neuen Arbeitsplatz. „Ich kann mir anzeigen lassen, welche Patienten Vancomycin, ein Antibiotikum zur Behandlung einer Reihe bakterieller Infektionen, nehmen, und dann direkt mit dem behandelnden Arzt in Kontakt treten“, nennt die Stationsapothekerin ein Beispiel. Früher musste sie dazu aufwendig Patientenkurven durcharbeiten.

Zudem kann sie sehr viel einfacher risikobehaftete Prozesse begleiten und schneller und gezielter kommunizieren. Bittet beispielsweise ein Arzt sie um ihre Expertise, kann sie auf dem elektronischen Weg und transparent für alle eine pharmazeutische Empfehlung geben. Die hinterlegt Weilandt direkt im System. In der Patientenkurve taucht ein definiertes Symbol auf – passenderweise ein Aeskulap-Stab –, so dass alle Ärzte dann diese Empfehlung lesen können. Diese quittieren anschließend mit einem Mausklick, dass sie sie gelesen haben, und notieren für den Fall, dass sie der Empfehlung nicht folgen, den Grund dafür. Damit ist der gesamte Prozess vollkommen transparent.

Digitaler Medikationsprozess

Bis es so weit war, galt es aber, ein paar alte Zöpfe abzuschneiden, wie Ziller es formuliert: „Wir haben die Systemeinführung genutzt, um etablierte Prozesse zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.“ Beispiele sind die Überarbeitung von Sammelverordnungen und die Erstellung von Verordnungsstandards. Die legen fest, welche Medikamente bei immer wiederkehrenden Krankheitsbildern verabreicht werden. „Diese Standards haben wir in der Software hinterlegt, so dass der behandelnde Arzt sie in einem Menü nur noch auswählen und kontrollieren muss und dann automatisch in die Fieberkurve übernehmen kann. Das bedeutet eine immense Arbeitsersparnis“, erläutert der IT-Leiter.

Wie läuft aber der gesamte Prozess rund um die Medikation im Bethanien Krankenhaus ab? Wenn der Patient in die Klinik kommt, bringt er idealerweise seinen Medikationsplan mit allen Angaben mit. Der kann dann bei der Aufnahme eingescannt und in ORBIS Medication gespeichert werden. Danach übernimmt die Pflegekraft die Medikation entsprechend der Hausliste. Im nächsten Schritt kontrolliert ein Arzt die Medikation auf Korrektheit und Vollständigkeit. Mit der Signierung startet automatisch der Interaktionscheck mit Flycicle Visionâ. Dabei berücksichtigt die Software Wechselwirkungen, Doppelverordnungen, Allergien, allgemeine Hinweise, Rote-Hand-Briefe und ähnliches. Nach der Medikationsprüfung visualisiert das Tool Warnungen und Informationen in einem bewährten Kreisschema und stellt sie ihrem Schweregrad entsprechend farblich dar. Rot symbolisiert dabei Interaktionen mit potenziell klinisch schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwechselwirkungen (UAW), gelb steht für selten klinisch relevante Interaktionen. „So können die Ärzte nach einem Blick darauf eine Risikoeinschätzung vornehmen und die Medikation gegebenenfalls anpassen“, sagt Weilandt. Die Ärzte müssen mit einem Mausklick bestätigen, dass sie die Warnungen gelesen haben. Diese wiederum werden in einem Textfeld erläutert, das auch Vorschläge zu alternativen Medikamenten oder Dosierungen enthält.

Ist der Interaktionscheck abgeschlossen, gibt der Arzt den Medikationsplan frei. Der erscheint in ORBIS Medication, so dass die Pflegekräfte die Medikamente stellen können. Die erscheinen in der sogenannten Stellliste. Früher konnte lediglich abgehakt werden, dass das Arzneimittel dem Patienten verabreicht wurde. Heute dokumentiert die Pflegekraft die Phasen „Medikamente gestellt“, „Medikamente ausgeteilt“ und „Medikamente appliziert“. Darüber hinaus sind in der Liste spezifische Informationen zu den einzelnen Artikeln hinterlegt. „Dort ist dann beispielsweise die Haltbarkeitszeit einer Salbe nach Öffnen der Tube vermerkt, die die Pflegekraft dann direkt auf die Verpackung schreiben kann. Früher war das auf einer Liste vermerkt, die aber immer dort hing, wo man gerade nicht war“, merkt Merle Weilandt an. Auch Fachinformationen, die Ärzte oder Pflegekräfte sonst im Intranet suchen mussten, kann sie direkt beifügen. Ein Popup-Fenster verrät beispielsweise, wie Medikamente aufgezogen werden oder mit welchem Präparat Arzneimittel in Pulverform aufgelöst werden. Alles in einem System, alles nur einen Mausklick entfernt und alles zentral zu administrieren.

Nächster Schritt: Closed Loop

Ist der klinikweite Rollout von ORBIS Medication abgeschlossen, nimmt das Bethanien Krankenhaus Moers den Closed Loop in Angriff. „Damit können wir dann den gesamten Medikationsprozess von der Verordnung bis zur Gabe transparent und lückenlos dokumentieren“, sagt Michael Ziller. „Wir versprechen uns davon eine weitere Steigerung der Patientensicherheit.“

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