Mit Mut und sicherem Gespür international beachtete Uraufführungen bedeutender Komponisten der Jetztzeit realisieren, voller Experimentierfreude neue Klangwelten eröffnen, dabei aber niemals die eigene große Tradition aus dem Blick verlieren: Seit nunmehr acht Jahren sind dies die Grundpfeiler der überaus erfolgreichen Zusammenarbeit des Gürzenich-Orchesters mit seinem Chefdirigenten François-Xavier Roth.

Auch in der Saison 2023/24 zeigen Aufführungen wie die von Bernd Alois Zimmermanns Oper Die Soldaten eindrucksvoll, dass das Gürzenich-Orchester Musikgeschichte schrieb, die bis in die Gegenwart von überragender Bedeutsamkeit ist. Uraufführungen wie die eines neuen Werks des deutschen Komponisten Enno Poppe, die Erstaufführung von Mark Andres Echographien oder die Präsentation eines Kompositionsauftrags des Gürzenich-Orchesters und des Orchestre Philharmonique de Radio France (Éric Montalbettis Ouverture Philharmonique) beweisen die Leistungsfähigkeit des Orchesters und zeugen von der Verantwortung, die Gürzenich-Kapellmeister und Orchester aus Überzeugung für die Pflege von Musik der Jetztzeit übernehmen.

»Ebenso wie die Pflege des großen klassischen und romantischen Repertoires ist die Aufführung der zeitgenössischen Musik seit Beginn an in die DNA des Gürzenich-Orchesters eingewoben. »Aus Tradition modern«, unter diesem Motto kann die immerwährende Beschäftigung mit den Entwicklungen der lebenden Komponisten gefasst werden, die in der Vergangenheit bedeutende Werke der musikalischen Weltliteratur wie z.B. Berns Alois Zimmermanns Die Soldaten aus der Taufe hob. Diesem Motto fühlen sich auch der jetzige Gürzenich-Kapellmeister und das Orchester verpflichtet.« Stefan Englert.

Die Soldaten

Einen der Saison-Höhepunkte bildet die Aufführung von Bernd Alois Zimmermanns Oper Die Soldaten unter der Leitung von François-Xavier Roth in einer Version für den Konzertsaal, die der spanische Star-Regisseur Calixto Bieito erarbeitet: 1965 spielte das Gürzenich-Orchester die Uraufführung dieses Werks, die damals nach einem von Kämpfen, Niederlagen und Ungewissheiten geprägtem Entstehungsprozess zu einem Skandal geriet. Heute gehören Die Soldaten zu einem der herausragendsten Werke des Musiktheater-Repertoires des 20. Jahrhunderts und sind zugleich ein nachhaltiger Beweis für die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft des Gürzenich-Orchesters. Zudem gewinnt Zimmermanns beklemmende Dystopie, die vor moralischem Verfall, menschlicher Brutalität und der unwiederbringlichen Zerstörung der Welt warnt, gerade in unseren Tagen erschreckende Aktualität.

Saisonschwerpunkt »Wiener Klassik«

In 11 Abonnement-Programmen, einem Festkonzert mit Unterstützung der Concert-Gesellschaft Köln, einem Passionskonzert, einem Benefizkonzert zugunsten benachteiligter Kinder und Jugendlicher (ebenfalls gefördert von der Concert-Gesellschaft), einem Silvesterkonzert und dem Sonderkonzert mit Bernd Alois Zimmermanns Die Soldaten legt das Gürzenich-Orchester neben der Aufführung bedeutender Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts einen Programmschwerpunkt auf herausragende Werke der Wiener Klassik von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven. So widmet sich François-Xavier Roth Haydns letzter Sinfonie Nr. 104, mit der er in London den Gipfel seines Ruhms erreichte und sein Lebenswerk krönte. Auch die großartige Scena di Berenice, in der Joseph Haydn sein fulminantes dramatisches Talent zeigt, erklingt unter der Leitung von François-Xavier Roth, im Benefizkonzert außerdem die populäre Haydn-Sinfonie Nr. 83 (»La poule«).

Als der Inbegriff von Vollkommenheit galten bereits seit ihrer Entstehung die Werke Wolfgang Amadeus Mozarts. In seiner Sinfonie A-Dur KV 201 zeigt sich Mozart ebenfalls als Pionier: Dem 18-Jährigen gelang mit diesem Geniestreich ein bedeutender Beitrag zur Entwicklung des klassischen Stils und der Sinfonie. Mozart als überragendem Opernkomponisten widmet sich das Benefizkonzert mit Arien aus Così fan tutte, außerdem ist in einem weiteren Sinfoniekonzert die Konzertarie »Ch’io mi scordi di te? – Non temer, amato bene« KV 505 für Sopran, Klavier und Orchester zu hören.

Ähnlich wie diese und wie Haydns Berenice ist auch Ludwig van Beethovens große dramatische Szene für Sopran und Orchester »Ah! perfido« Aufschrei einer liebenden Frau im Angesicht von Verzweiflung und Herzensqual. Mit Beethovens Sinfonien Nr. 5 (»Schicksalssinfonie«) und Nr. 6 (»Pastorale«) präsentiert das Gürzenich-Orchester zwei der populärsten Sinfonien des Komponisten. Seine Fünfte gilt als besonders markantes Beispiel des klassischen Stils, die »Pastorale« hingegen deutet mit ihrer poetischen Grundstimmung voraus in die Romantik und ist laut Beethovens Original-Aussage »mehr Ausdruck der Empfindung als Malerey«, zugleich aber auch Symbol für die Verankerung des Menschen in einer höheren kosmischen Ordnung.

Die Wiener Klassik als Epoche des Aufbruchs, ohne die die musikalische Weiterentwicklung im 19. Jahrhundert nicht möglich gewesen wäre, zugleich gewaltiges Erbe, an dem sich alle nachfolgenden Komponisten messen mussten: Dementsprechend verfolgt auch die Programm-Dramaturgie des Gürzenich-Orchesters ausgehend von der Wiener Klassik die Spuren einer daraus resultierenden Musik der Zukunft. Franz Schuberts »Große C-Dur-Sinfonie«, von den Zeitgenossen in ihrer visionären Monumentalität verkannt, wurde erst nach dem Tod des Komponisten zu einem Welterfolg, zu einer Ikone der Romantik. Igor Strawinsky zeigt sich in seinen Symphonies d’instruments à vent und in seiner Psalmensinfonie als Wanderer zwischen Zeiten und Stilen, Béla Bartók nutzt seine Tanz-Suite als Vehikel für eine in der Musik versteckte politische Botschaft. Richard Wagner drang mit seinem Tristan-Vorspiel in bis dahin ungeahnte, neue harmonische Welten vor, Alexander Skrjabins Poème de l’Extase wurde von Richard Strauss als das »in seiner Orchestration komplexeste Werk der zeitgenössischen Musik« bezeichnet. Gustav Mahler eröffnet in seiner 4. Sinfonie »himmlische Freuden«, mit einer Interpretation der 8. Sinfonie von Anton Bruckner vollendet François-Xavier Roth seinen Zyklus mit sämtlichen Bruckner-Sinfonien.

Dirigentinnen und Dirigenten

Gürzenich-Kapellmeister François-Xavier Roth dirigiert in der kommenden Saison insgesamt 9 Programme, u. a. das inzwischen zur Institution gewordene Konzert des Kölner Bürgerorchesters. Außerdem freut sich das Gürzenich-Orchester auf die Zusammenarbeit mit weltweit gefragten Dirigentinnen und Dirigenten hauptsächlich der jüngeren Generation.

Bereits vom Gürzenich-Publikum gefeiert wurde Elim Chan, die nun mit Prokofjew, Wagner und Skrjabin zurückkehrt. Auch Roberto Trevino war schon am Pult des Gürzenich-Orchesters zu erleben, jetzt kehrt er mit einem Programm aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts (Strawinsky, Bernstein, Schostakowitsch) zurück. Der spanische Dirigent Juanjo Mena begeisterte Orchester und Publikum bereits 2021, im Februar 2024 offenbart er seine Sicht auf Edward Elgars 2. Sinfonie und auf das Violinkonzert von Johannes Brahms. Aufgrund seiner Suche nach klanglicher Perfektion seit vielen Jahren renommiert und auch beim Gürzenich-Orchester geschätzt ist Ivor Bolton. Er führt durch die Natur-Idylle von Beethovens »Pastorale«, beweist seine Haydn-Expertise in dessen letzter Sinfonie und verneigt sich vor Benjamin Britten, einem der großen Komponisten aus Boltons Heimat England.

Die finnische Stardirigentin Susanna Mälkki vollzieht mit Henri Dutilleux und Franz Schubert einen Brückenschlag zwischen Paris und Wien, zwischen Romantik und Moderne, ihr Landsmann Tarmo Peltokoski ermöglicht einen authentischen Blick auf Jean Sibelius’ 2. Sinfonie, die mit ihrer Botschaft von Freiheit und Unabhängigkeit oft als eine Art von »finnischer National-Komposition« gesehen wird.

Beide geben in dieser Saison ihr Debüt beim Gürzenich-Orchester. Den drei Göttern der Wiener Klassik Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven huldigt der italienische Dirigent und Geiger Riccardo Minasi, der auch auf dem Gebiet Historischer Aufführungspraxis über große Erfahrung verfügt.

Artist in Residence

Das Gürzenich-Orchester freut sich, in mehreren Projekten mit dem jungen französischen Pianisten Alexandre Kantorow zusammenzuarbeiten, er ist in der Saison 2023/24 Artist in Residence. Kantorow, der 2019 als 19-Jähriger mit seinem Gewinn des Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerbs für eine Sensation sorgte und seither eine kometenhafte Karriere macht, ist ein Spezialist für das große Virtuosen-Repertoire des 19. Jahrhunderts. Dementsprechend zeigt er im Rahmen der Gürzenich-Residenz sein fulminantes Können in Franz Liszts 2. Klavierkonzert und im »Ägyptischen Konzert« (Klavierkonzert Nr. 5) von Camille Saint-Saëns. Außerdem wird Alexandre Kantorow zusammen mit Musikerinnen und Musikern des Gürzenich-Orchesters ein Kammerkonzert gestalten, auf dessen Programm u. a. das Klavierquintett von Johannes Brahms steht.

Solistinnen und Solisten

Auch der inzwischen 28-jährige polnisch-kanadische Pianist Jan Lisiecki gilt als pianistische Jahrhundert-Begabung, bereits mit 13 Jahren sorgte er durch sein Chopin-Spiel für weltweite Aufmerksamkeit. Beim Gürzenich-Orchester wechselt er von Polen nach Norwegen und brilliert im einzigen Klavierkonzert von Edvard Grieg. Eine Wiederbegegnung gibt es mit Benjamin Grosvenor, der 2018 mit Beethoven begeisterte und nun in Sergej Prokofjews 3. Klavierkonzert ein Tasten-Feuerwerk entzünden wird. Eines der anrührendsten unter Mozarts Werken für Klavier und Orchester präsentiert der israelische Pianist Ammiel Bushakevitz: Den obligaten Klavier-Part in der Konzertarie »Ch’io mi scordi di te? – Non temer, amato bene« hat Mozart für sich selbst geschrieben, Stimme und Klavier finden hier – unterstützt vom Orchester – zu einer geradezu magischen Synthese.

Auch die Streicher-Solisten in der Saison 2023/24 gehören zur Crème de la Crème der internationalen Klassik-Szene. Nach ihrem großen ersten Erfolg beim Gürzenich-Orchester kehrt die niederländische Geigerin Simone Lamsma mit Leonard Bernsteins Serenade für Violine, Streicher, Harfe und Schlagzeug zurück. Der Kanadier James Ehnes widmet sich mit dem Violinkonzert von Johannes Brahms einem der Kronjuwelen des Repertoires, im Silvesterkonzert sorgt die spanische Violin-Virtuosin Leticia Moreno für Temperament und südliche Glut. Den Rätseln und Geheimnissen in Tout un monde lointain von Henri Dutilleux spürt der Cellist Alban Gerhardt nach.

Fest der Stimmen

In Gustav Mahlers 4. Sinfonie gibt es eine Wiederbegegnung mit der australischen Sopranistin Siobhan Stagg, die beim Gürzenich-Orchester im Januar 2023 in der Titelpartie in Robert Schumanns Das Paradies und die Peri begeisterte. In die Rolle der im 18. Jahrhundert als Sensation gefeierten Primadonna Brigida Giorgi Banti, der Joseph Haydn seine bravouröse Scena di Berenice gewidmet hat, schlüpft die weit über die Grenzen von Köln hinaus bestens bekannte Mezzosopranistin Anna Lucia Richter. Sie wird im selben Konzert auch Mozarts Konzertarie »Ch’io mi scordi di te? – Non temer, amato bene« singen. Einer der zurzeit international gefragtesten Opernstars ist die Südafrikanerin Golda Schultz, die von der Bayerischen Staatsoper München bis zur New Yorker Met auf allen großen Bühnen anzutreffen ist. Im Benefizkonzert des Gürzenich-Orchesters singt sie die berühmte »Felsenarie« aus Mozarts Così fan tutte und trumpft in Beethovens großer Szene »Ah! perfido« dramatisch auf. Ebenso erfolgreich ist der britische Tenor Andrew Staples, der in Benjamin Brittens delikatem Nocturne für Tenor und Kammerorchester seine ganz an der englischen Chortradition geschulte Nuancierungsfähigkeit zeigen wird.

Fans großer Gesangskunst werden in der Saison 2023/24 auch im Rahmen von drei herausragenden Kooperationen auf ihre Kosten kommen. In Bernd Alois Zimmermanns Die Soldaten sind Solisten und Gäste der Oper Köln zu erleben. Ein internationales Sänger-Ensemble konnte für eine Aufführung von Giuseppe Verdis Messa da Requiem gewonnen werden, hier arbeitet das Gürzenich-Orchester mit dem WDR Rundfunkchor zusammen. Bachs Matthäus-Passion, ebenfalls mit erlesenen Vokalsolisten, steht am Karfreitag 2024 auf dem Programm, die große Chorpartie übernimmt hier der Chor des Bayerischen Rundfunks.

Musikerinnen und Musiker des Gürzenich-Orchesters stellen sich vor

Eine Reihe von Kammerkonzerten gibt nicht nur die Gelegenheit, neben großen Werken ein spannendes unbekanntes Repertoire und ungewöhnliche Besetzungen kennenzulernen. Vielmehr beweisen die Kammerkonzerte mit ihren ausgefeilten Programmen auch das durchweg hohe Niveau jedes einzelnen Orchestermitglieds. Ein neues Projekt, das Musiker und Musikerinnen des Gürzenich-Orchesters zusammen mit dem Kölner Comedian Martin Zingsheim realisieren, setzt zudem ungewöhnliche, fantasievolle und originelle Akzente.

Kölner Bürgerorchester und Kölner Bürgerchor

Einen wichtigen Teil seiner Aufgabe sieht Gürzenich-Kapellmeister François-Xavier Roth darin, Musik einer breiten Allgemeinheit und allen Schichten der Gesellschaft zugänglich zu machen. Deswegen ist ihm das 2020 von ihm gegründete Bürgerorchester eine Herzensangelegenheit: Profis aus dem Gürzenich-Orchester erarbeiteten mit den mitwirkenden musikbegeisterten Laien ein anspruchsvolles Programm und unterstützten sie bei den Vorbereitungen auf ein Konzert in der Kölner Philharmonie. In der Saison 2023/24 ist das Bürgerorchester erneut zu erleben. Der Kölner Bürgerchor, ebenfalls eine von François-Xavier Roth ins Leben gerufene Initiative, wendet sich an sangesfreudige Kölnerinnen und Kölner. Auch sie haben die Gelegenheit, an Projekten des Gürzenich-Orchesters mitzuwirken. In der kommenden Saison ist der Bürgerchor in Igor Strawinskys Psalmensinfonie zu hören.

»Ich freue mich sehr, nach dem Erfolg im letzten Jahr mit Beethovens 9. Sinfonie nun dieses Meisterwerk des 20. Jahrhunderts mit unserem Bürgerchor aufzuführen. Es zeigt, wie gut dieser Chor ist. Ich bin sehr stolz, dass wir mit diesem Projekt eine so hohe Resonanz in der Stadt haben und wir gemeinsam solche Werke auf die Bühne bringen können.« François-Xavier Roth.

Musik für alle- 25 Jahre »Ohrenauf!«

Das Musikvermittlungsprogramm »Ohrenauf!« feiert im Jahr 2024 sein 25-jähriges Bestehen mit vielen Sonderveranstaltungen, u. a. mit Bernhard Ganders Melting pot.

Auch viele der bestehenden Angebote werden in der kommenden Spielzeit fortgesetzt, wie das beliebte Familienkonzert, 2023 mit dem »Nussknacker« oder die Schulkonzerte, für die in dieser Saison u. a. Vivi Vassileva gewonnen werden konnte. Zahlreiche kostenfreie Begleitangebote ergänzen das Konzerterlebnis. Mit dem Angebot »443 Hertz« besuchen Musikerinnen und Musiker des Orchesters ein Jugendzentrum und erarbeiten dort gemeinsam mit den Jugendlichen ein Konzertprogramm, das dann in einem Konzert präsentiert wird. Außerdem besuchen Kammermusikensembles Kindergärten und Seniorenresidenzen.

Ganz besonders am Herzen liegt uns das Konzertpatenprogramm: Mit dieser Initiative bringt das Gürzenich-Orchester Menschen, die sich engagieren möchten, und Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber, die sich eine Begleitung für den Weg in die Philharmonie wünschen, zusammen.

CD-Projekte und Aufnahmen
Bis Ende 2024 werden François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester alle Bruckner-Sinfonien auf CD veröffentlicht haben.

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