Kürzere Wege, Fahrtkostenzuschuss für Azubis, noch besser qualifiziertes Lehrpersonal und mehr Digitalisierung – die vier gewerblichen Kammern im Land fordern einen spürbaren Qualitätssprung für die Berufsschulausbildung in Sachsen-Anhalt. „Einige schulpolitische Entscheidungen in den zurückliegenden Jahren belasten unsere Azubis unnötig“, stellt Prof. Dr.Thomas Brockmeier fest, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK). Die IHK aus dem Süden Sachsen-Anhalts hat gemeinsam mit ihrer Schwesterkammer aus Magdeburg und den beiden Handwerkskammern Halle (Saale) und Magdeburg acht bildungspolitische Handlungsempfehlungen vorgelegt. Ein Problem etwa seien immer noch zu lange Schulwege wegen starrer Vorgaben, welcher Azubi wo für welches Fach zur Berufsschule gehen muss. „Unter anderem deswegen steht die Berufsausbildung bei Schulabgängern weniger hoch im Kurs als sie könnte – und müsste“, kommentiert Prof. Brockmeier mit Blick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel im Land. Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerks­kammer Magdeburg fordert: „Die häufig zu weiten Wege zur Berufsschule müssen einfach kürzer werden!“ Kreisgrenzen erwiesen sich allzu oft als unnötige Barrieren. „Eine wohnortnahe Beschulung ist für die Fachkräfteentwicklung in unserem Land sehr wichtig – insbesondere im ländlichen Raum“, betont Grupe.

 

Die Handwerkskammern Halle (Saale) und Magdeburg sowie die Industrie- und Handelskammern Halle-Dessau und Magdeburg stehen für insgesamt rund 130.000 Unternehmen mit etwa 650.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und mehr als 23.000 Auszubildenden. Ihre acht Handlungsempfehlungen an die Entscheidungs­träger in Politik und Verwaltung setzen nach Angaben der Hauptgeschäftsführer dort an, wo der Handlungsdruck am größten ist: Auszubildende sollten jene Berufsschule besuchen können, in deren Nähe sie wohnen. „Das klingt wie selbstverständlich, ist aber bei immerhin rund 20 Prozent der Azubis im Land nicht der Fall“, berichtet Prof. Brockmeier aus der Berufsschulstandortanalyse der gewerblichen Kammern. Außerdem setzen sich diese dafür ein, das Azubi-Ticket zu verstetigen. Grupe hält fest: „Das geplante 49-Euro-Ticket kann nur dann ein echter Ersatz sein, wenn es vergleichbare oder bessere finanzielle Vergünstigungen bringt.“ Darüber hinaus dringen die sachsen-anhaltischen IHKn und Handwerkskammern darauf, die Arbeit der Berufsschullehrer im Land aufzuwerten. Unterrichtsausfälle durch fehlende Lehrkräfte an den Berufsschulen dürften nicht dazu führen, dass Lehrpläne und Prüfungsanforderungen nicht mehr eingehalten werden können.

„Das Erfolgsmodell ‚Duale Berufsausbildung‘ funktioniert nur, wenn beide Lernorte, also Schule und Betrieb, inhaltlich gut aufeinander abgestimmt, im Dialog und auch mit digitalen Lehr- und Lernmethoden funktionieren“, betont André Rummel, Hauptgeschäftsführer der IHK Magdeburg. Schließlich hebt Dirk Neumann, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle (Saale), hervor: „Jedem muss klar sein, dass es hier nicht um Luxusdenken geht, sondern um die Zukunft der Wirtschaft – und damit unseres Landes.“ 

Überblick: Auszug aus den Handlungsempfehlungen der gewerblichen Kammern

Acht Punkte für eine zielgerichtete Ausbildung in der Berufsschule

·          Den Besuch der nächstgelegenen berufsbildenden Schule (mit dem entsprechenden Angebot) möglich machen!

Untersuchungen zeigen: Für jeden fünften Auszubildenden ist die Beschulung an einer näher gelegenen berufsbildenden Schule möglich. Dies sollte unbürokratisch gestattet werden!

·          Die gemeinsame Beschulung bei gleichem Rahmenlehrplan sollte ermöglicht werden!

Wenn Azubis aus verwandten Ausbildungsberufen, deren Rahmenlehrpläne in den ersten Lehrjahren identisch sind (z. B. Basiskurse für Mathematik), gemeinsam beschult würden, könnte dies einen ortsnahen Unterricht begünstigen.

·          Die Finanzierungsmodalitäten (Gastschulbeitrag) sollten überprüft werden!

Bisher müssen Landkreise und kreisfreie Städte dafür zahlen, wenn sie Auszubildende in Berufsschulen anderswohin abgeben (müssen). Abhilfe könnte durch das Finanzausgleichsgesetz des Landes geschaffen werden.

·          Die Erstattung der Kosten für auswärtige Unterbringung und die Fahrtkosten dorthin gehören auf den Prüfstand!

Die bisher gezahlten Erstattungen für Azubis decken die tatsächlich anfallenden Kosten nicht. Die Regelungen sollten deshalb überarbeitet und die Sätze angehoben werden.

·          Möglichkeiten auswärtiger Unterbringung für Auszubildende verbessern!

Die in Sachsen-Anhalt verfügbaren Wohnheimplätze reichen nicht, um entfernt von ihrem Wohnort beschulte Auszubildende unterzubringen. Unter anderem sollten Wohnprogramme von Bund und Land für Azubis genutzt werden.

·          Das Azubi-Ticket weiterhin gewährleisten!

Das Azubi-Ticket hilft, die Folgen der zunehmenden Zentralisierung von Schulangeboten zu lindern, und stärkt den öffentlichen Nahverkehr auf dem Land. Es sollte erhalten bleiben, falls das 49 Euro-Ticket nicht vergleichbar ist.

·          Die Chancen des „blended learning“ nutzen!

Die Vorteile von Präsenzveranstaltungen und E-Learning sollten systematisch kombiniert werden. Die technischen Voraussetzungen dafür sind zu schaffen und entsprechende Modellversuche zu unterstützen.

·          Das Lehramt an Berufsschulen stärken!

Berufsschullehrermangel schwächt die duale Berufsausbildung insgesamt. Das Lehramt an Berufsschulen – insbesondere für den Bereich der MINT-Fächer – muss stärker beworben und deren Ausbildungskapazitäten erhöht werden.

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